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Der Pfarrer und der Neonazi Küssel

Ein ost­stei­ri­scher Pfar­rer trat bei einem Fest von Corona-Leugner*innen auf. Damit nicht genug! Er ließ sei­ne Rede vom Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel, der die Ver­an­stal­tung auf der Büh­ne mode­rier­te, ein­be­glei­ten. Das geht aus „Stoppt die Rech­ten“ vor­lie­gen­den Video­auf­nah­men her­vor. „… die da heißt katho­li­sche Kir­che, die auch nicht immer, wie soll ich sagen, einer Mei­nung ist, […]

30. Aug 2023
Bernhard Preiss auf der Bühne, zuvor einmoderiert von Gottfried Küssel (Screenshot Video vom Abend)
Bernhard Preiss auf der Bühne, zuvor einmoderiert von Gottfried Küssel (Screenshot Video vom Abend)

„… die da heißt katho­li­sche Kir­che, die auch nicht immer, wie soll ich sagen, einer Mei­nung ist, aus­ge­tre­ten, im Sin­ne des Zusam­men­hal­tes, aber dafür für die Men­schen hier gewe­sen, was einem Pries­ter wohl schick­lich ist und ihm gut tut. Und ich dan­ke, dass er hier ist und darf ihm das Mikro­fon eben über­ge­ben.“*

So begrüßt Gott­fried Küs­sel den katho­li­schen Pfar­rer von St. Mar­ga­re­then und Kirch­berg an der Raab, Bern­hard Preiss. Der bedankt sich artig und redet vor einem Publi­kum, das der Ein­la­dung des „Bünd­nis Grund­rech­te“ zu einer „geschlos­se­nen Par­tei­ver­an­stal­tung“ am 19. August“ ins ost­stei­ri­sche Hof­stät­ten gefolgt ist. Unter dem Titel Blö­de­mi ! Covid 19 ! Game Over !“ soll­ten „Men­schen die Gesicht zei­gen und schein­bar uner­müd­lich sind“ auftreten.

„Kennenlernen unter Gleichgesinnten“

Das Line-up der Ver­an­stal­tung wur­de vom ver­hal­ten­so­ri­gi­nel­len Paar, dem Rechts­an­walt Roman Schiess­ler und der ehe­ma­li­gen Ärz­tin Kon­stan­ti­na Rösch, Gründer*in des „Bünd­nis Grund­rech­te“, ange­führt. Schiess­ler und Rösch zeig­ten sich auch zuvor immer wie­der mit Küs­sel, vor­nehm­lich mit und beim Ex-Siga Siga-Wirt aus Ter­nitz, der im Juni in Wie­ner Neu­stadt nach dem Ver­bots­ge­setz zu einer nicht rechts­kräf­ti­gen beding­ten Frei­heits­stra­fe ver­ur­teilt wor­den war. Der hat­te im Pro­zess von Küs­sel als sei­nem bes­ten Freund gespro­chen und durf­te an die­sem Abend eben­falls reden.

Die mit Berufs­ver­bot beleg­te Ärz­tin Rösch phan­ta­siert auf ihrem Tele­gram-Kanal in aller Regel­mä­ßig­keit vom Sturz des Sys­tems im „Unrechts­staat” Öster­reich und wet­tert gegen das „schma­rot­zen­de Gsindl“ aus allen poli­ti­schen Lagern. „Ich wer­de nicht ruhen, bis ihr aus allen öffent­li­chen Ämtern ent­sorgt seid’s“, droht sie: „Und seid‘s froh, dass ich eine huma­nis­ti­sche Grund­ein­stel­lung hab, (…) weil es gibt Leu­te, die wol­len euch fol­tern, die wol­len euch auf­hän­gen, die wol­len euch umbrin­gen. Mit mir wird’s das nicht geben. Und seid’s froh, dass die Öster­rei­cher so fried­lich und wahr­schein­lich auch so blöd sind!” (TG 26.8.23)

