Fall Conings: Punktesieg für die Rechtsextremen?

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Seit rund zwei Wochen suchen Poli­zei und Armee Bel­gi­ens nach dem Sol­da­ten und Rechts­extre­mis­ten Jür­gen Conings wegen Ter­ror­ver­dacht. Der Eli­te­sol­dat, der in meh­re­ren Brie­fen mit Angrif­fen auf staat­li­che Struk­tu­ren und auf Per­so­nen wie den Viro­lo­gen Marc van Ranst gedroht hat­te, deck­te sich vor sei­ner Flucht bzw. sei­nem Unter­tau­chen in sei­ner Kaser­ne noch reich­lich mit schwe­ren Waf­fen und Muni­ti­on ein.

Das Ein­zi­ge, was bis jetzt schon mit Sicher­heit gefun­den wer­den konn­te, ist ein ekla­tan­ter Mili­tär­skan­dal. Conings war näm­lich schon seit Jah­ren als beken­nen­der Rechts­extre­mist bekannt, der auch vom bel­gi­schen Mili­tär­ge­heim­dienst beob­ach­tet wur­de und trotz­dem bis zu sei­nem Abtau­chen noch unge­hin­dert Zugang zum Waf­fen­ar­se­nal sei­ner Kaser­ne hat­te, wo er sich unter ande­rem mit einer Maschi­nen­pis­to­le, Muni­ti­on und Pan­zer­ab­wehr­ra­ke­ten für sei­ne Flucht ausrüstete.

Der Mili­tär­ge­heim­dienst hat den Irak- und Afgha­ni­stan-Vete­ra­nen Anfang 2021 als ers­ten bel­gi­schen Sol­da­ten sogar auf eine Ter­ror­lis­te gesetzt, „wovon das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um aber nicht erfah­ren haben will“, wie die „Tages­schau“ der ARD berich­tet. Conings, der sich im Inter­net als Anhän­ger der rechts­extre­men und ras­sis­ti­schen Par­tei „Vlaams Belang“ (mit der die FPÖ gute Kon­tak­te pfleg­te) zu erken­nen gege­ben hat, soll auch der „Vlaams Legioen“, einer Nazi-Grup­pe in der Tra­di­ti­on der „Flä­mi­schen Legi­on“, einer Waf­fen-SS-Ein­heit, Gefechts­aus­bil­dung gege­ben haben.

Conings: „Vlaams Legioen“

Conings: „Vlaams Legioen“

Mit meh­re­ren Hun­dert­schaf­ten fahn­den Poli­zei und Armee seit dem 18. Mai nach Conings, nach­dem die­ser sei­ne mili­tä­ri­schen Aus­zeich­nun­gen am Grab sei­ner Eltern nie­der­ge­legt und meh­re­re „Abschieds­brie­fe“ ver­fasst hat­te, in denen er schrieb, er kön­ne „nicht mehr in einer Welt leben, in der die Poli­ti­ker und die Viro­lo­gen uns alles genom­men haben“ (Blick nach Rechts, 31.5.21, zugäng­lich mit Abo). Wie die Fahn­der spä­ter her­aus­ge­fun­den haben, hat­te Conings noch am Tag vor Beginn der Fahn­dung dem Viro­lo­gen Marc van Ranst vor des­sen Woh­nung aufgelauert.

Der Wis­sen­schaft­ler und sei­ne Fami­lie wur­den umge­hend in Sicher­heit gebracht. Marc Van Ranst ist für Pan­de­mie-Leug­ner und Schutz­maß­nah­men-Geg­ner in Bel­gi­en eine ähn­li­che Hass­fi­gur wie der Viro­lo­ge Chris­ti­an Dros­ten oder der SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ker Karl Lau­ter­bach in Deutsch­land. Eini­ge Medi­en berich­te­ten, Conings habe den bel­gi­schen Viro­lo­gen regel­mä­ßig auch zuvor schon über die sozia­len Medi­en ange­fein­det und bedroht. Zudem wur­den nach dem Unter­tau­chen zeit­wei­se Moscheen in der Pro­vinz Lim­burg vor­sorg­lich geschlos­sen oder ver­stärkt über­wacht. Spä­ter berich­te­ten Medi­en, dass neben Van Ranst auch neun ande­re Per­so­nen und deren Fami­li­en unter beson­de­rem Schutz gestellt oder in Sicher­heit gebracht wur­den („Safe­house“). (Blick nach Rechts)

