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Wochenschau KW 9/21

Auch am letz­ten Sams­tag zogen wie­der Tau­sen­de Teil­neh­men­de an den Pro­tes­ten gegen die Coro­­na-Maß­­nah­­men durch Wien und wie­der mit mas­si­ver rechts­extre­mer Betei­li­gung. Zum Teil kam es im zwei­ten Bezirk zu wil­den Sze­nen – inklu­si­ve Hit­ler­gruß, Sieg-Heil-Rufen – und das aus­ge­rech­net in einem jüdi­schen Vier­tel der Leo­pold­stadt. Suben, Ried/OÖ: ser­bi­sches Ser­vus Dorn­birn: vier Ankla­gen gegen ehemalige […]

8. Mrz 2021

Suben, Ried/OÖ: ser­bi­sches Servus
Dorn­birn: vier Ankla­gen gegen ehe­ma­li­ge Schü­ler der HTL Dornbirn
Salz­burg: vier Wiederbetätigungsprozesse
Wien: Rechts­extre­mer Mob zog durch den zwei­ten Bezirk

Suben, Ried/OÖ: ser­bi­sches Servus

Ein 39-jäh­ri­ger Häft­ling der Jus­tiz­an­stalt Suben soll einen Hit­ler­gruß getä­tigt haben. Das bestä­tig­ten eine Rei­he von Zeu­gen, dar­un­ter auch zwei Jus­tiz­wa­che­be­am­te. Auch eine Video­auf­nah­me legt die ein­schlä­gi­ge Inter­pre­ta­ti­on der Arme­be­we­gung des ser­bi­schen Häft­lings nahe.

Der Beschul­dig­te zeig­te sich vor Gericht nicht gestän­dig. Er habe die anwe­sen­den ser­bi­schen Mit­häft­lin­ge ledig­lich mit einer Hand­be­we­gung begrüßt und in ser­bi­scher Spra­che „Ser­vus” gesagt, heißt es in der Ankla­ge­schrift. Der Mann sag­te, die­se Art des Gru­ßes habe er schon als Kind ver­wen­det. Von einem Hit­ler­gruß kön­ne also nicht die Rede sein. (nachrichten.at, 4.3.21)

Das Urteil: ein ein­stim­mi­ger Frei­spruch durch die Geschworenen.

Dorn­birn: vier Ankla­gen gegen ehe­ma­li­ge Schü­ler der HTL Dornbirn

Mehr als zwei Jah­re hat es gedau­ert, bis nun ein Pro­zess­ter­min steht: Im Mai wer­den sich vier mitt­ler­wei­le ehe­ma­li­ge Schü­ler wegen des Ver­dachts der Wie­der­be­tä­ti­gung vor Gericht ver­ant­wor­ten müs­sen. Ende 2018 ist öffent­lich gewor­den, dass es in der HTL Dorn­birn zu neo­na­zis­ti­schen Umtrie­ben gekom­men sei.

Den Ange­klag­ten wird vor­ge­wor­fen, den ver­bo­te­nen Hit­ler­gruß gezeigt zu haben. Dies sei foto­gra­fiert und gefilmt wor­den, ent­nimmt Stüt­ler [Gerichts­spre­cher; Anmk. SdR] der Ankla­ge­schrift. Wei­ters hät­ten die Beschul­dig­ten „Sieg Heil“ und „Heil Hit­ler“ geru­fen, heißt es. Zudem soll geäu­ßert wor­den sein, dass Juden ver­gast gehö­ren. In sozia­len Medi­en haben Ange­klag­te nach Dar­stel­lung der Staats­an­walt­schaft „Heil Hit­ler“ und „Sieg Heil“ geschrie­ben und sogar davon, dass Nazi-Deutsch­land zurück­keh­ren wer­de. NS-Codes sol­len in den Chats ver­wen­det wor­den sein, wie die Zahl 88, die nach dem ach­ten Buch­sta­ben des Alpha­bets als Abkür­zung für die ver­bo­te­ne Gruß­for­mel „Heil Hit­ler“ steht. (Neue Vor­arl­ber­ger Tages­zei­tung, 4.3.21, S. 20f.)

Ermitt­lun­gen gegen wei­te­re Beschul­dig­te sind mit Diver­sio­nen abge­schlos­sen worden.

Salz­burg: vier Wiederbetätigungsprozesse

Vier Pro­zes­se wegen des Ver­dachts auf Wie­der­be­tä­ti­gung fin­den in die­ser Woche in Salz­burg statt.