Hin­ter Schiess­ler und Rösch ver­sam­mel­ten sich auf der Redner*innenliste eine Rei­he wei­te­rer Namen aus dem „Wider­stand“, in dem sich die vor­wie­gend aus der Coro­na­leug­ner-Sze­ne gespeis­te Trup­pe nach Eigen­de­fi­ni­ti­on befin­det. Dar­un­ter fand sich etwa auch die rechts­extre­mis­ti­sche Ex-Minis­te­ri­al­rä­tin Moni­ka Don­ner, die erst­mals 2015 auf einer Ver­an­stal­tung der neo­na­zis­ti­schen „Par­tei des Vol­kes“ auf­fäl­lig gewor­den ist. Sie muss­te 2022 nach aller­lei wei­te­ren Eska­pa­den aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um Abschied neh­men und tourt seit­her mit ihrem Ver­schwö­rungs­ge­brab­bel quer durchs Land.

Einladung zum "Kennenlernen unter Gleichgesinnten" in Hofstätten mit Line-up
Ein­la­dung zum „Ken­nen­ler­nen unter Gleich­ge­sinn­ten” in Hof­stät­ten mit Line-up

Mittendrin der Pfarrer

Mit dabei auf der Lis­te der Redner*innen war auch Pfar­rer Bern­hard Preiss. Was auf der Ein­la­dung ver­schwie­gen wur­de: Mode­riert hat den Abend der zwei­fel­los bekann­tes­te Neo­na­zi Öster­reichs, Gott­fried Küs­sel. Die­se Per­so­na­lie ver­lieh dem Ver­an­stal­tungs­mot­to „Ken­nen­ler­nen unter Gleich­ge­sinn­ten“ eine deut­lich brau­ne Duftnote.

Gottfried Küssel als Moderator der Veranstaltung in Hofstätten (Screenshot Video vom Abend)
Gott­fried Küs­sel als Mode­ra­tor der Ver­an­stal­tung in Hof­stät­ten (Screen­shot Video vom Abend)

Im Par­la­ment ist´s ein­fach ein Jam­mer / aber in 20 Jah­ren ist´s eine Gas­kam­mer / Da kann man durch Reden nichts mehr errei­chen / und es gibt ein­zig schö­ne Gas­lei­chen / War­tet nur Brü­der, denn wir kom­men wie­der / und haun´ das rote Gesin­del dann nie­der / War­tet ihr Brü­der, denn jetzt kommt die Rache / Juda ver­re­cke und Deutsch­land erwa­che. / Und sind wir dann die allei­ni­ge Füh­rung / dann wei­nen sie alle nur mehr vor Rüh­rung / Die Juden die haben dann die nöti­ge Rei­fe / und sind pake­tiert zu schö­ner Kern­sei­fe. (Gott­fried Küs­sel 1991**)

Was Küs­sel bei der Ankün­di­gung von Preiss mit aus der katho­li­schen Kir­che „aus­ge­tre­ten“ mein­te, war ein Video­auf­tritt des Pfar­rers im Okto­ber 2021, als er am Altar sei­ner Kir­che sit­zend gegen Coro­na-Maß­nah­men wetterte.

Dar­in gei­ßelt er die Coro­na-Poli­tik der Regie­rung und zitiert dazu den ita­lie­ni­schen Phi­lo­so­phen Gior­gio Agam­ben: „Die Kir­chen haben sich unter­wor­fen. Die Medi­zin ist die neue Reli­gi­on. Theo­lo­gie und Reli­gi­on wur­den hint­an­ge­stellt.” Die in den Medi­en prä­sen­tier­ten Zah­len zu den Infek­tio­nen sei­en nicht kor­rekt, ein­sei­tig und kaum trans­pa­rent, vie­les wer­de über­dra­ma­ti­siert, meint der Pfar­rer. (kleinezeitung.at, 5.10.21)

Am Abend in Hof­stät­ten erzählt Preiss von einer Tau­fe und einer Für­bit­te, die zei­ge, wor­um es gin­ge: Für die­ses Kind, dass es lernt, mit sei­nen eige­nen Augen zu sehen, mit sei­nen eige­nen Ohren zu hören, dass es sei­ne eige­ne Mei­nung bil­det und sich nicht von Bösen beein­flus­sen lässt, dass es für sei­ne Über­zeu­gung ein­mal ein­tritt, und sei­nen eige­nen Weg findet.“

