Wien: Der braune WhatsApp-Pensionist
Pongau-Salzburg: Der braune WhatsApp-Jugendliche
Feldkirch/Vbg: Vergessener Nazi-Schrott
Thalheim-Wels/OÖ: Blauäugig depperte Fotos verteilt
Wien: Freispruch für Martin Sellner
Salzburg: RFS-Kandidat ist Teil der rechtsextremen Szene
Wien: Der braune WhatsApp-Pensionist
Im Zuge der Ermittlungen in einem, mittlerweile durch eine Verurteilung abgeschlossenen Wiederbetätigungsprozess kam es am zweiten Mai am Wiener Landesgericht zu einem Prozess gegen Robert M., ein Pensionist aus dem 15. Wiener Gemeindebezirk. Auch diesmal ging es um den Tatbestand der Wiederbetätigung.
Auf dem Handy von M. wurden Nachrichten, Bilder und Videos mit nationalsozialistischen Inhalten gefunden: ein braunes Potpourri aus Hitlerreden, ein „Geburtstagsgruß-Video für Hitler“ in dem ein Hakenkreuz-Lampion über einem aufgeschlagenen „Völkischen Beobachter“, dem Parteiorgan der NSDAP, zu sehen ist und die Kamera am Ende auf eine Eiernockerlspeise schwenkt, während im Hintergrund ein Nazi-Lied gespielt wird. Weiters gab es Nachrichten, die Hitler als Person bzw. die NS-Ideologie guthießen oder aber einen positiven Bezug zur Shoah herstellten. Der Angeklagte verlas eine vorbereitete Stellungnahme, in der er sich geständig zeigte. Das nicht rechtskräftige Urteil, von den Geschworenen einstimmig gefällt, lautete 15 Monate Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung.
Wir danken prozess.report für Beobachtung und Bericht!
Pongau-Salzburg: Der braune WhatsApp-Jugendliche
„Gewaltverherrlichende und die NS-Zeit positiv darstellende“ (sn.at, 3.5.23) Postings, laut Anklage ein Dutzend, hat ein 20-jähriger Pongauer über Jahre hindurch in einer WhatsApp-Gruppe verschickt, die erste bereits mit 15 Jahren, weshalb die Verhandlung vor einem Jugendgeschworenensenat abgehalten wurde. Das rechtskräftige Urteil lautete sechs Monate bedingter Haft, inklusive Bewährungshilfe sowie eine Weisung, das Konzentrationslager Mauthausen zu besuchen.
Feldkirch/Vbg: Vergessener Nazi-Schrott
Ein, vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen, bemerkenswerter Prozess ereignete sich am 5. Mai am Landesgericht Feldkirch. Denn obwohl das Zeigen der Schwarzen Sonne in Österreich unter das NS-Verbotsgesetz fallen sollte, sprachen die acht Geschworenen den Angeklagten frei. Der 45-Jährige soll zwischen Februar 2021 und Februar 2022 in seiner Wohnung im Walgau ein Poster angebracht haben, das er über eine österreichischen Website erstanden habe und auf dem das erwähnte SS-Symbol angebracht war.
Im Zuge desselben Prozesses wurde aber noch eine andere Tat verhandelt, in der es ebenfalls um das Zuschaustellen von SS-Symbolen ging. Konkret handelte es sich um einen Schlüsselanhänger, der für Besucher*innen sichtbar im Eingangsbereich seiner Wohnung ausgestellt war.
Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang noch, dass es sich beim verurteilten Wiederbetätiger laut der Neuen Vorarlberger Tageszeitung (5.5.23) um einen „ehemaligen“ Neonazi-Skinhead handelt, der bis ins Jahr 2022 eine Nebelgranate besessen und somit gegen das Waffengesetz verstoßen hatte. Inwiefern das Attribut „ehemalig“ hier zulässig ist, darüber ließe sich zumindest streiten. So wurden während der Hausdurchsuchung auch große Mengen NS-Material gefunden. „Ich hab einfach nicht mehr daran gedacht, dass ich die Sachen habe“ (krone.at, 5.5.23), so die lapidare Antwort des Angeklagten darauf.
Ein an der Wand angebrachtes Hitler-Poster habe er nur aufgehängt, da er Hitler für einen „Idioten“ halte, so der Angeklagte. Ein gedankliches Kunststück, das der Angeklagte im Falle des ebenfalls angebrachten Schwarze-Sonne-Posters, das er bei einem österreichischen Versandhandel erstanden hatte, nicht wiederholte. Hier sei ihm einfach „nichts anderes eingefallen“, was er sonst noch aufhängen hätte können.
Insgesamt setzte es einen Schuldspruch und eine bedingte Haftstrafe von nur zehn Monaten und eine unbedingte Geldstrafe über 960 Euro.
Thalheim-Wels/OÖ: Blauäugig depperte Fotos verteilt
Ein 37-jähriger Oberösterreicher kennt das Gericht schon recht gut: Am 3.5. hatte Simon S. mit elf Vorstrafen gerüstet wieder einen Termin am Landesgericht Wels. Diesmal musste er sich wegen Wiederbetätigung und des Verstoßes gegen des Waffengesetz verantworten.
