Innsbruck: Anzeige nach dem Verbotsgesetz bei „Free Palestine“-Kundgebung
Wien U3/Stephansplatz: Antisemitismus und die Polizei völlig daneben
Wien/Wieden: Schüsse und die Polizei völlig daneben
Wien/Salzburg/Österreich: Islamfeindlichkeit und eine Karte
NÖ: Waldhäusl wegen Amtsmissbrauch angeklagt
Innsbruck: Anzeige nach dem Verbotsgesetz bei „Free Palestine“-Kundgebung
Nur eine kurze Meldung gibt es von folgendem Vorfall:
Am 26. Mai 2021 fand in Innsbruck eine angemeldete Standkundgebung zum Thema „Free Palastine” statt. Als gegen 18:10 Uhr ein Mann mit einer Kippa auf dem Kopf auf die Standversammlung zuging, kam es zu mehreren Unmutsäußerungen von Seiten der Kundgebungsteilnehmer/innen gegenüber dem Mann. Eine 22-jährige Österreicherin wird aufgrund ihrer antisemitischen Äußerungen wegen des Verdachts des Verstoßes nach dem Verbotsgesetz an die Staatsanwaltschaft Innsbruck zur Anzeige gebracht. (polizei-nachrichten.at, 27.5.21)
Wien U3/Stephansplatz: Antisemitismus und die Polizei völlig daneben
Es war in mehrfacher Hinsicht verstörend, was eine 19-jährige Studentin zuerst im Morgenjournal auf Ö1 am 28.5. über einen Vorfall vom 17. Mai schilderte. Demnach sei sie in der U3 lesend gesessen. Der Buchtitel „The jews in the modern world“ habe drei Männer dazu veranlasst, sie körperlich zu attackieren, sie als „Judenschlampe“ und „Kindsmörderin“ zu diffamieren. An der Station „Stephansplatz“ habe sie die U‑Bahn verlassen, um sich dort hilfesuchend an zwei Polizisten zu wenden.
„Die erste Frage war wirklich, warum ich jetzt in einer solchen Konfliktsituation gerade so ein Buch lesen muss, ob mir nicht klar sei, dass das provozieren müsse“, so die Studentin. Außerdem habe einer der Beamten sie gefragt, ob sie eine Jüdin sei. Als sie das verneinte, sagten die Polizisten, dass man dann aber nicht wirklich von Antisemitismus sprechen könne. Auf die Frage, was sie jetzt tun solle, habe einer der Beamten geantwortet, dass sie auf einer Polizeiwache dasselbe hören werde. Doch die Studentin erwiderte, sie könne jetzt nicht einfach nichts machen. Die Aussage der Polizisten, dass es sei schwer wäre, Verdächtige auszuforschen, verwunderte die Frau, wo doch überall in den U‑Bahnen Videokameras installiert seien: „Dann wurde mir gesagt, ich solle das am besten vergessen.“ Als sie einige Tage später selbst bei den Wiener Linien anfragte, hieß es, dass das Videomaterial nur 72 Stunden gespeichert wird. (wien.orf.at, 28.5.21)
Da der Vorfall im Nachfeld viel Staub aufwirbelte und empörte Reaktionen zur Folge hatte, wurde nun doch eine Anzeige aufgenommen. Und die Polizei Wien reagierte auf auf Twitter:
Wir wollen hier nochmals betonen, dass wir uns gegen jede Form von Antisemitismus stellen. Der jüngste Vorfall in der U3, aber auch das beschriebene Verhalten der Kolleg*innen sind uns seit Kurzem bekannt. Es wurden und werden umfangreiche Erhebungen durchgeführt. Derzeit werden alle Beamt*innen, die im betreffenden Bereich Fußstreifendienst versahen, befragt. Sollte sich der Vorfall wie geschildert zugetragen haben, sind die Aussagen der Beamt*innen nicht tragbar & können diszipl. & strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen. Für eine lückenlose & transparente Aufklärung, bitten wir die betroffene Studentin uns zu kontaktieren.
Wien/Wieden: Schüsse und die Polizei völlig daneben
In einem Instagram-Video berichteten zwei junge muslimische Frauen über einen äußerst erschreckenden Vorfall: Beim Aussteigen aus dem Auto wäre ein ohrenbetäubender Knall zu vernehmen gewesen, was sich später als Schuss aus einer Schreckschusspistole herausgestellt habe. Jemand hatte offenbar aus einem Fenster in Richtung der beiden Frauen geschossen.
