Der umstrittene „Hilfsfonds für Corona-Folgen“ war eine Koalitionsbedingung der FPÖ in Niederösterreich und umfasst ein Volumen von etwa 30 Millionen Euro.
Aus dem Topf sollen nicht nur Coronastrafen und Arztrechnungen zurückerstattet werden, sondern laut Förderrichtlinien auch Vereine subventioniert werden, die „sich für die Belange jener Menschen einsetzen, die Schäden oder Beeinträchtigungen durch COVID-19-Impfungen oder COVID-19-Erkrankungen aufweisen“. (profil.at, 23.4.24)
Zuständig für den Fonds ist FPÖ-Landesrat Christoph Luisser, dessen Pressesprecher ist der frühere Team Stronach-Nationalrat Robert Lugar. Letzterer bestätigte einer „profil“-Anfrage, dass „einige“ Förderanträge von Martin Rutters „Verein für Impfopfer“ „genehmigt“, aber noch nicht ausgezahlt worden seien. Demensprechend wirbt der Verein etwa auf dem Flyer für seine nächste Veranstaltung mit dem offiziellen Logo von Niederösterreich, dazu der Satz: „Unsere Veranstaltung wird vom Land Niederösterreich unterstützt.“
Mindestens 24 Rutter-Vereine in NÖ
Lugar zufolge habe der Verein die Förderkriterien „im Sinne der Richtlinien“ erfüllt. Dies ist oberflächlich betrachtet fragwürdig, denn der Verein hat seinen Sitz in Kärnten (Luegerstraße 10, 9020 Klagenfurt), obwohl es in den Förderrichtlinien heißt, der Antragsteller müsse seinen Sitz in Niederösterreich haben (profil.at).
Bereits kurz nach Veröffentlichung der „profil“-Recherche kam ans Licht, dass Rutters Förderanträge zumindest formal korrekt sind – weil er mindestens 24 gleichlautende Vereine in Niederösterreich angemeldet hatte.
Impfgegner Rutter gründete am 28. September 2023 zumindest 24 „Vereine für Impfopfer“, die sich nur durch den jeweiligen Bezirk im Namen unterscheiden. Sie alle geben als Sitz einen Co-Working-Space in St. Pölten an, in allen sitzen Rutter und dieselbe zweite Person – Britta B. – im Vorstand. Die vielen Vereine könnten einen Zweck haben: Jeder Verein kann über den Covid-Fonds maximal drei Projekte einreichen, die jeweils mit bis zu 5000 Euro an niederösterreichischem Steuergeld gefördert werden können. Mit seinen 24 Vereinen könnte Rutter folglich bis zu 360.000 Euro erhalten. (profil.at, 26.4.24)
Ein Pandemie-Verschwörungsagitator mit FPÖ-Nähe
Der rechtsextreme Agitator Rutter ist ein hauptberuflicher Demo-Organisator, der seit Jahren medizinische Falschbehauptungen und Verschwörungsmythen verbreitet, die mitunter offen prorussisch sind, immer antisemitische Codes („Globalisten“) enthalten und nach dem 7. Oktober 2023 auch eine antisemitische Schlagseite gegen Israel aufweisen. Auf seinem Telegram-Kanal erreicht er rund 27.000 Abonnent*innen. Er vertritt inzwischen weitgehend blaue Positionen, allerdings im schrillen Format eines Demo-Agitators gegen die „Elite“. Seine Hauptzielgruppe ist das Corona-Leugner*innen- und Impfgegner*innen-Milieu, das er durch die Pandemiezeit bei Laune hielt. Ideologisch setzt er dies nahtlos mit seinem förder-bewilligten „Opfer“-Verein fort.
Bei einer Veranstaltung des Vereins am 21.4. in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) hatte ein Allgemeinmediziner behauptet, dass mit der Covid-Schutzimpfung „Neuroroboter“ injiziert werden würden, um Menschen eine „IP-Adresse“ zu verpassen (profil.at, 26.4.24). Eine Disziplinaranzeige gegen den Mann wurde seitens des Gesundheitsministeriums angekündigt (derstandard.at, 26.4.24).
Seit dies publik und entsprechend skandalisiert wurde, wettert Rutter auf seinem Kanal unentwegt gegen die „Lügenpresse“ und die „Systemmedien“; dabei verlinkt er auch gerne zur Identitären-nahen Website „Der Status“, wo der rechtsextreme Aktivist Julian Schernthaner, der auch „Redakteur“ beim FPÖ-nahen Blatt „Freilich“ ist, das Ruttersche Opfernarrativ verbreitet.
In der rechtsextremen Medienwelt ist Rutter überhaupt gern gesehener Gast. Zum Beispiel am 24.4. in einer Talksendung von „AUF1“, wo es um die EU ging und er u.a. mit dem FPÖ-Kandidaten zur EU-Wahl Harald Vilimsky diskutierte. Dort propagiert Rutter offen Österreichs EU-Austritt, denn dann „brauchen wir nicht mehr über Schengen zu diskutieren, weil wir die Soldaten an die Grenze schicken“ etc. Sein EU-Bild im bekannten verschwörungsideologischen O‑Ton: „korrupte Eliten, fremdgesteuert von Finanzinteressen, regieren über Völker“.
Vilimsky stimmt diesem Unsinn weitgehend zu, meint aber, man könne ja die Regeln ändern, ohne auszutreten. Einigen können sie sich dann auf Rutters Idee einer „Rückentwicklung“ zur europäischen Gemeinschaft, also „kein Parlament mehr, kein Rat mehr (…), sondern nur Kooperation“. Darauf meint Vilimsky, der mehrmals die Einigkeit mit dem Verschwörungsideologen betont: „Das ist unser Plan.”
Gesundheitsminister kündigt Disziplinarverfahren an
Am 26.4. gab Gesundheitsminister Johannes Rauch bekannt, Landeshauptfrau Mikl-Leitner darum ersucht zu haben, dass Rutters Schwurbler-Verein keine Fördermittel erhält und eine Disziplinaranzeige gegen den in Leobersdorf aufgetrenen Schwurbel-Arzt einbringen zu wollen. Sowohl seitens der FPÖ in Niederösterreich als auch von Mikl-Leitner selbst heißt es, die Förderbewilligung werde nach Einbringung der Rechnungen geprüft – der zuständige Landesrat Luisser schweigt beharrlich.
Ich habe Landeshauptfrau Mikl-Leitner dringend ersucht, die Förderzusage rückgängig zu machen. Zusätzlich werden wir bei der Ärztekammer eine Disziplinaranzeige gegen den dort aufgetretenen Arzt einbringen.
— Johannes Rauch (@johannes_rauch) April 26, 2024