Angeklagt waren der Besitz von Waffen, die er wegen eines aufrechten Waffenverbots nicht haben hätte dürfen (was Simon S. angeblich nicht wusste), diverse Nachrichten, die er an Julian E. und in eine WhatsApp-Gruppe namens „Schwarzer Humor“ verschickt hatte. Möglicherweise ist der Angeklagte farbenblind und hat Braun mit Schwarz verwechselt? Jedenfalls gab er sich, was die Wiederbetätigung betrifft, sehr unschuldig: An Politik sei er nicht interessiert und habe die „depperten“ Fotos nur „blauäugig“ verteilt. Darunter waren Hakenkreuz-Bilder, Führer-Sujets, aber zu Adolf Hitler fiel ihm im Prozess nichts ein, zur SS ein bisschen etwas.
Über den Kameraden Julian, der gesondert verfolgt wird, wusste er zu berichten, dass der sicher kein Rechtsextremer sei. Da empfehlen wir dem Herrn E. aber schnell den Freundeskreis zu ändern, zumindest jenen auf Facebook! Beispielsweise was Patrick Z. betrifft, der bereits vor einigen Monaten wegen Wiederbetätigung eine teilbedingte Strafe ausgefasst hat.
Der Schuldspruch der Geschworenen fiel in den meisten Fragen sehr deutlich aus. S. erhielt nicht rechtskräftig 14 Monate bedingt und 300 Tagessätze à 4 Euro (1.200 Euro).
Wir danken prozess.report für Beobachtung und Bericht!
Wien: Freispruch für Martin Sellner
Martin Sellner, seines Zeichens allseits bekanntes Gesicht der neofaschistischen Gruppierung „Identitäre“, musste sich am 4. Mai vor dem Landesgericht Wien verantworten. Die Anklage lautete auf Verhetzung, da er im Dezember 2022 nach der Razzia gegen die „Patriotische Union”, die immerhin einen Putsch und die Entführung diverser Persönlichkeiten geplant hatte, auf seinem Telegram-Kanal gepostet hatte, dass „von jedem Asylheim mehr Gefahr ausginge als von den Reichsbürgern”.
Während die Staatsanwaltschaft die Ansicht vertrat, es handelte sich um eine pauschale Verurteilung aller Asylwerber*innen, folgte der Richter Dietmar Nussbaumer jedoch Sellners Argumentation, es ginge beim Posting um „ein Asylheim und nicht um Asylwerber“ und sprach ihn frei. Dass Sellner ein vielsagender Versprecher passierte, als er im Bezug auf Hausdurchsuchungen im Reichsbürgermilieu in Deutschland die Formulierung „… des Deutschen R… Staates“ (krone.at .5.5.23) in den Mund nahm, sei am Rande ebenfalls erwähnt.
Salzburg: RFS-Kandidat ist Teil der rechtsextremen Szene
An der Universität Salzburg werden wie in ganz Österreich derzeit ÖH-Wahlen abgehalten. Als Spitzenkandidat des „Ring Freiheitlicher Studenten§ (RFS) kandidiert dort der aus dem deutschen Kassel immigrierte Marvin Sander, der eine Karriere im rechtsextremen Milieu vorzuweisen hat, wie der Verband Sozialistischer Studenten und Studentinnen (VSSTÖ) in einem „Stoppt die Rechten” vorliegenden Dossier zusammengetragen hat.
Angefangen hat sein Werdegang schon während der Schulzeit, die er in Salzburg verbrachte. Damals war Sander in der FPÖ-Jugendorganisation „Ring Freiheitlicher Jugend” (RFJ) aktiv, bis zum Jahr 2021 sogar als deren Schriftführer. Der RFJ Salzburg und somit auch Sander ist bekannt für seine Verbindungen zur neofaschistischen Gruppe der Identitären. So beteiligte sich Sander im Herbst 2020 an einem identitären Infostand am Salzburger Mozartplatz. Ein weiteres rechtsextremes Standbein des freiheitlichen ÖH-Kandidaten ist auch seine Mitgliedschaft in der Salzburger Burschenschaft Gothia, die ebenfalls auf verschiedenen Ebenen mit den Identitären kooperiert. Erwähnt sei hier die Teilnahme an einer Identitären-Demo an der Grenze zum Bayrischen Ort Freilassing im Jahr 2016, der eine freundschaftliche Einladung der Gothia zu einem Besuch in deren Bude folgte, der die „Identitären“ auch nachkamen.
Überraschend ist diese Kooperation freilich nicht, schließlich ist Sander nicht das erste freiheitliche Gothia-Mitglied, das tief mit der extremen Rechten verstrickt ist. In seiner Freizeit trainiert Sander übrigens fleißig, zum Beispiel im Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ – gemeinsam mit Identitären-Kadern wie Thomas Schraith oder Luca Kerbl.