Auf dem Polizeirevier in der Taubstummengasse scheint man sich nicht sonderlich interessiert gezeigt zu haben.
Die [Polizei] sei zunächst von den Männern der Musliminnen gerufen worden, hätte den Vorfall aber heruntergespielt und gemeint: „Das war ja keine echte Schusswaffe.“ Als sich die beiden Paare später entschließen, auf der Polizeiinspektion Taubstummengasse Anzeige zu erstatten, wären die Beamten dem nur widerwillig nachgekommen. Man sei schroff angefahren und gefragt worden, was das denn für ein Tatbestand sein soll. „Auf mich wurde geschossen. Das ist der Tatbestand“, sagt eine der beiden Frauen, Lehrerin an einem Wiener Gymnasium, in dem Video. Sie fühlten sich als Opfer „im Stich gelassen“ und fordern, dass ermittelt wird. Sie hätten zwar den Schützen nicht gesehen – aber ein offenes Fenster eines Gebäudes. Die Polizei habe aber kein Interesse daran gehabt, Aussagen aufzunehmen. Diesen Vorwurf konnte die Polizei am Samstag noch nicht kommentieren, da erst schriftliche Stellungnahmen der Beamten eingeholt werden. Bestätigt wird, dass es am Donnerstag den Einsatz gab, bei dem auch die Patronenhülse einer Schreckschusspistole sichergestellt wurde. (kurier.at, 29.5.21)
Erst am Samstag, am übernächsten Tag nach dem Vorfall und nach dem Instagram-Video, habe die Polizei mit einer der Frauen Kontakt aufgenommen und um einen genauen Bericht gebeten.
Wien/Salzburg/Österreich: Islamfeindlichkeit und eine Karte
Es ist sehr gut, dass die Politik auf den aktuellen Bericht der Meldestelle Antisemitismus, der im letzten Jahr einen Anstieg von antisemitischen Vorfällen um mehr als sechs Prozent auswies, reagierte. Weit leiser und geringer fielen Reaktionen von Politiker*innen aus, als die „Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus“ ihren Bericht über das letzte Jahr vorlegte und einen Anstieg der Meldungen um 33,4 % bekannt gab.
Seit 2014 erhebt die Dokustelle islamfeindliche Übergriffe, die von rassistischen Postings im Internet bis zu körperlichen Attacken reichen. Waren es im Gründungsjahr noch 158 Vorfälle, stieg die Anzahl kontinuierlich an, was einerseits mit der Bekanntheit der Meldestelle zu tun haben dürfte, andererseits mit dem intensivierten Online-Monitoring. In absoluten Zahlen steigerte sich die Anzahl der Meldungen von 1.051 im Jahr 2019 auf 1.402 im vergangenen Jahr. (wien.orf.at, 19.5.21)
Die Präsentation der „Islam-Karte“ seitens der Integrationsministerin Susanne Raab kann ja wohl kaum als Reaktion auf die antimuslimischen Übergriffe verstanden werden. Im Gegenteil: Sie könnte wohl dazu beitragen, die negative Stimmung gegenüber Muslim*innen weiter zu schüren. Dementsprechend hat es Proteste gehagelt, und die Muslimische Jugend will eine Klage einreichen.
Scharfe Kritik an der Islamlandkarte der Dokumentationsstelle politischer Islam übte am Montag Europarats-Beauftragter Daniel Höltgen. Deren Veröffentlichung sei muslimfeindlich und potenziell kontraproduktiv. Viele Muslime fühlten sich stigmatisiert und durch die Veröffentlichung von Adressen und anderer Details in der Sicherheit bedroht. „Die Islamlandkarte sollte daher in ihrer gegenwärtigen Form zurückgezogen werden”, empfahl Höltgen in einer schriftlichen Stellungnahme. (kleinezeitung.at, 31.5.21)
Zuvor schon hatte sich der evangelische Michael Bischof Chalupka zu Wort gemeldet:
Auch die Evangelische Kirche würde sich „eine Landkarte verbieten, in der ihre Einrichtungen, oder gar Einrichtungen, die mit ihr nichts zu tun haben, vom Staat in die Öffentlichkeit gebracht werden”, sagte Chalupka im Evangelischen Pressedienst. „Das Integrationsministerium findet, so scheint es, nicht die richtige Haltung zur Religionsfreiheit”, findet der Bischof. (kleinezeitung.at, 28.5.21)
Auch der Rektor der Universität Wien Engl distanzierte sich von der Karte, die vom an der Uni tätigen Enden Aslan erstellt worden war. Engl untersagte zudem die Verwendung des Logos seiner Universität.