In allen vier Pro­zes­sen geht es ums Ver­sen­den von Whats­App-Nach­rich­ten mit mut­maß­li­chen NS-Inhal­ten. (…) Am Diens­tag steht etwa ein Kraft­fah­rer (60) vor Gericht; er soll 50 tat­be­stands­mä­ßi­ge Whats­App-Nach­rich­ten, dar­un­ter Hit­ler ver­herr­li­chen­de Col­la­gen, wei­ter­ge­lei­tet haben. Am Don­ners­tag ste­hen gar sechs Män­ner vor Gericht, die Mit­glie­der einer Whats­App-Grup­pe gewe­sen sein sol­len und laut Ankla­ge NS-Pos­tings ver­sand­ten. (Salz­bur­ger Nach­rich­ten, 6.3.21, S. L14)

Wien: Rechts­extre­mer Mob zog durch den zwei­ten Bezirk

Es waren teil­wei­se wil­de Sze­nen, die sich am Sams­tag, 6.3., im Zuge der nun schon gewohn­heits­mä­ßig an jedem Wochen­en­de statt­fin­den­den Demos der Corona-Leugner*innen abge­spielt haben. Nach­dem die FPÖ zu einer Kund­ge­bung auf der Jesui­ten­wie­se im Pra­ter auf­ge­ru­fen hat­te und der blaue Klub­ob­mann Her­bert Kickl auch jen­sei­ti­ge Angrif­fe gegen Isra­el gerit­ten hat­te – auf die im Publi­kum teil­wei­se mit anti­se­mi­ti­schen Paro­len geant­wor­tet wur­de – zogen ver­schie­de­ne Grup­pen durch den zwei­ten Bezirk. 

Der Kurier (8.3., S. 3) berich­tet von einem Demo­teil­neh­mer, der sich beim Hit­ler­gruß und einem Sieg-Heil-Sager“ [film­te]. Und das aus­ge­rech­net am Sab­bat im jüdi­schen Vier­tel im zwei­ten Bezirk. Ein wei­te­rer hob die rech­te Hand bei der FPÖ-Veranstaltung.“

Auch Gott­fried Küs­sel nahm mit Kame­ra­den an der Ver­an­stal­tung teil und lausch­te den Wor­ten von Her­bert Kickl im Prater.

Betont aggres­siv und gut ver­mummt tra­ten Grup­pen von Fuß­ball-Hoo­li­gans auf, aus deren Rei­hen her­aus Jour­na­lis­ten und Jour­na­lis­tin­nen sowie Gegen­de­mons­tran­ten und ‑demons­tran­tin­nen atta­ckiert wur­den. Die­se Angrif­fe wur­den mit „Scheiß Antifa”-Rufen ein­ge­lei­tet. Eine Jour­na­lis­tin vom Pres­se­ser­vice Wien wur­de wäh­rend der FPÖ-Kund­ge­bung tät­lich ange­grif­fen, ange­pö­belt und bei ihrer Arbeit behin­dert. (derstandard.at, 8.3.21)

In den Abend­stun­den eska­lier­te die Demons­tra­ti­on an meh­re­ren Punk­ten im zwei­ten Bezirk. Dabei dran­gen etwa 150 Per­so­nen in ein Ver­si­che­rungs­ge­bäu­de ein und ver­letz­ten dabei zwei Wach­män­ner – einer trug einen Schien­bein­bruch davon. Ins­ge­samt soll es laut Poli­zei zu mehr als 3.000 Anzei­gen – zwei oder drei wegen Ver­sto­ßes gegen das Ver­bots­ge­setz – und 42 Fest­nah­men gekom­men sein.

Wider­stand gab’s von der dies­mal radeln­den Anti­fa: Sie blo­ckier­te einen Demons­tra­ti­ons­zug auf der Pra­ter Haupt­al­lee mit Fahr­rä­dern und wur­de dafür sei­tens der Poli­zei mit Pfef­fer­spray „bedankt“.

Der Wie­ner Poli­zei­prä­si­dent Pürstl sprach wie­der ein­mal von einem gelun­ge­nen Ein­satz. Da bereits für die nächs­te Demo am 20. März mobi­li­siert wird, dür­fen wir uns also auf ein Da Capo die­ses „gelun­ge­nen“ Ein­sat­zes gefasst machen. Und das kann durch­aus als Dro­hung ver­stan­den werden.

➡️ Pres­se­aus­sendung Grü­ne Wien/Kunrath, Seitz: Gescheh­nis­se in der Leo­pold­stadt sind unerträglich 
➡️ Coro­na-Demos am Sams­tag: Ohne Distanz zum Rechtsextremismus