Die „Hanni“ von der Europäischen Aktion

So eine Über­raschung aber auch! Am 8.November fand am Lan­des­gericht Wien ein Geschwore­nen­prozess zu § 3b Ver­bots­ge­setz statt. Nach diesem Delikt wird sel­ten angeklagt. Das weckt natür­lich die Neugi­er. Die Redak­tion von „Stoppt die Recht­en“ erteilte mir deshalb einen Auf­trag. Ich set­zte mich in Bewe­gung und in die Zuschauer­bank und erlebte einen ziem­lich schrä­gen Prozessver­lauf. Ein Bericht von Karl Öllinger.

Es begann damit, dass die Angeklagte schon vor dem Ein­marsch des Richterse­n­ats einige Minuten neben der Anklage­bank stand. Alleine. Weil sie nervös war? Nein, das Rät­sel klärte sich, allerd­ings nur für Eingewei­hte, als der Vor­sitzende ver­suchte, ihre Per­son­alien zu erfra­gen. Da set­zte die Angeklagte Renate (60) zu ein­er län­geren Erk­lärung an, die der Richter dann zwar unter­brach, die aber den­noch eine erste poli­tis­che Zuord­nung ermöglichte. Renate stellte sich als ein leben­der Men­sch aus dem Stamm der P. vor, um dann noch hinzuzufü­gen, dass sie jede weit­ere Antwort ver­weigern würde, weil der Richter schon im Vor­feld der Ver­hand­lung keine Antwort auf ihren Vorhalt gegeben habe, dass er bzw. das Gericht für sie nicht legit­imiert seien, da Öster­re­ich noch immer unter der Fuch­tel des Alli­ierten Kon­troll­rats ste­hen würde und die Repub­lik daher nicht existiere.

Eingewei­hte wis­sen: Das ist die Schwurbelei ein­er Staaten­bünd­lerin, Staatsver­weigerin oder auch „Reichs­bürg­erin“. Angeklagt war sie aber nicht deshalb, son­dern weil ihr die Staat­san­waltschaft die Mit­glied­schaft in der Neon­azi-Gruppe „Europäis­che Aktion“ (EA) zur Last legte. Renate P. stand im Jahr 2013 über mehrere Monate in inten­sivem Kon­takt zu Hans Berg­er, dem Lan­desleit­er der EA für Öster­re­ich, hat­te ihm Inter­net-Unter­stützung und die Pro­duk­tion von Schu­lungsvideos ange­boten, Kon­tak­tlis­ten erstellt und auch an Tre­f­fen bzw. Vorträ­gen der EA teilgenommen.

Logo Europäische Aktion

Logo Europäis­che Aktion

Renate bleibt auch stand­haft, als der Vor­sitzende Richter ver­sucht, eine Befra­gung durchzuführen: Erstens bleibt sie ste­hen (während der gesamten Ver­hand­lung) und zweit­ens ver­weigert sie jede Antwort. Prozess­mäßig ist das nicht ger­ade ein Vorteil, den sie da für sich erar­beit­et. Aber das ist nicht ihr einziges Prob­lem. Auch Gespräche mit ihrem Pflichtvertei­di­ger hat sie im Vor­feld mehrmals abgelehnt, wie der bedauernd dem Gericht mit­teilt. Wobei ich mir da nach dessen abschließen­dem Plä­doy­er gar nicht mehr sich­er bin, ob daraus wirk­lich ein Nachteil für sie erwach­sen ist.

