Der Pfarrer und der Neonazi Küssel

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Ein ost­stei­ri­scher Pfar­rer trat bei einem Fest von Corona-Leugner*innen auf. Damit nicht genug! Er ließ sei­ne Rede vom Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel, der die Ver­an­stal­tung auf der Büh­ne mode­rier­te, ein­be­glei­ten. Das geht aus „Stoppt die Rech­ten“ vor­lie­gen­den Video­auf­nah­men hervor.

„… die da heißt katho­li­sche Kir­che, die auch nicht immer, wie soll ich sagen, einer Mei­nung ist, aus­ge­tre­ten, im Sin­ne des Zusam­men­hal­tes, aber dafür für die Men­schen hier gewe­sen, was einem Pries­ter wohl schick­lich ist und ihm gut tut. Und ich dan­ke, dass er hier ist und darf ihm das Mikro­fon eben über­ge­ben.“*

So begrüßt Gott­fried Küs­sel den katho­li­schen Pfar­rer von St. Mar­ga­re­then und Kirch­berg an der Raab, Bern­hard Preiss. Der bedankt sich artig und redet vor einem Publi­kum, das der Ein­la­dung des „Bünd­nis Grund­rech­te“ zu einer „geschlos­se­nen Par­tei­ver­an­stal­tung“ am 19. August“ ins ost­stei­ri­sche Hof­stät­ten gefolgt ist. Unter dem Titel Blö­de­mi ! Covid 19 ! Game Over !“ soll­ten „Men­schen die Gesicht zei­gen und schein­bar uner­müd­lich sind“ auftreten.

„Kennenlernen unter Gleichgesinnten“

Das Line-up der Ver­an­stal­tung wur­de vom ver­hal­ten­so­ri­gi­nel­len Paar, dem Rechts­an­walt Roman Schiess­ler und der ehe­ma­li­gen Ärz­tin Kon­stan­ti­na Rösch, Gründer*in des „Bünd­nis Grund­rech­te“, ange­führt. Schiess­ler und Rösch zeig­ten sich auch zuvor immer wie­der mit Küs­sel, vor­nehm­lich mit und beim Ex-Siga Siga-Wirt aus Ter­nitz, der im Juni in Wie­ner Neu­stadt nach dem Ver­bots­ge­setz zu einer nicht rechts­kräf­ti­gen beding­ten Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt wor­den war. Der hat­te im Pro­zess von Küs­sel als sei­nem bes­ten Freund gespro­chen und durf­te an die­sem Abend eben­falls reden.

Die mit Berufs­ver­bot beleg­te Ärz­tin Rösch phan­ta­siert auf ihrem Tele­gram-Kanal in aller Regel­mä­ßig­keit vom Sturz des Sys­tems im „Unrechts­staat” Öster­reich und wet­tert gegen das „schma­rot­zen­de Gsindl“ aus allen poli­ti­schen Lagern. „Ich wer­de nicht ruhen, bis ihr aus allen öffent­li­chen Ämtern ent­sorgt seid’s“, droht sie: „Und seid‘s froh, dass ich eine huma­nis­ti­sche Grund­ein­stel­lung hab, (…) weil es gibt Leu­te, die wol­len euch fol­tern, die wol­len euch auf­hän­gen, die wol­len euch umbrin­gen. Mit mir wird’s das nicht geben. Und seid’s froh, dass die Öster­rei­cher so fried­lich und wahr­schein­lich auch so blöd sind!” (TG 26.8.23)

Hin­ter Schiess­ler und Rösch ver­sam­mel­ten sich auf der Redner*innenliste eine Rei­he wei­te­rer Namen aus dem „Wider­stand“, in dem sich die vor­wie­gend aus der Coro­na­leug­ner-Sze­ne gespeis­te Trup­pe nach Eigen­de­fi­ni­ti­on befin­det. Dar­un­ter fand sich etwa auch die rechts­extre­mis­ti­sche Ex-Minis­te­ri­al­rä­tin Moni­ka Don­ner, die erst­mals 2015 auf einer Ver­an­stal­tung der neo­na­zis­ti­schen „Par­tei des Vol­kes“ auf­fäl­lig gewor­den ist. Sie muss­te 2022 nach aller­lei wei­te­ren Eska­pa­den aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um Abschied neh­men und tourt seit­her mit ihrem Ver­schwö­rungs­ge­brab­bel quer durchs Land.

