Klagenfurt/Wien: zwei Prozesse in einer Woche für Martin Rutter
Freistadt/OÖ: Verhetzendes Flugblatt
Rankweil/Vbg.: Aberkennung des Ehrenrings für NS-affine Schriftstellerin
Feldkirch/Vbg: Junge Frau rassistisch beleidigt und mit Messer bedroht
Klagenfurt/Wien: zwei Prozesse in einer Woche für Martin Rutter
Martin Rutter kann schon bald eine Dauerkarte bei Gericht lösen: In Klagenfurt war er zu Wochenbeginn im Zuge der Neuaufrollung des Prozesses, bei dem er sich wegen des Verdachts auf Verhetzung verantworten musste, erstinstanzlich freigesprochen worden.
„Der Tatbestand der Verhetzung ist offenbar nicht der Einfachste“, meinte Kriz in seiner Urteilsbegründung nach dem Beweisverfahren. Er habe keine Feststellungen zum Nachteil Rutters treffen können, weshalb der Freispruch zu fällen gewesen sei. Rutters Äußerungen hätten sich gegen pädophile Straftäter gerichtet. Dass er Homosexuelle verunglimpfen wollte, „kann ich nach dem Gesamten, was ich gesehen habe, nicht feststellen“ – ebenso wenig wie eine Absicht, die Menschenwürde zu verletzen. Weil Staatsanwältin Kuschinsky sofort Berufung anmeldete, war das Urteil vorerst nicht rechtskräftig. (kaernten.orf.at, 4.10.21)
Der Prozess wird also nun in die nächste Runde gehen. Am Freitag stand er schließlich in Wien vor Gericht – diesmal wegen des Verdachts auf Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Die Anklage wirft ihm vor, am 31. Jänner 2021 bei einer Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen in Wien den Versuch unternommen zu haben, Polizeibeamte mit Gewalt an seiner Identitätsfeststellung zu hindern. Der 38-Jährige bekannte sich „nicht schuldig”. Die Verhandlung wurde auf 2. November vertagt. (APA via kurier.at, 8.10.21)
Nicht überraschend, aber dennoch interessant ist, was Rutter im Prozess als Einkommensquelle angab: „Den Lebensunterhalt bestreite ich auch durch Schenkungen und Unterstützung von Menschen.“ Sollten die Corona-Proteste einmal ein Ende finden, wird sich Rutter wohl eine Arbeit suchen müssen.
Freistadt/OÖ: Verhetzendes Flugblatt
Geholfen hat es in der Nachschau nichts, und das ist auch gut so. Auf einem in Postkästen verteilten Flugblatt wurde gegen den SPÖ-Gemeinderat İbrahim Cansız gehetzt: „Mit deiner Stimme für Elisabeth Teufer verhinderst du einen türkischstämmigen Bürgermeister und zeigst die LIEBE zu Deiner Heimatstadt Freistadt!“ Obwohl sich die ÖVP-Bürgermeisterin deutlich von der Hetze distanzierte, wurde sie am Sonntag abgewählt.
Rankweil/Vbg.: Aberkennung des Ehrenrings für NS-affine Schriftstellerin
Rankweil hat sich durchgerungen, das sogar einstimmig: Der Schriftstellerin Natalie Beer wird der erst 1978 verliehene Ehrenring der Stadt aberkannt – wenigstens symbolisch, da laut Vorarlberger Auszeichnungs- und Gratulationengesetz eine posthume Aberkennung gar nicht möglich ist. Die Gemeinde Rankweil habe nun aber eine entsprechende Gesetzesänderung beim beantragt.
Die Gemeindevertretung stützte sich in ihrer Entscheidung unter anderem auf ein Gutachten des Innsbrucker Historikers Dr. Nikolaus Hagen, das den aktuellen Forschungsstand zur Person Beer zusammenfasst und (erneut) aufzeigt, dass sich Natalie Beer bis ins hohe Alter öffentlich zum Nationalsozialismus bekannte, den Holocaust relativierte und keinerlei Reue auch im Hinblick auf ihre Funktion im NS-Regime zeigte. Vielmehr sprach sie noch 1983 von einem „starken Erbe” des Nationalsozialismus und bezeichnete all jene, die sich nach dem Krieg vom NS-Gedankengut abwandten, als „Verräter” und „Leute, die einfach keinen Charakter hatten“. (vol.at, 7.10.21)
Die Verstrickungen von Beer in den Nationalsozialismus sind intensiv, eine Abkehr von ihrer positiven Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus habe bis zu ihrem Tod (1987) nicht stattgefunden.
Eine ausführliche Abhandlung zu Beer und zur Entwicklung der Debatte ist hier zu lesen: Kurt Bereuter (2021): Ehrenbürgerin von Rankweil etc.: Eine alte Debatte mit Folgen? Natalie Beer und ihre NS-Vergangenheit, die niemals vergangen war
Veranstaltungshinweis: Zeitgeschichte mit Dr. Harald Walser
75 Jahre – Ende 2. Weltkrieg, na und? Warum zurückblicken, statt den Blick nach vorne richten? Ist Vergangenheitsbewältigung eine Zumutung?
Nach 1945 war der Umgang mit dem eigenen Anteil an NS-Verbrechen und dem NS-Gedankengut eine zentrale Herausforderung für die politisch Verantwortlichen. Was dann passiert ist, kann man unter dem Motto „Verdrängen, vergeben und vergessen“ zusammenfassen. Exemplarisch deutlich wird das am „Fall Natalie Beer“. Die damalige Grande Dame der Vorarlberger Literatur wurde mit Ehrungen geradezu überhäuft, obwohl sie ihre bis zum Tod anhaltende Begeisterung für den Nationalsozialismus und Adolf Hitler nicht hinter dem (Vorarl)Berg hielt.
Kritische Betrachtungen und Gedanken zum gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Kriegs- und NS-Zeit nach 1945 von Dr. Harald Walser – als Beitrag gegen das Verschweigen und Vergessen.
Mittwoch, 3. November 2021, 20:00, Altes Kino Rankweil
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Feldkirch/Vbg: Junge Frau rassistisch beleidigt und mit Messer bedroht
Nachgereicht: Ein bislang unbekannter Täter hat Ende September eine 17-jährige Frau rassistisch beleidigt, einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und sie dann auch noch mit einem Messer bedroht. „Der Täter habe daraufhin mehrmals versucht den Tatort zu verlassen, während das Mädchen ihm hinterher gelaufen sei und ihm einen Fußtritt gegen das Gesäß verpasst habe.“ (vorarlberg.orf.at, 30.9.21)
Nun sucht die Polizei nach dem Mann.