Die FPÖ, ihre „Volksverräter“ und der Galgen

Es ist so mak­aber wie beze­ich­nend: Der recht­sex­treme Roman Mös­ened­er, ger­ade noch Salzburg­er RFJ-Obmann, set­zt einen Tweet ab, mit dem er das Video-Inter­view ver­bre­it­et, in dem der Recht­sex­treme Michael Scharfmüller vom recht­sex­tremen „Info-Direkt“ den recht­sex­tremen FPÖ-Gen­er­alsekretär Michael Schnedlitz inter­viewt, der auf der FPÖ-Demo vom 20. Novem­ber gegen die „Volksver­räter“ im Par­la­ment het­zt. Hin­ter Schnedlitz und während des Inter­views wird auf der FPÖ-Demo ein Gal­gen vor­beige­führt, an dem sym­bol­isch eine Puppe baumelt.

Scharfmüller interviewt Schnedlitz – im Hintergrund spaziert Demoteilnehmer mit Galgen vorbei (Demo 20.11.21; Screenshot Video Info-Direkt)

Scharfmüller inter­viewt Schnedlitz – im Hin­ter­grund spaziert Demoteil­nehmer mit Gal­gen vor­bei (Demo 20.11.21; Screen­shot Video Info-Direkt)

Der Begriff „Volksver­räter“ wurde in Deutsch­land von Sprachwissenschafter*innen zum „Unwort des Jahres 2016“ gewählt. Wie die Jury in ihrer Begrün­dung darlegte,

weil es ein typ­is­ches Erbe von Dik­taturen, unter anderem der Nation­al­sozial­is­ten ist. Als Vor­wurf gegenüber Poli­tik­erIn­nen ist das Wort in ein­er Weise undif­feren­ziert und dif­famierend, dass ein solch­er Sprachge­brauch das ern­sthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendi­gen Diskus­sio­nen in der Gesellschaft abwürgt. Der Wortbe­standteil Volk, wie er auch in den im let­zten Jahr in die öffentliche Diskus­sion gebracht­en Wörtern völkisch oder Umvolkung gebraucht wird, ste­ht dabei ähn­lich wie im Nation­al­sozial­is­mus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, son­dern für eine eth­nis­che Kat­e­gorie, die Teile der Bevölkerung auss­chließt. Damit ist der Aus­druck zudem anti­demokratisch, weil er – um eine Ein­sendung zu zitieren – „die Gültigkeit der Grun­drechte für alle Men­schen im Hoheits­ge­bi­et der Bun­desre­pub­lik“ verneint.

Galgenträger auf der Demo am 20.11.21 (Foto © John Evers)

Gal­gen­träger auf der Demo am 20.11.21 (Foto © John Evers)

Spätestens seit der Ermor­dung des Kas­sel­er CDU-Regierung­spräsi­den­ten Wal­ter Lübcke im Juni 2019, der zuvor als „Volksver­räter“ durch die recht­sex­treme Szene gere­icht wurde, ist in Deutsch­land der Ter­mi­nus auf die Ver­wen­dung in der gewalt­bere­it­en recht­sex­tremen Szene einge­gren­zt. Öster­re­ich ist da anders. Seit der Ära Stra­che wird der Ter­mi­nus „Volksver­räter“ wieder ganz offen­siv von der FPÖ genutzt. Zuvor waren es nur die ganz Ein­schlägi­gen, Neon­azis wie Hans-Jörg Schi­manek oder der „Porno-Humer“, die die alte Nazi-Parole in den Mund nahmen.

Die Nazis hat­ten in ihren „Nation­al­sozial­is­tis­chen Leit­sätzen für ein neues deutsches Strafrecht“ den „Volksver­rat“ definiert als das „unmit­tel­bar gegen das deutsche Volk gerichtete Ver­brechen eines Volksgenossen, der die poli­tis­che Ein­heit, Frei­heit und Macht des deutschen Volkes zu erschüt­tern tra­chtet“. Damit und unter Beru­fung auf das „gesunde Volk­sempfind­en“ war so ziem­lich alles, was den Nazis nicht passte, nicht nur straf­bar, son­dern vor allem in den let­zten Jahren des NS-Regimes von Todesstrafe bedroht.

Selb­st Jörg Haider, der son­st nicht beson­ders skrupulös war beim Gebrauch von NS-belasteten Begrif­f­en, ver­wen­dete den Begriff „Volksver­rat“ nie, auch nicht „Volksver­räter“. Wed­er im poli­tis­chen Lexikon „Schlag­wort Haider“, das Haiders Aussprüche bis 1994 gesam­melt hat, noch in ein­er Schlag­wort­suche ist dazu etwas zu find­en. 2006 taucht­en die „Volksver­räter“ dann in ein­er Ascher­mittwoch-Rede von Heinz-Chris­t­ian Stra­che auf, wer­den in den fol­gen­den Jahren darauf sog­ar auf Plakat­en der FPÖ trans­portiert, bis sie während der kurzen Regierungspe­ri­ode der FPÖ 2017–2019 wieder in den recht­sex­tremen Unter­grund ver­ban­nt wurden.