Einladung zum "Kennenlernen unter Gleichgesinnten" in Hofstätten mit Line-up

Ein­la­dung zum „Ken­nen­ler­nen unter Gleich­ge­sinn­ten” in Hof­stät­ten mit Line-up

Mittendrin der Pfarrer

Mit dabei auf der Lis­te der Redner*innen war auch Pfar­rer Bern­hard Preiss. Was auf der Ein­la­dung ver­schwie­gen wur­de: Mode­riert hat den Abend der zwei­fel­los bekann­tes­te Neo­na­zi Öster­reichs, Gott­fried Küs­sel. Die­se Per­so­na­lie ver­lieh dem Ver­an­stal­tungs­mot­to „Ken­nen­ler­nen unter Gleich­ge­sinn­ten“ eine deut­lich brau­ne Duftnote.

Gottfried Küssel als Moderator der Veranstaltung in Hofstätten (Screenshot Video vom Abend)

Gott­fried Küs­sel als Mode­ra­tor der Ver­an­stal­tung in Hof­stät­ten (Screen­shot Video vom Abend)

Im Par­la­ment ist´s ein­fach ein Jam­mer / aber in 20 Jah­ren ist´s eine Gas­kam­mer / Da kann man durch Reden nichts mehr errei­chen / und es gibt ein­zig schö­ne Gas­lei­chen / War­tet nur Brü­der, denn wir kom­men wie­der / und haun´ das rote Gesin­del dann nie­der / War­tet ihr Brü­der, denn jetzt kommt die Rache / Juda ver­re­cke und Deutsch­land erwa­che. / Und sind wir dann die allei­ni­ge Füh­rung / dann wei­nen sie alle nur mehr vor Rüh­rung / Die Juden die haben dann die nöti­ge Rei­fe / und sind pake­tiert zu schö­ner Kern­sei­fe. (Gott­fried Küs­sel 1991**)

Was Küs­sel bei der Ankün­di­gung von Preiss mit aus der katho­li­schen Kir­che „aus­ge­tre­ten“ mein­te, war ein Video­auf­tritt des Pfar­rers im Okto­ber 2021, als er am Altar sei­ner Kir­che sit­zend gegen Coro­na-Maß­nah­men wetterte.

Dar­in gei­ßelt er die Coro­na-Poli­tik der Regie­rung und zitiert dazu den ita­lie­ni­schen Phi­lo­so­phen Gior­gio Agam­ben: „Die Kir­chen haben sich unter­wor­fen. Die Medi­zin ist die neue Reli­gi­on. Theo­lo­gie und Reli­gi­on wur­den hint­an­ge­stellt.” Die in den Medi­en prä­sen­tier­ten Zah­len zu den Infek­tio­nen sei­en nicht kor­rekt, ein­sei­tig und kaum trans­pa­rent, vie­les wer­de über­dra­ma­ti­siert, meint der Pfar­rer. (kleinezeitung.at, 5.10.21)

Am Abend in Hof­stät­ten erzählt Preiss von einer Tau­fe und einer Für­bit­te, die zei­ge, wor­um es gin­ge: Für die­ses Kind, dass es lernt, mit sei­nen eige­nen Augen zu sehen, mit sei­nen eige­nen Ohren zu hören, dass es sei­ne eige­ne Mei­nung bil­det und sich nicht von Bösen beein­flus­sen lässt, dass es für sei­ne Über­zeu­gung ein­mal ein­tritt, und sei­nen eige­nen Weg findet.“