Rektor Heinz Engel stößt sich insbesondere an dem Impressum, in dem zur Meldung von „Informationen zu einzelnen Vereinen oder Moscheen” aufgefordert wird. Das Logo wurde daher am Freitagnachmittag von der Homepage genommen. Dort prangt nun der Hinweis, dass es sich dabei um ein Projekt des Instituts für islamisch-theologische Studien der Universität Wien handelt. (kleinezeitung.at, 28.5.21)
Der Rechtsextremismusexperte Thomas Rammerstorfer, der sich seit Jahren auch mit den türkischen Grauen Wölfen beschäftigt, fand in der Karte nach einer kurzen Stichprobe gleich reihenweise Fehler.
Schlamperei, fast auf den ersten Blick erkennbar. In Wörgl gibts jeden der beiden Vereine zweimal. In Kufstein daneben gibts die Bosniaken zweimal, die Grauen Wölfe und die Sulis fehlen dafür… kann man nur den Kopf schütteln. #islamlandkarte
— Thomas Rammerstorfer (@TRammerstorfer) May 27, 2021
Zum Teil wurden sogar Privatadressen einzelner Person veröffentlicht, die ihre Wohnsitze als Vereinsadressen angegeben hatten.
Die Wohnungsadresse meine Schwester erscheint auf der Islam Karte auf. Meine Schwester begleitet keine Funktion. Sollte ihr etwas zustoßen mache ich sie dafür verantwortlich Frau @susanneraab_at und @karlnehammer
— Omar Al-Rawi (@oalrawivienna) May 28, 2021
Dass am vergangenen Wochende eine Moschee in Salzburg mit „Der Führer ist wieder zurück” beschmiert wurde, schreibt der dortige Vorsitzende der islamischen Religionsgemeinde, Ridvan Tekir, auch der Karte zu: „Letzten Sonntag gab es diese Schmiererei an einer Moschee in der Stadt Salzburg. Das ist besorgniserregend. Eine gewisse Angst ist da. Man macht durch diese Landkarte die Moscheen zu Zielscheiben.” (salzburg.orf.at, 1.6.21)
Mit der Karte und der dahinterstehenden vielfach als rassistisch bezeichneten Agenda hat es Österreich wieder einmal in die internationale Presse geschafft – bis zur Washington Post.
NÖ: Waldhäusl wegen Amtsmissbrauch angeklagt
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat nun Anklage gegen den niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl Anklage erhoben. Der Vorwurf: Waldhäusl habe rechtswidrig angeordnet, in Drasenhofen Flüchtlinge in einer Asylunterkunft unterzubringen, die von einem Stacheldraht umzäunt war. Damit ist für die Staatsanwaltschaft Amtsmissbrauch „im Sinne eines Freiheitsentzugs ohne entsprechende Rechtsgrundlage” (noe.orf.at, 28.5.21) gegeben.
Waldhäusl selbst sieht keinen Grund zu einem Rücktritt. Nur der Tiroler FPÖ-Parteichef sieht die Angelegenheit etwas anders:
„Anklage bedeutet für mich Rücktritt ohne Ausrede und Rechtfertigung.“ Regierungsmitglied und Anklage funktioniere nicht, legt Abwerzger gegenüber der TT seinem niederösterreichischen Kollegen den Rückzug nahe. Das Mindeste wäre, dass Waldhäusl seine Funktion ruhend stelle. „Wenn man bei Kurz und Blümel – zu Recht – einen Rücktritt fordert, dann muss man auch im eigenen Haus konsequent sein, sonst wird man unglaubwürdig“, betont Abwerzger. (tt.com, 29.5.21)
Die Frage ist allerdings, ob hier Abwerzger nicht vielmehr Parteichef Hofer ausgerichtet hat, dass dieser zurückzutreten hat, falls auch er angeklagt wird.