Wochenschau KW 40/21 (Teil 2)

Mar­tin Rut­ter hat­te in der let­zten Woche inten­sive Gericht­spräsenz: zuerst in Kla­gen­furt und dann in Wien. Im oberöster­re­ichis­chen Freis­tadt wurde mit einem Flug­blatt gegen einen türkisch-stäm­mi­gen SP-Gemein­der­at gehet­zt und zur Wahl der VP-Kan­di­datin (die sich von der Het­ze dis­tanzierte!) aufgerufen. Geholfen hat es nicht: Freis­tadt wird kün­ftig einen SP-Bürg­er­meis­ter haben. Der Gemein­der­at im Vorarl­berg­er Rankweil hat ein­er NS-affinen Schrift­stel­lerin einen 1978 ver­liehenen Ehren­ring aberkan­nt. Einstimmig!

Klagenfurt/Wien: zwei Prozesse in ein­er Woche für Mar­tin Rutter
Freistadt/OÖ: Ver­het­zen­des Flugblatt
Rankweil/Vbg.: Aberken­nung des Ehren­rings für NS-affine Schriftstellerin
Feldkirch/Vbg: Junge Frau ras­sis­tisch belei­digt und mit Mess­er bedroht

Klagenfurt/Wien: zwei Prozesse in ein­er Woche für Mar­tin Rutter

Mar­tin Rut­ter kann schon bald eine Dauerkarte bei Gericht lösen: In Kla­gen­furt war er zu Wochen­be­ginn im Zuge der Neuaufrol­lung des Prozess­es, bei dem er sich wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung ver­ant­worten musste, erstin­stan­zlich freige­sprochen worden.

„Der Tatbe­stand der Ver­het­zung ist offen­bar nicht der Ein­fach­ste“, meinte Kriz in sein­er Urteils­be­grün­dung nach dem Beweisver­fahren. Er habe keine Fest­stel­lun­gen zum Nachteil Rut­ters tre­f­fen kön­nen, weshalb der Freis­pruch zu fällen gewe­sen sei. Rut­ters Äußerun­gen hät­ten sich gegen pädophile Straftäter gerichtet. Dass er Homo­sex­uelle verunglimpfen wollte, „kann ich nach dem Gesamten, was ich gese­hen habe, nicht fest­stellen“ – eben­so wenig wie eine Absicht, die Men­schen­würde zu ver­let­zen. Weil Staat­san­wältin Kuschin­sky sofort Beru­fung anmeldete, war das Urteil vor­erst nicht recht­skräftig. (kaernten.orf.at, 4.10.21)

Der Prozess wird also nun in die näch­ste Runde gehen. Am Fre­itag stand er schließlich in Wien vor Gericht – dies­mal wegen des Ver­dachts auf Wider­stand gegen die Staatsgewalt.

Die Anklage wirft ihm vor, am 31. Jän­ner 2021 bei ein­er Großde­mo gegen die Coro­na-Maß­nah­men in Wien den Ver­such unter­nom­men zu haben, Polizeibeamte mit Gewalt an sein­er Iden­titäts­fest­stel­lung zu hin­dern. Der 38-Jährige bekan­nte sich „nicht schuldig”. Die Ver­hand­lung wurde auf 2. Novem­ber vertagt. (APA via kurier.at, 8.10.21)

Nicht über­raschend, aber den­noch inter­es­sant ist, was Rut­ter im Prozess als Einkom­men­squelle angab: „Den Leben­sun­ter­halt bestre­ite ich auch durch Schenkun­gen und Unter­stützung von Men­schen.“ Soll­ten die Coro­na-Proteste ein­mal ein Ende find­en, wird sich Rut­ter wohl eine Arbeit suchen müssen.

Freistadt/OÖ: Ver­het­zen­des Flugblatt

Geholfen hat es in der Nach­schau nichts, und das ist auch gut so. Auf einem in Postkästen verteil­ten Flug­blatt wurde gegen den SPÖ-Gemein­der­at İbrahim Can­sız gehet­zt: „Mit dein­er Stimme für Elis­a­beth Teufer ver­hin­der­st du einen türkischstäm­mi­gen Bürg­er­meis­ter und zeigst die LIEBE zu Dein­er Heimat­stadt Freis­tadt!“ Obwohl sich die ÖVP-Bürg­er­meis­terin deut­lich von der Het­ze dis­tanzierte, wurde sie am Son­ntag abgewählt.