Er, Preiss, habe sich inzwi­schen mit ande­ren Pries­tern orga­ni­siert, etwa mit Uwe Eglau, „die­ser Poli­zei­seel­sor­ger von Wien, der vom Kar­di­nal Schö­ni geschasst wor­den ist“. Eglau hat­te im Jän­ner 2022 einen angeb­lich von 600 Polizist*innen unter­stütz­ten offe­nen Brief unter­zeich­net, der mit absur­den The­sen und Fehl­in­for­ma­tio­nen zu Coro­na gespikt war. Das Schrei­ben und Eglaus Auf­tritt an der Sei­te der Rechts­extre­mis­ten Mar­tin Rut­ter und Han­nes Bre­jcha hat­ten zu einer schnel­len und schar­fen Reak­ti­on der Kir­che geführt. Eglau wur­de als Seel­sor­ger entlassen.

Preiss sei, so setzt er fort, gegen „betreu­tes Den­ken (…) und schen, wenn ma mitaunand Wege geht, die guat tuan, de da eige­nen See­le guat tuan und de auch unsa­ra Wölt und die Mit­men­schen guat tuan. (…) Schön, dass wir eine gro­ße Gemein­schaft sin. Holt ma zsaumm!“ Das Publi­kum hat des Pfar­rers Rede dank­bar applau­die­rend zur Kennt­nis genom­men. Küs­sel stand neben Preiss.

Bernhard Preiss auf der Bühne, zuvor einmoderiert von Gottfried Küssel (Screenshot Video vom Abend)

Bern­hard Preiss auf der Büh­ne, zuvor ein­mo­de­riert von Gott­fried Küs­sel (Screen­shot Video vom Abend)

Diözese schweigt

Das ist kein Mensch, das ist ein Jud / frag nicht lang nach, mach ihn kaputt / das ist kein Mensch, das ist ein Aff‚/ frag nicht lang nach, mach ein­fach „paff“. (Gott­fried Küs­sel 1991*)

Küs­sel hat sei­ne Stra­fe abge­ses­sen. Stimmt. Hat er jemals etwas von dem, was er gesagt, gesun­gen oder getan hat, zurück­ge­nom­men? Nein! Als er 2019 aus sei­ner bis­lang letz­ten Haft ent­las­sen wur­de, gab er der deut­schen Neo­na­zi-Zeit­schrift „N.S. Heu­te“ ein Inter­view. Da posier­te er am Hel­den­platz vor dem „Hit­ler-Bal­kon“. Viel deut­li­cher geht’s nicht mehr.

Was sagen die zustän­di­gen Kir­chen­obe­ren zum Auf­tritt ihres Pfar­rers neben einem Neo­na­zi? Der­wei­len nichts! 2021, als das Video des Pfar­rers ver­öf­fent­licht wur­de, hat­te sich die Diö­ze­se noch distan­ziert und ange­kün­digt, mit Preiss ein klä­ren­des Gespräch füh­ren zu wol­len. Das Ersu­chen von „Stoppt die Rech­ten“ an die Diö­ze­se Graz-Seckau um eine Stel­lung­nah­me blieb unbeantwortet.

„Ich hät­te nie gedacht, dass ich da mit einem Pfar­rer – dic­tum hor­ri­bi­le – da gemein­sam steh”, tön­te Rösch von der Büh­ne. Wir auch nicht, erst recht nicht, dass sich 2023 ein amtie­ren­der katho­li­scher Pries­ter an die Sei­te eines beken­nen­den Neo­na­zis stellt.

* Alle Zita­te aus der Ver­an­stal­tung in Hof­stät­ten sind Tran­skrip­te von dort ange­fer­tig­ten Video­auf­nah­men, die „Stoppt die Rech­ten” zuge­spielt wurden.
** Aus der TV-Doku „Wahr­heit macht frei“ (1991), in der Küs­sel gemein­sam mit ande­ren Neo­na­zis unter Gejoh­le und Hit­ler­grü­ßen nach der Melo­die von „Pret­ty Belin­da“ und Peter Alex­an­ders „Hier ist ein Mensch“ den Mord an Juden und Jüdin­nen und den NS beju­belt; zit. nach lindwurm.wordpress.com, 17.11.2010.