Die jüngste Novellierung des Verbotsgesetzes ist noch nicht lange her. Sie wurde letztes Jahr mit Inkrafttreten seit 1.1.2024 beschlossen – gegen die Stimmen der FPÖ. Ansonsten haben sich FPÖ-Politiker*innen mit einer Ausnahme zumindest seit den 2010er-Jahren zurückgehalten mit der Infragestellung oder gar der Forderung einer Abschaffung des Verbotsgesetzes. Herbert Kickl leitet nun auch hier eine Trendwende ein und will das Verbotsgesetz 1947 durch ein Verbotsgesetz Politischer Islam ersetzen, wie er es deutlich in der ORF-Wahlkonfrontation am 5. September mit Beate Meinl-Reisinger zum Ausdruck brachte:
Wir machen eine Parallelverschiebung zwischen dem Verbotsgesetz und verschieben es einfach und machen es zu einem Gesetz zum Verbot des politischen Islamismus. Damit haben wir die Möglichkeit, die Verherrlichung, die Verharmlosung, das Betreiben von Organisationen, Symbole, etc. zu verbieten. Das ist genau das, das ist genau der Punkt, den wir brauchen.
Der Kniefall von Barbara Rosenkranz
Freilich hatten vor allem bis 2010 immer wieder freiheitliche Politiker*innen die Abschaffung des Verbotsgesetzes manchmal andeutungsweise, manchmal unverhohlener gefordert. Einen Riesenwirbel aber hatte 2010 die freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz ausgelöst. Da musste Parteichef Strache als Feuerwehrmann ausreiten, um das von Rosenkranz entzündete Feuer zu löschen. Rosenkranz stellte bereits vor ihrer Kandidatur das Verbotsgesetz mehrfach infrage, legte aber in einem Interview im März 2010 nochmals nach:
Die FPÖ trage das Wort „Freiheit“ im Namen und stelle Bürgerrechte an die Spitze ihrer Forderungen, sagte Rosenkranz am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. „Ist man für Meinungsfreiheit, dann wird es nicht anders gehen, als dass man absurde, skurrile, verwerfliche Meinungen zulässt. Auf die Frage, ob sie bezweifle, dass es in NS-Konzentrationslagern Gaskammern gegeben hat, antwortete Rosenkranz: „Ich habe das Wissen, dass ein Österreicher, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war — das ist also mein Wissen von der Geschichte, und daran habe ich überhaupt keine Änderung vorzunehmen.“ (diepresse.com, 4.3.10)
In einer Presseaussendung am Tag nach dem Interview bezeichnete Strache „das Verbotsgesetz als wichtiges politisch-rechtliches Symbol für die klare Distanzierung und messerscharfe Trennlinie zu den Verbrechen und der verbrecherischen Ideologie des Nationalsozialismus“, dass es Rosenkranz gar nicht so gemeint hätte und man ihr nur Böses unterstellen wolle. Rosenkranz musste aber zum Kniefall ausrücken, als der Kronen Zeitung-Inhaber Hans Dichand „von ihr eine eidesstattliche Distanzierung [vom Nationalsozialismus] gefordert hat“ (derstandard.at, 6.3.10). Tatsächlich trat Rosenkranz mit einem Notar vor versammelter Presse auf und versicherte dort pflichtschuldig:
Zu keinem Zeitpunkt habe ich die Grundwerte unserer Republik in Frage gestellt, sondern sie im Gegenteil immer verteidigt. So habe ich auch das Verbotsgesetz als Symbol für die Abgrenzung vom Nationalsozialismus niemals in Frage gestellt und werde es auch nicht in Frage stellen. (zit. nach oe24.at, 8.3.24)
Vor Rosenkranz trat noch Herbert Kickl, damals Generalsekretär der FPÖ, vors Mikrofon und beschimpfte in einem Rundumschlag alle, die gewagt hatten, Rosenkranz zu kritisieren:
Was die politischen Mitbewerber und Medien in den vergangenen Tagen geliefert hätten, sei eine „beschämende Menschenhatz” gewesen. Die „unbescholtene Politikerin und lupenreine Demokratin” werde völlig „falsch und verzerrt” dargestellt. (…) Der FPÖ-Intellektuelle bremst sich kurzfristig ein und schwenkt zu des Pudels Kern: Auf die Nazizeit sei ein politischer Bannstrahl zu werfen. Er beteuert, die FPÖ distanziere sich von der NS-Zeit. (oe24.at, 8.3.24)
Etwas mehr als 14 Jahre später ist es Herbert Kickl, der das Verbotsgesetz abschaffen will. Was im Jahr 2010 noch einen Megaskandal ausgelöst hatte, war bislang keinem Medium, keinem politischen Mitbewerber – auch Beate Meinl-Reisinger nicht, die Kickl direkt gegenüberstand – eine Bemerkung wert.
Die FPÖ und die Abschaffung des Verbotsgesetzes: von Strache bis Hofer
2006, als der Holocaustleugner David Irving in Österreich zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, meinte Heinz-Christian Strache zur „Presse“ (25.2.06): „Das Gesetz, das die Meinungsfreiheit einschränkt, muss schon in Frage gestellt werden – auch wenn eine geäußerte Meinung eine katastrophale ist.“ 2007 sprach sich Strache in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ (24.2.07) für eine „offene Diskussion“ darüber aus, ob das Verbotsgesetz noch zweckdienlich sei. Der Nochimmer-Nationalrat und ehemalige dritte Nationalratspräsident Martin Graf unterstützte Straches Position und kratzte in ähnlicher Weise am Verbotsgesetz.
Als, Stefan Juritz, damals Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) Deutschlandsberg und heute Chefredakteur des Aula-Nachfolgers „Freilich“, 2007 anlässlich der Verhaftung von Kadern des neonazistischen „Bund freier Jugend“ in einer Aussendung die Abschaffung des Verbotsgesetzes forderte, erhielt er Unterstützung des FPÖ-Landesparteiobmanns Gerhard Kurzmann:
Die Meinungsfreiheit ist ein entscheidendes Gut und gerade wir als Freiheitliche sind gegen Denkverbote. Wir sind davon überzeugt, dass Inquisition, dass also irgendwelche Dogmen heute keine Gültigkeit mehr haben, und es ist ja nicht nur die FPÖ, die darüber nachdenkt, ob das Verbotsgesetz überhaupt noch zeitgemäß ist. Ich bin dafür, dass man darüber diskutiert, ob dieses Gesetz nicht abgeschafft werden sollte. (stmv1.orf.at, 11.4.07)
Norbert Hofer, damals frisch gekürter Dritter Nationalratspräsident, äußerte 2013 Zweifel am Verbotsgesetz:
Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) sinniert wieder über das Verbotsgesetz, das er vor fünf Jahren schon einmal einer Volksabstimmung unterziehen wollte. Zwar ist es für ihn keine Frage, dass es ein Verbot brauche, eine nationalsozialistische Partei zu gründen, jedoch meint er im „Kurier”: „Es gibt einen zweiten Bereich, der sich ein bisschen mit der Meinungsfreiheit spießt. Da muss man sich die Frage stellen: Wann ist unsere Demokratie so weit entwickelt, dass sie es aushält, wenn jemand etwas sehr Dummes sagt?” (APA zit. nach derstandard.at, 4.11.13)