Wochenschau KW 52, 53/20, 1/21 (Teil 2)Lesezeit: 7 Minuten

Einen wei­te­rer Fund von Waf­fen gar­niert mit NS-Devo­­tio­na­­li­en gab’s in Wien-Flo­rid­s­­dorf. Zwei FPÖ-Gemein­­de­rä­­te aus Nie­der­ös­ter­reich ver­glei­chen geschichts­ver­ges­sen die Coro­­na-Maß­­nah­­men mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus und gera­ten so in eine ver­harm­lo­sen­de Schie­ne. Zumin­dest mit einem beschäf­tigt sich nun die Jus­tiz. Die FPÖ Bur­gen­land beschäf­tigt sich mit sich selbst – da bahnt sich die völ­li­ge Eska­la­ti­on eines schon länger […]

12. Jan 2021

Wien-Floridsdorf: Waffen und NS-Devotionalien
Bischofstetten und Schweiggers/NÖ: FPÖ und Holocaustvergleiche
FPÖ Burgenland: „High Noon“ ante portas
Imst/Tirol: VP-Bürgermeister will Skandal aussitzen
Wien: Burschenschafterball (derweilen) abgesagt

Wien-Floridsdorf: Waffen und NS-Devotionalien

Nach­dem ein 33-Jäh­ri­ger sei­nen Nach­barn mit einer Schreck­schuss­pis­to­le bedroht hat­te, rief der Nach­bar die Poli­zei. Und die stell­te „Schreck­schuss­waf­fen, Tot­schlä­ger, Jagd­bö­gen und Samu­rai­schwer­ter sicher. In sei­ner Woh­nung wur­den auch eine Aus­ga­be von Adolf Hit­lers ‚Mein Kampf‘ und ein Haken­kreuz aus Gips ent­deckt. Der 33-Jäh­ri­ge wur­de auf frei­em Fuße ange­zeigt.“ (wien.orf.at, 8.1.21)

Nicht aller­dings wegen Wie­der­be­tä­ti­gung, weil der Besitz von NS-Devo­tio­na­li­en per se nicht straf­bar ist. Dann hof­fen wir, dass in die Rich­tung einer mög­li­chen Wie­der­be­tä­ti­gung wenigs­tens ermit­telt wird!

Bischofstetten und Schweiggers/NÖ: FPÖ und Holocaustvergleiche

Der FPÖ-Gemein­de­rat Han­nes Grenl aus Bischofstet­ten teil­te in einer Whats­App-Grup­pe für Gemeinderät*innen ein Foto, das Coro­na-Maß­nah­men mit dem Holo­caust ver­gleicht. „Dafür hat­te er eine Foto­mon­ta­ge einer his­to­ri­schen Auf­nah­me eines Ein­gangs zum Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz gepos­tet, auf dem die Auf­schrift ‚Arbeit macht frei‘ durch ‚Tes­ten macht frei‘ ersetzt war.“ (noen.at, 6.1.21)

Grenl beton­te zwar, das sei sei­ne Pri­vat­mei­nung und habe nichts mit der Par­tei zu tun, recht­fer­tig­te jedoch sei­ne geschichts­ver­ges­se­ne Geschmack­lo­sig­keit, 

weil die Aus­gangs­be­schrän­kun­gen samt wei­te­rer Maß­nah­men einem „Kriegs­zu­stand“ glei­chen wür­den. „Ich habe mir gedacht, das passt mit dem Ein­sper­ren. Bei den ange­dach­ten Maß­nah­men darf ein Nicht-Geimpf­ter das nicht und darf das nicht – ein Jude darf das nicht und darf das nicht. Das ist für mich nicht rich­tig, des­halb stimmt für mich der Ver­gleich sehr wohl. (noen.at)

Unter­stüt­zung bekam Grenl dann doch aus der eige­nen Par­tei durch den Bezirks­ge­schäfts­füh­rer Richard Punz, der in Kri­tik an den Maß­nah­men der Regie­rung mein­te, „[e]s soll­ten sich aber alle, die sich jetzt empö­ren, Gedan­ken machen, wie und war­um es zu sol­chen Ver­glei­chen kommt – denn die­se gibt es in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on zur Genü­ge“ (noen.at).

