Wochenrückblick KW 18/23 (Teil 1): WhatsApp-Nazis, Identitärer vor Gericht und der rechtsextreme RFS-Kandidat

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In Teil eins des Rück­blicks der Kalen­der­wo­che 18 beschäf­ti­gen wir uns mit eini­gen Pro­zes­sen gegen Rechts­extre­me und einem Frei­heit­li­chen ÖH-Kan­di­da­ten, der tief im rechts­extre­men Sumpf steckt.

Wien: Der brau­ne WhatsApp-Pensionist
Pon­gau-Salz­burg: Der brau­ne WhatsApp-Jugendliche
Feldkirch/Vorarlberg: Ver­ges­se­ner Nazi-Schrott
Thal­heim-Wels/OÖ: Blau­äu­gig dep­per­te Fotos verteilt
Wien: Frei­spruch für Mar­tin Sellner
Salz­burg: RFS-Kan­di­dat ist Teil der rechts­extre­men Szene

Wien: Der brau­ne WhatsApp-Pensionist

Im Zuge der Ermitt­lun­gen in einem, mitt­ler­wei­le durch eine Ver­ur­tei­lung abge­schlos­se­nen Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess kam es am zwei­ten Mai am Wie­ner Lan­des­ge­richt zu einem Pro­zess gegen Robert M., ein Pen­sio­nist aus dem 15. Wie­ner Gemein­de­be­zirk. Auch dies­mal ging es um den Tat­be­stand der Wiederbetätigung.

Auf dem Han­dy von M. wur­den Nach­rich­ten, Bil­der und Vide­os mit natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Inhal­ten gefun­den: ein brau­nes Pot­pour­ri aus Hit­ler­re­den, ein „Geburts­tags­gruß-Video für Hit­ler“ in dem ein Haken­kreuz-Lam­pi­on über einem auf­ge­schla­ge­nen „Völ­ki­schen Beob­ach­ter“, dem Par­tei­or­gan der NSDAP,  zu sehen ist und die Kame­ra am Ende auf eine Eier­no­ckerl­spei­se schwenkt, wäh­rend im Hin­ter­grund ein Nazi-Lied gespielt wird. Wei­ters gab es Nach­rich­ten, die Hit­ler als Per­son bzw. die NS-Ideo­lo­gie gut­hie­ßen oder aber einen posi­ti­ven Bezug zur Sho­ah her­stell­ten. Der Ange­klag­te ver­las eine vor­be­rei­te­te Stel­lung­nah­me, in der er sich gestän­dig zeig­te. Das nicht rechts­kräf­ti­ge Urteil, von den Geschwo­re­nen ein­stim­mig gefällt, lau­te­te 15 Mona­te Frei­heits­stra­fe auf drei Jah­re Bewährung.

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Pon­gau-Salz­burg: Der brau­ne WhatsApp-Jugendliche

„Gewalt­ver­herr­li­chen­de und die NS-Zeit posi­tiv dar­stel­len­de“ (sn.at, 3.5.23) Pos­tings, laut Ankla­ge ein Dut­zend, hat ein 20-jäh­ri­ger Pon­gau­er über Jah­re hin­durch in einer Whats­App-Grup­pe ver­schickt, die ers­te bereits mit 15 Jah­ren, wes­halb die Ver­hand­lung vor einem Jugend­ge­schwo­re­nen­se­nat abge­hal­ten wur­de. Das rechts­kräf­ti­ge Urteil lau­te­te sechs Mona­te beding­ter Haft, inklu­si­ve Bewäh­rungs­hil­fe sowie eine Wei­sung, das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Maut­hau­sen zu besuchen.

Feldkirch/Vorarlberg: Ver­ges­se­ner Nazi-Schrott

Ein, vom recht­li­chen Stand­punkt aus gese­hen, bemer­kens­wer­ter Pro­zess ereig­ne­te sich am 5. Mai am Lan­des­ge­richt Feld­kirch. Denn obwohl das Zei­gen der Schwar­zen Son­ne in Öster­reich unter das NS-Ver­bots­ge­setz fal­len soll­te, spra­chen die acht Geschwo­re­nen den Ange­klag­ten frei. Der 45-Jäh­ri­ge soll zwi­schen Febru­ar 2021 und Febru­ar 2022 in sei­ner Woh­nung im Wal­gau ein Pos­ter ange­bracht haben, das er über eine öster­rei­chi­schen Web­site erstan­den habe und auf dem das erwähn­te SS-Sym­bol ange­bracht war.

