Anglizismen canceln? Im FPÖ-Wahlprogramm nicht wirklich!
Beginnen wir mit einem Punkt, der eigentlich lächerlich ist, wenn er nicht ideologisch besetzt wäre: die Konservierung einer von Anglizismen befreiten deutschen Sprache ist schon seit Jahrzehnten ein Herzensanliegen der Blauen.
Wir bekennen uns dazu, dass die deutsche Sprache der wichtigste Träger unserer Kultur ist. In Niederösterreich haben wir uns für die Paar-Bezeichnung entschieden (Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher), lehnen aber jede Verwendung des Binnen‑I oder anderer skurriler Sonderzeichen ab. Es ist nicht einzusehen, dass Studenten schlechter benotet werden, weil sie die deutsche Sprache grammatikalisch richtig anwenden wollen.
WIR SPRECHEN DEUTSCH – ANGLIZISMEN VERMEIDEN
Unsere Zeit ist davon geprägt, krampfhaft deutsche Begriffe durch englischsprachige ersetzen zu wollen. Sogar im Nationalrat wurde jüngst ein Gesetz ohne jegliche sachliche Rechtfertigung mit einem englischen Titel versehen, obgleich unsere Amtssprache Deutsch ist. Es wäre gerade die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dieser schleichenden Verdrängung unserer Sprache entgegenzuarbeiten. (S. 59)
Dass diese Forderung einen rechten Spin hat, belegt nicht nur der Hinweis auf die „deutsche Sprache [als] der wichtigste Träger unserer Kultur“, sondern auch der Umstand, dass mit Silke Schröder eine Vertreterin des „Vereins Deutsche Sprache“ beim rechtsextremen Geheimtreffen in Potsdam dabei war.
Dem ORF das Anliegen umzuhängen, aber selber im Wahlprogramm fast im gleichen Atemzug mit den Begriffen Gender (9x), Transgender (4x), woke (3x), queer (3x), Drag-Queen (2x) und „Cancel/n“ (2x) um sich zu werfen (natürlich immer voller Abscheu), zeugt nicht gerade von der Ernsthaftigkeit dieses ohnehin völlig unsinnigen Anliegens.
So what?
Natürlich gibt es im Wahlprogramm auch Forderungen oder Punkte, die nicht rechtsextrem sind – so what! Skurril wird es dort, wo keine Erklärung, keine Forderung, auch kein Finanzierungsvorschlag damit verbunden ist, sondern einfach Belangloses erzählt wird. Das ist etwa im Kapitel „Pflege mit Liebe“ der Fall, in dem es zunächst einmal über technische Hilfsmittel geht:
Die Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit älterer Menschen soll (sic!) so lange wie möglich erhalten werden. Technische Hilfsmittel wie Rollatoren, alle Arten von Haltegriffen und Aufstehhilfen sowie Assistenzsysteme wie Hausnotrufe helfen dabei, ein langes Leben im vertrauten Umfeld zu sichern. (S. 70)
Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber warum werden diese Hilfsmittel angeführt, andere (Hörgeräte, Sehhilfen, Rollstühle) aber nicht? Hilfsmittel werden von der Sozialversicherung finanziert – mit einem Selbstbehalt und etlichen Tücken im Detail. Dazu ist jedoch von den Blauen kein Vorschlag zu finden. Wozu also das Ganze? Um Kompetenz und Engagement vorzutäuschen?
Große Technologieunternehmen wie Google, Facebook (Meta) und Amazon sammeln und analysieren riesige Mengen an Daten über ihre Nutzer. Unser Suchverhalten im Internet hinterlässt wertvolle Informationen, die zu personalisierten Inhalten verarbeitet werden. Wir werden also unbewusst in unserer Wahrnehmung und unserem Verhalten beeinflusst. Das verletzt unsere Privatsphäre und schränkt unsere Autonomie ein. (S. 15)
Auch wenn die FPÖ-Kritik an der „exzessiven Datensammlung“ durch die großen IT-Konzerne übt, könnte man ihr durchaus zustimmen. Aber merkwürdigerweise bleibt die Kritik bei einer folgen- und forderungslosen Feststellung stehen.
Die Freiheit, die sie meinen
Wenn es um Hass und Hetze geht, dann weiß die FPÖ dagegen genau, was zu tun ist: „Hassprediger haben in unserem Land nichts zu suchen“ (S. 65), stellt sie dezidiert fest. Sie meint natürlich nur islamistische – andere Varianten von Hass und Hetze werden von der FPÖ in Schutz genommen. Das „Hass- im- Netz-Bekämpfungsgesetz“ schränke die Meinungsfreiheit ein, auch die Medien-Regulierungsbehörde RTR/Komm Austria. Die EU übe mit ihrem „Digital Services Act“ sogar Zensur aus und durch einen „überschießenden Verhetzungsparagrafen“ würden rechte Politik und Meinungen eingeschränkt (S. 19). Dazu hat die FPÖ auch noch eine passende Forderung, die Förderung für alle rechtsextremen Medien: „Ebenso muss eine neue Förderstruktur geschaffen werden, an der sämtliche Medien unabhängig von ideologischen Festlegungen teilhaben können.“ (S. 9)
Die Verbote, die sie wollen
Die Grünen werden von der FPÖ als Partei des „Verbotswahns“ adressiert, dabei wimmelt es im FPÖ-Wahlprogramm nur so von Verbotsforderungen wie dem Genderverbot, dem Verbot der Doppelstaatsbürgerschaft, einem Kopftuchverbot in allen staatlichen Bereichen und einem Verbot des rituellen Schächtens (S. 88). Zweifellos ist Schächten eine archaische Form der Tötung von Tieren. Warum aber reitet ausgerechnet die FPÖ, die das „traditionelle Brauchtum“ so hochhält, für dieses Verbot? Natürlich, weil sie damit einem historischen Feind, dem Judentum, und einem aktuellen Feind, dem Islam, ans Zeug flicken will – jenseits der geltenden gesetzlichen Regelung, die die Tierqual beim Schächten weitgehend (aber nicht völlig) eindämmt.
➡️ FPÖ-Wahlprogramm (I): Homogen durch Ausscheidung des Heterogenen
➡️ FPÖ-Wahlprogramm (III): Multiple Verfassungsbrüche?
➡️ Das FPÖ-Wahlprogramm (IV) und der Klimaschutz: Land unter!