Prozesstech­nisch gese­hen wird über die Neon­azis von der EA ins­ge­samt ganz wenig Infor­ma­tion geboten. Die Geschwore­nen erfahren aus den Akten nur, dass der Lan­desleit­er Hans Berg­er und sein Gebi­et­sleit­er für Wien, Rudolf Vogel, mit­tler­weile schon einige Jahre ver­stor­ben sind und dass im Feb­ru­ar 2021 einige führende Aktivis­ten der EA zu mehrjähri­gen Haft­strafen verurteilt wor­den sind. Die „sieben Ziele“ der EA wur­den zwar als nation­al­sozial­is­tisch erwäh­nt, aber genau­so wenig näher beschrieben wie die „131 Grund­sätze für eine Wieder­errich­tung eines Deutschen Reich­es“, die die Angeklagte auf der Web­seite von „mzw-widerstand.com“ gefun­den und Hans Berg­er zur Ver­wen­dung emp­fohlen hat.

John de Nugent und MZW

John de Nugent und MZW

MZW (soll heißen: Mut zur Wahrheit) war die Pro­pa­gan­da­seite des US-Neon­azi John Nugent, der zeitweise auch in Öster­re­ich resi­diert hat. Wed­er er noch seine in den let­zten Jahren aufge­lassene Web­seite noch die „131 Grund­sätze“ wur­den im Prozess gegen Renate P. genauer dargestellt bzw. kon­tex­tu­al­isiert. Woher sollen die Geschwore­nen wis­sen, was sich hin­ter den Begrif­f­en ver­birgt, wenn die „131 Grund­sätze“, die Renate wärm­stens emp­fohlen hat­te, anscheinend nicht ein­mal in den Akten zu find­en waren?

John de Nugent vergleicht sich mit Hitler

John de Nugent ver­gle­icht sich mit Hitler

John de Nugent über Gottfried Küssel: "I wish to pay respects to comrade Gottfried Küssel"

John de Nugent über Got­tfried Küs­sel: „I wish to pay respects to com­rade Got­tfried Küssel”

Was ist über­haupt in den Akten zu find­en? Der Vor­sitzende Richter blät­terte darin jeden­falls sehr häu­fig und aus­gedehnt, die allem Anschein nach viel über die anti­semi­tis­chen und kru­den Ansicht­en des Hans Berg­er enthal­ten, aber nicht sehr viele und sehr deut­liche Aus­sagen von Renate P.. Wenig­stens fand er dort einen Spruch, der Mar­tin Bor­mann, dem Hitler- Pri­vat­sekretär und Reichsmin­is­ter zugeschrieben wird: „Wir kom­men wieder, aber in ein­er Form, die die Welt nicht vergessen wird.“ Warum zitiert Renate P. aus­gerech­net diesen Nazi-Spruch zus­tim­mend? Bor­mann war ein­er jen­er führen­den Nazis, die ganz mas­siv gegen den bei den Nazis weit ver­bre­it­eten Okkul­tismus vorgin­gen. Bor­mann wäre also auch ein klar­er Geg­n­er und Ver­fol­ger von Renate P. gewe­sen, die in ihren Mails Berg­er erzählte, dass der ganze Kos­mos auf Zahlen aufge­baut sei und dass die Außerirdis­chen ganz deut­liche Leben­sze­ichen von sich geben würden.

Das alles wollte sie im inter­nen Forum der EA besprochen wis­sen, aber Berg­er erk­lärte ihr ener­gisch, dass die hier­ar­chis­che Struk­tur und Ord­nung der EA solch unkon­trol­liertes Treiben und Denken ganz klar unter­sagen würde. Die ermü­dende Kon­ver­sa­tion zwis­chen den bei­den bezog sich immer wieder auf die verge­blichen Ver­suche von Renate P., mit irgendwelchen Verbesserungsvorschlä­gen für die EA-Home­page lan­den zu wollen, während Berg­er in ermü­den­den Aus­rit­ten und Erk­lärungsver­suchen über die zion­is­tis­che Weltver­schwörung dage­gen­hielt und abwehrte.