Im Zuge des­sel­ben Pro­zes­ses wur­de aber noch eine ande­re Tat ver­han­delt, in der es eben­falls um das Zuschau­stel­len von SS-Sym­bo­len ging. Kon­kret han­del­te es sich um einen Schlüs­sel­an­hän­ger, der für Besucher*innen sicht­bar im Ein­gangs­be­reich sei­ner Woh­nung aus­ge­stellt war.

Anzu­mer­ken wäre in die­sem Zusam­men­hang noch, dass es sich beim ver­ur­teil­ten Wie­der­be­tä­ti­ger laut der Neu­en Vor­arl­ber­ger Tages­zei­tung (5.5.23) um einen „ehe­ma­li­gen“ Neo­na­zi-Skin­head han­delt, der bis ins Jahr 2022 eine Nebel­gra­na­te beses­sen und somit gegen das Waf­fen­ge­setz ver­sto­ßen hat­te. Inwie­fern das Attri­but „ehe­ma­lig“ hier zuläs­sig ist, dar­über lie­ße sich zumin­dest strei­ten. So wur­den wäh­rend der Haus­durch­su­chung auch gro­ße Men­gen NS-Mate­ri­al gefun­den. „Ich hab ein­fach nicht mehr dar­an gedacht, dass ich die Sachen habe“ (krone.at, 5.5.23), so die lapi­da­re Ant­wort des Ange­klag­ten darauf.

Ein an der Wand ange­brach­tes Hit­ler-Pos­ter habe er nur auf­ge­hängt, da er Hit­ler für einen „Idio­ten“ hal­te, so der Ange­klag­te. Ein gedank­li­ches Kunst­stück, das der Ange­klag­te im Fal­le des eben­falls ange­brach­ten Schwar­ze-Son­ne-Pos­ters, das er bei einem öster­rei­chi­schen Ver­sand­han­del erstan­den hat­te, nicht wie­der­hol­te. Hier sei ihm ein­fach „nichts ande­res ein­ge­fal­len“, was er sonst noch auf­hän­gen hät­te können.

Ins­ge­samt setz­te es einen Schuld­spruch und eine beding­te Haft­stra­fe von nur zehn Mona­ten und eine unbe­ding­te Geld­stra­fe über 960 Euro.

Thal­heim-Wels/OÖ: Blau­äu­gig dep­per­te Fotos verteilt

Ein 37-jäh­ri­ger Ober­ös­ter­rei­cher kennt das Gericht schon recht gut: Am 3.5. hat­te Simon S. mit elf Vor­stra­fen gerüs­tet wie­der einen Ter­min am Lan­des­ge­richt Wels. Dies­mal muss­te er sich wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und des Ver­sto­ßes gegen des Waf­fen­ge­setz verantworten.

Ange­klagt waren der Besitz von Waf­fen, die er wegen eines auf­rech­ten Waf­fen­ver­bots nicht haben hät­te dür­fen (was Simon S. angeb­lich nicht wuss­te), diver­se Nach­rich­ten, die er an Juli­an E. und in eine Whats­App-Grup­pe namens „Schwar­zer Humor“ ver­schickt hat­te. Mög­li­cher­wei­se ist der Ange­klag­te far­ben­blind und hat Braun mit Schwarz ver­wech­selt? Jeden­falls gab er sich, was die Wie­der­be­tä­ti­gung betrifft, sehr unschul­dig: An Poli­tik sei er nicht inter­es­siert und habe die „dep­per­ten“ Fotos nur „blau­äu­gig“ ver­teilt. Dar­un­ter waren Haken­kreuz-Bil­der, Füh­rer-Sujets, aber zu Adolf Hit­ler fiel ihm im Pro­zess nichts ein, zur SS ein biss­chen etwas.

Über den Kame­ra­den Juli­an, der geson­dert ver­folgt wird, wuss­te er zu berich­ten, dass der sicher kein Rechts­extre­mer sei. Da emp­feh­len wir dem Herrn E. aber schnell den Freun­des­kreis zu ändern, zumin­dest jenen auf Face­book! Bei­spiels­wei­se was Patrick Z. betrifft, der bereits vor eini­gen Mona­ten wegen Wie­der­be­tä­ti­gung eine teil­be­ding­te Stra­fe aus­ge­fasst hat.

Der Schuld­spruch der Geschwo­re­nen fiel in den meis­ten Fra­gen sehr deut­lich aus. S. erhielt nicht rechts­kräf­tig 14 Mona­te bedingt und 300 Tages­sät­ze à 4 Euro (1.200 Euro).