Als vor­läu­fi­ge Kon­se­quenz aus dem Ver­sa­gen des Mili­tärs bei Conings wur­de elf wei­te­ren rechts­extre­men Sol­da­ten der Zugang zu Waf­fen­de­pots und sen­si­blen Infor­ma­tio­nen gesperrt, und ins­ge­samt fünf­zig rechts­extre­me Sol­da­ten sol­len in Zukunft stär­ker beob­ach­tet wer­den. Das alles klingt wie ein schlech­ter Scherz ange­sichts des Fak­tums, dass selbst ein als poten­zi­el­ler Ter­ro­rist ein­ge­stuf­ter und bes­tens beob­ach­te­ter Sol­dat wie Conings völ­lig unge­stört agie­ren konn­te. Der Ruf nach poli­ti­schen Kon­se­quen­zen ver­hall­te bis­her den­noch unge­hört, wobei das in der fra­gi­len poli­ti­schen Land­schaft mit den schwie­ri­gen Regie­rungs­bil­dun­gen nicht völ­lig unver­ständ­lich ist:

Die bel­gi­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Ludi­vi­ne Dedon­der ist erst seit sechs Mona­ten im Amt und weist jede Ver­ant­wor­tung für die Pan­nen­se­rie weit von sich: „Ich habe ein Minis­te­ri­um vor­ge­fun­den, das über vie­le Jah­re ver­nach­läs­sigt wor­den ist, was das Per­so­nal angeht, die Ein­satz­be­reit­schaft und die Infra­struk­tur. (ARD-Tages­schau)

Noch ist völ­lig unklar, ob Conings, des­sen Auto kurz nach sei­nem Unter­tau­chen mit einer Spreng­fal­le prä­pa­riert gefun­den wur­de, noch am Leben ist oder wei­ter sei­ne Ter­ror­dro­hun­gen umset­zen will. Schließ­lich sind mitt­ler­wei­le zwei Wochen ver­gan­gen, in denen – abge­se­hen von dem Auto – kei­ne wei­te­ren Hin­wei­se oder Lebens­zei­chen gefun­den wur­den. Kräf­tig mel­de­ten sich jedoch sei­ne Anhänger*innen: Eine mitt­ler­wei­le von Face­book geschlos­se­ne Grup­pe, die sich mit Conings soli­da­ri­sier­te, ver­zeich­ne­te bin­nen kür­zes­ter Zeit fast 50.000 Fans.

Soligruppe für Conings

Soli­grup­pe für Conings

In sei­ner Hei­mat Maas­me­chelen gab es meh­re­re Schwei­ge­mär­sche mit Hun­der­ten Demons­trie­ren­den – vie­le von ihnen natür­lich aus der rechts­extre­men Ecke rund um den Vlaams Belang. Soll­te die (sozi­al­li­be­ra­le) Regie­rung über den Skan­dal um Conings stür­zen, dann wäre es gar nicht so unwahr­schein­lich, dass ent­we­der die rech­ten flä­mi­schen Natio­na­lis­ten von der N‑VA oder gar die Rechts­extre­men vom Vlaams Belang bei der nächs­ten Regie­rung mit­spie­len wür­den. Das wäre zumin­dest ein Punk­te­sieg für den abge­tauch­ten Rechtsextremisten.

Der Rechtsextreme wird als Held abgefeiert

Der Rechts­extre­me wird als Held abgefeiert