Er, Preiss, habe sich inzwi­schen mit ande­ren Pries­tern orga­ni­siert, etwa mit Uwe Eglau, „die­ser Poli­zei­seel­sor­ger von Wien, der vom Kar­di­nal Schö­ni geschasst wor­den ist“. Eglau hat­te im Jän­ner 2022 einen angeb­lich von 600 Polizist*innen unter­stütz­ten offe­nen Brief unter­zeich­net, der mit absur­den The­sen und Fehl­in­for­ma­tio­nen zu Coro­na gespikt war. Das Schrei­ben und Eglaus Auf­tritt an der Sei­te der Rechts­extre­mis­ten Mar­tin Rut­ter und Han­nes Bre­jcha hat­ten zu einer schnel­len und schar­fen Reak­ti­on der Kir­che geführt. Eglau wur­de als Seel­sor­ger entlassen.

Preiss sei, so setzt er fort, gegen „betreu­tes Den­ken (…) und schen, wenn ma mitaunand Wege geht, die guat tuan, de da eige­nen See­le guat tuan und de auch unsa­ra Wölt und die Mit­men­schen guat tuan. (…) Schön, dass wir eine gro­ße Gemein­schaft sin. Holt ma zsaumm!“ Das Publi­kum hat des Pfar­rers Rede dank­bar applau­die­rend zur Kennt­nis genom­men. Küs­sel stand neben Preiss.

Bernhard Preiss auf der Bühne, zuvor einmoderiert von Gottfried Küssel (Screenshot Video vom Abend)
Bern­hard Preiss auf der Büh­ne, zuvor ein­mo­de­riert von Gott­fried Küs­sel (Screen­shot Video vom Abend)

Diözese schweigt

Das ist kein Mensch, das ist ein Jud / frag nicht lang nach, mach ihn kaputt / das ist kein Mensch, das ist ein Aff‚/ frag nicht lang nach, mach ein­fach „paff“. (Gott­fried Küs­sel 1991*)

Küs­sel hat sei­ne Stra­fe abge­ses­sen. Stimmt. Hat er jemals etwas von dem, was er gesagt, gesun­gen oder getan hat, zurück­ge­nom­men? Nein! Als er 2019 aus sei­ner bis­lang letz­ten Haft ent­las­sen wur­de, gab er der deut­schen Neo­na­zi-Zeit­schrift „N.S. Heu­te“ ein Inter­view. Da posier­te er am Hel­den­platz vor dem „Hit­ler-Bal­kon“. Viel deut­li­cher geht’s nicht mehr.

Was sagen die zustän­di­gen Kir­chen­obe­ren zum Auf­tritt ihres Pfar­rers neben einem Neo­na­zi? Der­wei­len nichts! 2021, als das Video des Pfar­rers ver­öf­fent­licht wur­de, hat­te sich die Diö­ze­se noch distan­ziert und ange­kün­digt, mit Preiss ein klä­ren­des Gespräch füh­ren zu wol­len. Das Ersu­chen von „Stoppt die Rech­ten“ an die Diö­ze­se Graz-Seckau um eine Stel­lung­nah­me blieb unbeantwortet.

„Ich hät­te nie gedacht, dass ich da mit einem Pfar­rer – dic­tum hor­ri­bi­le – da gemein­sam steh”, tön­te Rösch von der Büh­ne. Wir auch nicht, erst recht nicht, dass sich 2023 ein amtie­ren­der katho­li­scher Pries­ter an die Sei­te eines beken­nen­den Neo­na­zis stellt.

* Alle Zita­te aus der Ver­an­stal­tung in Hof­stät­ten sind Tran­skrip­te von dort ange­fer­tig­ten Video­auf­nah­men, die „Stoppt die Rech­ten” zuge­spielt wurden.
** Aus der TV-Doku „Wahr­heit macht frei“ (1991), in der Küs­sel gemein­sam mit ande­ren Neo­na­zis unter Gejoh­le und Hit­ler­grü­ßen nach der Melo­die von „Pret­ty Belin­da“ und Peter Alex­an­ders „Hier ist ein Mensch“ den Mord an Juden und Jüdin­nen und den NS beju­belt; zit. nach lindwurm.wordpress.com, 17.11.2010.