Wir dan­ken prozess.report für Beob­ach­tung und Bericht!

Wien: Frei­spruch für Mar­tin Sellner

Mar­tin Sell­ner, sei­nes Zei­chens all­seits bekann­tes Gesicht der neo­fa­schis­ti­schen Grup­pie­rung „Iden­ti­tä­re“, muss­te sich am 4. Mai vor dem Lan­des­ge­richt Wien ver­ant­wor­ten. Die Ankla­ge lau­te­te auf Ver­het­zung, da er im Dezem­ber 2022 nach der Raz­zia gegen die „Patrio­ti­sche Uni­on”, die immer­hin einen Putsch und die Ent­füh­rung diver­ser Per­sön­lich­kei­ten geplant hat­te, auf sei­nem Tele­gram-Kanal gepos­tet hat­te, dass „von jedem Asyl­heim mehr Gefahr aus­gin­ge als von den Reichsbürgern”. 

Wäh­rend die Staats­an­walt­schaft die Ansicht ver­trat, es han­del­te sich um eine pau­scha­le Ver­ur­tei­lung aller Asylwerber*innen, folg­te der Rich­ter Diet­mar Nuss­bau­mer jedoch Sell­ners Argu­men­ta­ti­on, es gin­ge beim Pos­ting um „ein Asyl­heim und nicht um Asyl­wer­ber“ und sprach ihn frei. Dass Sell­ner ein viel­sa­gen­der Ver­spre­cher pas­sier­te, als er im Bezug auf Haus­durch­su­chun­gen im Reichs­bür­ger­mi­lieu in Deutsch­land die For­mu­lie­rung „… des Deut­schen R… Staa­tes“ (krone.at .5.5.23) in den Mund nahm, sei am Ran­de eben­falls erwähnt.

Salz­burg: RFS-Kan­di­dat ist Teil der rechts­extre­men Szene

An der Uni­ver­si­tät Salz­burg wer­den wie in ganz Öster­reich der­zeit ÖH-Wah­len abge­hal­ten. Als Spit­zen­kan­di­dat des „Ring Frei­heit­li­cher Stu­den­ten§ (RFS) kan­di­diert dort der aus dem deut­schen Kas­sel immi­grier­te Mar­vin San­der, der eine Kar­rie­re im rechts­extre­men Milieu vor­zu­wei­sen hat, wie der Ver­band Sozia­lis­ti­scher Stu­den­ten und Stu­den­tin­nen (VSSTÖ) in einem „Stoppt die Rech­ten” vor­lie­gen­den Dos­sier zusam­men­ge­tra­gen hat.

Ange­fan­gen hat sein Wer­de­gang schon wäh­rend der Schul­zeit, die er in Salz­burg ver­brach­te. Damals war San­der in der FPÖ-Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on „Ring Frei­heit­li­cher Jugend” (RFJ) aktiv, bis zum Jahr 2021 sogar als deren Schrift­füh­rer. Der RFJ Salz­burg und somit auch San­der ist bekannt für sei­ne Ver­bin­dun­gen zur neo­fa­schis­ti­schen Grup­pe der Iden­ti­tä­ren. So betei­lig­te sich San­der im Herbst 2020 an einem iden­ti­tä­ren Info­stand am Salz­bur­ger Mozart­platz. Ein wei­te­res rechts­extre­mes Stand­bein des frei­heit­li­chen ÖH-Kan­di­da­ten ist auch sei­ne Mit­glied­schaft in der Salz­bur­ger Bur­schen­schaft Gothia, die eben­falls auf ver­schie­de­nen Ebe­nen mit den Iden­ti­tä­ren  koope­riert. Erwähnt sei hier die Teil­nah­me an einer Iden­ti­tä­ren-Demo an der Gren­ze zum Bay­ri­schen Ort Frei­las­sing im Jahr 2016, der eine freund­schaft­li­che Ein­la­dung der Gothia zu einem Besuch in deren Bude folg­te, der die „Iden­ti­tä­ren“ auch nachkamen.

Über­ra­schend ist die­se Koope­ra­ti­on frei­lich nicht, schließ­lich ist San­der nicht das ers­te frei­heit­li­che Gothia-Mit­glied, das tief mit der extre­men Rech­ten ver­strickt ist. In sei­ner Frei­zeit trai­niert San­der übri­gens flei­ßig, zum Bei­spiel im Kampf­sport-Zen­trum „Zita­del­len Sport Graz“ – gemein­sam mit Iden­ti­tä­ren-Kadern wie Tho­mas Schraith oder Luca Kerbl.