Kri­tik kam nicht nur von der ört­li­chen SPÖ, son­dern auch vom Mel­ker „Ver­ein MERK­wür­dig – Zeit­his­to­ri­sches Zen­trum“, des­sen Obmann Chris­ti­an Rabl die Ein­brin­gung einer Sach­ver­halts­dar­stel­lung wegen Ver­harm­lo­sung der Ver­bre­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus ankün­dig­te – eine Inter­pre­ta­ti­on, die auch der Spre­cher des Innen­mi­nis­te­ri­ums bestä­tig­te: 

Jeg­li­cher her­ge­stell­ter Bezug zwi­schen der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus und den Ein­schrän­kun­gen bzw. gesetz­li­chen Gege­ben­hei­ten auf­grund der Covid-19-Schutz­maß­nah­men muss als eine Ver­harm­lo­sung der NS-Zeit sowie der dama­li­gen Juden­ver­fol­gung und somit als anti­se­mi­ti­sche Agi­ta­ti­on gese­hen wer­den und wird aus eben­die­sem Grund jeden­falls der Staats­an­walt­schaft wei­ter­ge­lei­tet. (noen.at)

Ähn­lich unter­wegs war Niko Stein­berg, FPÖ-Gemein­de­rat in Schweig­gers, der in einer von FPÖ Fails ver­öf­fent­lich­ten Bild­mon­ta­ge nicht nur mit einem Juden­stern mit der Auf­schrift „Nicht geimpft“ und „Die Jagd auf Men­schen kann nun wie­der begin­nen“ den Holo­caust ver­harm­los­te, son­dern auch einen direk­ten Ver­gleich zwi­schen Sebas­ti­an Kurz und Hit­ler her­stell­te. 

Pro­tes­te folg­ten vor allem von der ÖVP. Stein­berg fühlt sich nun ver­leum­det und gemobbt. Er fürch­te um den Ver­lust sei­nes Arbeits­plat­zes. In einem neu­en Pos­ting über die inzwi­schen off­line geschal­te­te FB-Sei­te der „FPÖ Schweig­gers“ vom 30. Dezem­ber schreibt Stein­berg: „Auf­grund von ver­mehr­ter (sic) Ruf­schä­di­gun­gen, Ver­leum­dun­gen wer­den alle Hass­pos­tings sofort gelöscht und der Autor behörd­lich ange­zeigt.“ (noen.at, 30.12.20)

Sein Arbeit­ge­ber, die Alli­anz Ver­si­che­run­gen, distan­ziert sich von Steinberg:

FPÖ Burgenland: „High Noon“ ante portas

Die seit etwa einem Jahr andau­ern­den inter­nen Aus­ein­an­der­set­zun­gen inner­halb der FPÖ Bur­gen­land schei­nen lang­sam zu eska­lie­ren. Nach­dem im letz­ten März Nor­bert Hofer auf eine „selt­sa­me“ Art und Wei­se zum Lan­des­par­tei­vor­sit­zen­den gewählt wor­den war, im Novem­ber Alex­an­der Pet­sch­nig sich mit nur 52% gegen sei­nen Wider­sa­cher Géza Molnár als Hofers Nach­fol­ger in der Lan­des­par­tei durch­set­zen konn­te, einer der Kri­ti­ker, Man­fred Hai­din­ger, nach einem Hin und her nun doch aus der Par­tei aus­ge­schlos­sen wur­de, gärt es so rich­tig. Ein Miss­trau­ens­an­trag gegen­über Pet­sch­nig wur­de kur­zer­hand im Lan­des­par­tei­vor­stand ein­stim­mig nie­der­ge­stimmt, weil offen­bar zehn Obmän­nern von blau­en Teil­or­ga­ni­sa­tio­nen das Stimm­recht abge­spro­chen wurde.

Die Frei­heit­li­che Jugend (FJ), der Bur­gen­län­di­sche Senio­ren­ring (BSR), der Ver­band Frei­heit­li­cher Gemein­de­ver­tre­ter (VFG), die Akti­ons­ge­mein­schaft Unab­hän­gi­ger und Frei­heit­li­cher (AUF) sowie die Initia­ti­ve Frei­heit­li­cher Frau­en (IFF) hät­ten beim Miss­trau­ens­an­trag nicht mit­stim­men dür­fen. Die zehn Funk­tio­nä­re sahen das nicht aus­rei­chend begrün­det – es hand­le sich „zufäl­li­ger­wei­se um jene Orga­ni­sa­tio­nen, deren Obmän­ner kri­tisch zur Par­tei­spit­ze ste­hen“, hieß es in einer gemein­sa­men Aussendung.
Aus Pro­test hät­ten die zehn Mit­glie­der den Lan­des­par­tei­vor­stand nach rund zwei Stun­den und damit noch vor Ein­gang in die Tages­ord­nung wie­der ver­las­sen. Sie wol­len nun das Par­tei­ge­richt bemü­hen. (burgenland.orf.at, 20.12.20)