"EU-Verräter" mit Strache (Wahlplakat 2008)

„EU-Ver­räter” mit Stra­che (Wahlplakat 2008)

"EU-Verräter" mit Mölzer und Strache (Wahlplakat 2009)

„EU-Ver­räter” mit Mölz­er und Stra­che (Wahlplakat 2009)

Seit kurzem sind sie wieder im Sprachreper­toire der FPÖ-Spitzen: Kickl het­zt gegen „Volksver­räter“, sein Pal­adin Schnedlitz macht es in dem Inter­view bei der FPÖ-Demo noch deut­lich­er, was er darunter ver­standen wis­sen will: „Ich bin hun­dert­mal lieber bei die Liut auf da Stroßn als bei lauter Volksver­räter im Ple­narsaal – und i muass ganz ehrlich sogn, es wird Zeit für außer­par­la­men­tarische Aktiv­itäten. (…) Und wir wer­den diesem kor­rupten Polit­sys­tem gemein­sam den Steck­er ziagn.

In weni­gen Wörtern gebün­delt find­en sich da die braunen Begriffe „Volksver­räter“ und „kor­ruptes Polit­sys­tem“ in Verbindung mit dem „Steck­er ziehen“: Schluss mit Par­la­men­taris­mus und repräsen­ta­tiv­er Demokratie und mit den „Volksver­rätern“ drin­nen? Was will der recht­sex­treme Gen­er­alsekretär mit den „Volksver­rätern“ aus dem Ple­narsaal machen, nach­dem er ihnen und dem Sys­tem den Steck­er gezo­gen hat?

Während Schnedlitz auf der FPÖ-Demo am 20. Novem­ber seine Über­legun­gen dem recht­sex­tremen Michael Scharfmüller von „Info-Direkt“ ins Mikrophon spricht, zeigt die Kam­era hin­ter Schnedlitz einen Gal­gen, der vor­beige­tra­gen wird. Eine zufäl­lige Koinzi­denz, wenn man davon absieht, dass es sich­er kein Zufall war, dass der Gal­gen für die „Volksver­räter“ auf ein­er FPÖ-Demo getra­gen wer­den durfte. Passt eben zusammen!

„Völksver­räter” von Hitler bis zur FPÖ

 

Die nation­al­sozial­is­tis­che Bewe­gung hat damals zum ersten Male ihre Entschlossen­heit gezeigt, kün­ftigh­in auch für sich das Recht auf die Straße in Anspruch zu nehmen und damit dieses Monopol den inter­na­tionalen Volksver­rätern und Vater­lands­fein­den aus der Hand zu winden.
Adolf Hitler, Mein Kampf 1927 zum Auf­marsch der Vater­ländis­chen Ver­bände im München im August 1922, wo erst­mals die SA in geschlosse­nen Ver­bän­den und mit Hak­enkreuz­fah­nen aufmarschierte.

Wir Oberöster­re­ich­er erhal­ten aber noch eine andere, beson­dere Ausze­ich­nung für unsere Leis­tun­gen während der Kampfzeit. Nach Oberöster­re­ich kommt das Konzen­tra­tionslager für die Volksver­räter von ganz Österreich.
Gauleit­er August Eigru­ber 1938

Trotz der Briefe aus der Unter­suchung­shaft, in denen er Volksvertreter „Volksver­räter” und Richter „Staats­büt­tel und Rat­ten” nan­nte (Kuri­er, 23.11.1995), bil­ligte der Ober­ste Gericht­shof Hans Jörg Schi­manek jun. eine außeror­dentliche Strafmilderung zu.

Das sind keine Volksvertreter, das sind Volksverräter!
Heinz-Chris­t­ian Stra­che 2006 über die Bun­desregierung (pro­fil 10/2006)

Dass die Schwarzen immer wieder ver­suchen, Kri­tik­er vor Gericht zu zer­ren, führt uns den Mach­trausch dieser Volksver­räter vor Augen.
Got­tfried Wald­häusl, damals Klubob­mann im NÖ-Land­tag, Mai 2011

Begleit­et von „Her­bert! Herbert!“-Rufen holte schließlich FPÖ-Bun­desparte­ichef Her­bert Kickl auf der Bühne zum ver­balen Run­dum­schlag aus. Er sprach von „Volksver­rätern statt Volksvertretern im Parlament.
FPÖ-Vor­sitzen­der und Klubob­mann Her­bert Kickl, Okto­ber 2021 in den „NÖN“ (24.10.21)

Sehr gute Fotos mit Schildern von der Demo am 20.11.2021 in Wien gibt’s beim Fotografen John Evers ➡️ hier