Rankweil/Vbg.: Aberken­nung des Ehren­rings für NS-affine Schriftstellerin

Rankweil hat sich durchgerun­gen, das sog­ar ein­stim­mig: Der Schrift­stel­lerin Natal­ie Beer wird der erst 1978 ver­liehene Ehren­ring der Stadt aberkan­nt – wenig­stens sym­bol­isch, da laut Vorarl­berg­er Ausze­ich­nungs- und Grat­u­la­tio­nenge­setz eine posthume Aberken­nung gar nicht möglich ist. Die Gemeinde Rankweil habe nun aber eine entsprechende Geset­zesän­derung beim beantragt.

Die Gemein­de­v­ertre­tung stützte sich in ihrer Entschei­dung unter anderem auf ein Gutacht­en des Inns­bruck­er His­torik­ers Dr. Niko­laus Hagen, das den aktuellen Forschungs­stand zur Per­son Beer zusam­men­fasst und (erneut) aufzeigt, dass sich Natal­ie Beer bis ins hohe Alter öffentlich zum Nation­al­sozial­is­mus bekan­nte, den Holo­caust rel­a­tivierte und kein­er­lei Reue auch im Hin­blick auf ihre Funk­tion im NS-Regime zeigte. Vielmehr sprach sie noch 1983 von einem „starken Erbe” des Nation­al­sozial­is­mus und beze­ich­nete all jene, die sich nach dem Krieg vom NS-Gedankengut abwandten, als „Ver­räter” und „Leute, die ein­fach keinen Charak­ter hat­ten“. (vol.at, 7.10.21)

Die Ver­strick­un­gen von Beer in den Nation­al­sozial­is­mus sind inten­siv, eine Abkehr von ihrer pos­i­tiv­en Ein­stel­lung gegenüber dem Nation­al­sozial­is­mus habe bis zu ihrem Tod (1987) nicht stattgefunden.

Eine aus­führliche Abhand­lung zu Beer und zur Entwick­lung der Debat­te ist hier zu lesen: Kurt Bereuter (2021): Ehren­bürg­erin von Rankweil etc.: Eine alte Debat­te mit Fol­gen? Natal­ie Beer und ihre NS-Ver­gan­gen­heit, die niemals ver­gan­gen war

Ver­anstal­tung­sh­in­weis: Zeit­geschichte mit Dr. Har­ald Walser

75 Jahre – Ende 2. Weltkrieg, na und? Warum zurück­blick­en, statt den Blick nach vorne richt­en? Ist Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung eine Zumutung?
Nach 1945 war der Umgang mit dem eige­nen Anteil an NS-Ver­brechen und dem NS-Gedankengut eine zen­trale Her­aus­forderung für die poli­tisch Ver­ant­wortlichen. Was dann passiert ist, kann man unter dem Mot­to „Ver­drän­gen, vergeben und vergessen“ zusam­men­fassen. Exem­plar­isch deut­lich wird das am „Fall Natal­ie Beer“. Die dama­lige Grande Dame der Vorarl­berg­er Lit­er­atur wurde mit Ehrun­gen ger­adezu über­häuft, obwohl sie ihre bis zum Tod anhal­tende Begeis­terung für den Nation­al­sozial­is­mus und Adolf Hitler nicht hin­ter dem (Vorarl)Berg hielt.
Kri­tis­che Betra­ch­tun­gen und Gedanken zum gesellschaftlichen und poli­tis­chen Umgang mit der Kriegs- und NS-Zeit nach 1945 von Dr. Har­ald Walser – als Beitrag gegen das Ver­schweigen und Vergessen.

Mittwoch, 3. Novem­ber 2021, 20:00, Altes Kino Rankweil
Anmel­dun­gen hier

Feldkirch/Vbg: Junge Frau ras­sis­tisch belei­digt und mit Mess­er bedroht

Nachgere­icht: Ein bis­lang unbekan­nter Täter hat Ende Sep­tem­ber eine 17-jährige Frau ras­sis­tisch belei­digt, einen Faustschlag ins Gesicht ver­set­zt und sie dann auch noch mit einem Mess­er bedro­ht. „Der Täter habe daraufhin mehrmals ver­sucht den Tatort zu ver­lassen, während das Mäd­chen ihm hin­ter­her gelaufen sei und ihm einen Fußtritt gegen das Gesäß ver­passt habe.“ (vorarlberg.orf.at, 30.9.21)

Nun sucht die Polizei nach dem Mann.