Es ist nicht schwer vor­her­zu­sa­gen, dass in der bur­gen­län­di­schen FPÖ das letz­te Wort noch nicht gespro­chen ist – auch der blaue Bun­des­heer­ge­werk­schaf­ter Hai­din­ger kün­dig­te an, gegen den Aus­schluss ange­hen zu wol­len, „wenn nötig, bis zum Höchst­ge­richt“ (burgenland.orf.at). „High Noon“ also ante portas!

Imst/Tirol: VP-Bürgermeister will Skandal aussitzen

Wie­der ein­mal kämpft der Tiro­ler Mar­kus Wil­helm gegen eine bestehen­de Ver­kehrs­flä­chen­be­nen­nung, die, wie er es aus­drückt, „kom­plett untrag­bar“ ist. Dies­mal ist es eine Stra­ße in Imst, die nach dem in der Stadt gebo­re­nen übels­ten Nazi-Dich­ter Tirols, Jakob Kopp, benannt ist.

Der ver­bohr­tes­te, über sie­ben lan­ge Jah­re Nazi-Dik­ta­tur hin­weg unbe­lehr­bars­te. Er hat einem Mör­der­re­gime vor­ge­ar­bei­tet und zuge­ar­bei­tet, mit­ge­hol­fen, Men­schen in den ver­bre­che­rischs­ten aller Krie­ge zu het­zen, aus dem es für vie­le, auch Ims­ter, kei­ne Wie­der­kehr gab.
Es ist nicht bekannt, dass er spä­ter sei­ne Pro­pa­gan­da für das NS-Regime bereut hät­te. Bekannt ist nur, dass er sei­ne Nazi-Gedich­te ver­schwin­den las­sen wollte.
Die Jakob-Kopp-Stra­ße in Imst ist eine
Sack­gas­se. Da kommt man nur her­aus, indem man kehrt­macht. Es geht heu­te nicht mehr, dass die Stadt Imst einen so glü­hen­den Ver­eh­rer des größ­ten Mas­sen­mör­ders der Geschich­te mit einem Stra­ßen­na­men ehrt. (dietiwag.org, 4.1.21)

Die Bei­spie­le für Kopps wider­li­che tief­brau­ne Ergüs­se, die Wil­helm auf sei­nem Blog lis­tet, konn­ten den Ims­ter ÖVP-Bür­ger­meis­ter und Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Ste­fan Wei­ra­ther noch nicht über­zeu­gen, hier tätig zu wer­den. Der scheint, wie Wil­helm ver­mu­tet, die Sache eher „aus­sit­zen“ zu wol­len. Auch das „pro­fil“ (10.1.21, S. 65) erhielt trotz Nach­fra­ge von Wei­ra­ther kei­ne Stel­lung­nah­me. Aber viel­leicht gibt’s da in der Stadt, die Adolf Hit­ler bereits 1933 die Ehren­bür­ger­schaft ver­lie­hen hat, beson­de­re Hem­mun­gen, mit der Nazi-Ver­gan­gen­heit Schluss zu machen?

Wien: Burschenschafterball (derweilen) abgesagt

Einer qua­si natür­li­chen Blo­cka­de in Form der Pan­de­mie muss in die­sem Jahr der von der FPÖ gehos­te­te Ball der Wie­ner Bur­schen­schaf­ten wei­chen. Vol­ler Kamp­fes­lust lie­ßen die Ver­an­stal­ter wis­sen, an einer Ersatz­verantsl­tung zu arbeiten.

Ein Aus­fall kommt nicht in Fra­ge! Wir sehen es als Ver­pflich­tung gegen­über unse­ren treu­en Ball­gäs­ten, an einer Alter­na­ti­ve zu arbei­ten. Es ist uns als Kul­tur­ver­an­stal­ter eben­so wich­tig den Künst­lern, die uns schon vie­le Jah­re trotz öffent­li­chen Drucks unter­stüt­zen [sic!] die Mög­lich­keit zu geben, wie­der auf­tre­ten zu kön­nen. (Face­book-Pos­ting)

Wir sind gespannt, wie die Alter­na­ti­ve in die­sem Jahr aus­sieht, wenn sich in der Hof­burg Hun­der­te Impf­ver­wei­ge­rer versammeln …

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