Im Juli 2013 reichte es Renate, die bis dahin von Berg­er immer mit dem von ihm erfun­de­nen Deck­na­men „Han­ni“ tit­uliert wurde, während sich Berg­er selb­st als „Her­bert“ zu tar­nen ver­suchte. Renate ver­bat sich die Ver­wen­dung des Tarn­na­mens, erk­lärte die EA zu ein­er „chao­tis­chen Gruppe“ und stieg aus. 2016 war sie aber wieder dabei und ver­mit­telte ein Tre­f­fen der EA mit der Chefin vom „Staaten­bund“, Moni­ka Unger und einem ihrer Stel­lvertreter, Franz S.. Was dabei besprochen wurde, ob Renate da schon mehr beim Staaten­bund als bei der EA war oder die bei­den Grup­pen ein­fach zusam­men­führen wollte, das wis­sen vielle­icht die Lausch­er vom Ver­fas­sungss­chutz, nicht aber die Geschwore­nen und son­sti­gen Zuhörer*innen.

Stattdessen durften wir erfahren, dass sich der Lan­desleit­er in einem sein­er Mails bei Renate alias „Han­ni“ belei­digt darüber aus­ließ, dass er von den anderen in der EA für seinen Vorschlag ein­er Kom­man­doak­tion mit 100 Kämpfern an der Gren­ze (aus­ges­tat­tet mit Geld und Waf­fen) regel­recht aus­gelacht wor­den sei.

Die Geschwore­nen wur­den von den Beruf­s­richtern mit zwei Fra­gen in die Beratung über die Schuld der Angeklagten geschickt: Erstens, hat die Angeklagte durch ihren Ange­bote zur Mitar­beit, bei der EA (Home­page, Kon­tak­tliste, Schu­lungsvideos) im Jahr 2013 die Ziele der EA und damit die Errich­tung ein­er am Nation­al­sozial­is­mus ori­en­tierten Organ­i­sa­tion unter­stützt und zweiten,s hat sie 2016 mit ihrem Bor­mann-Zitat und unter Beru­fung auf die 131 Grund­sätze zur Wieder­errich­tung eines Deutschen Reich­es zu diesem Ziel beige­tra­gen (die Fragestel­lung wurde von mir deut­lich verkürzt und vere­in­facht)? Der Spruch der Geschwore­nen war ein­deutig und über­raschend klar: mit 7:1 Stimme wurde die erste Frage deut­lich bejaht und ein­stim­mig die zweite. Geschworene und Richterse­n­at legten dann die Höhe der Strafe fest: Renate P. fasste der­weilen nicht recht­skräftig die Min­dest­strafe von fünf Jahren Haft aus, weil sie wegen ihrer Weigerung auszusagen bzw. sich zu ihrer Schuld zu erk­lären auch keine außeror­dentlichen Milderungs­gründe zuge­sprochen bekam.

Das ist ein zweifel­los hartes Urteil, weil ja die „führen­den“ Kad­er der EA, die im Früh­jahr vor Gericht standen, durch­wegs mildere Urteile erhiel­ten, sich aber in der Ver­hand­lung lamm­fromm ver­hal­ten und schuldig bekan­nt hatten.

P.S.: Übri­gens war auch dieser Prozess nicht der let­zte in der Causa EA – an weit­eren wird laut Anklage gearbeitet.

Aus unser­er umfan­gre­ichen Berichter­stat­tung zur EA:

Der Prozess
➡️ Prozess Europäis­che Aktion (Teil 1): Wo sind die anderen?
➡️ Prozess „Europäis­che Aktion“ (Teil 2): Das Net­zw­erk wird sichtbar
➡️ Prozess „Europäis­che Aktion“ (Teil 3): Zwischenstopp!

Die Verdächti­gen
➡️ Die alten und neuen Nazis der „Europäis­chen Aktion“

Der erste Auftritt der EA in der Schweiz
➡️ Vorarlberg/Schweiz: Tre­f­fen der Holocaust-Leugner

Der erste Auftritt der EA in Österreich
➡️ Die „Europäis­che Aktion“ und ihre sieben Ziele
➡️ Neon­azi im „Haus der Heimat“ zu Gast