Wochenschau KW 47/20

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Ein Kärnt­ner Poli­zist, der Öster­reich im Lock­down für „Jugos“ sper­ren will, hat nun Schwie­rig­kei­ten mit sei­nem Dienst­ge­ber und auch mit der Staats­an­walt­schaft. Aus­führ­li­cher beschäf­ti­gen wir uns retro­spek­tiv mit dem rechts­extre­men Auf­marsch am Kah­len­berg, der 2020 mit einem para­mi­li­tä­ri­schem Ord­nungs­dienst aus der Slo­wa­kei abge­hal­ten wur­de. Die SPÖ-Abge­ord­ne­te Sabi­ne Schatz hat dazu eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge gestellt, die aber weit­ge­hend ohne Ant­wor­ten geblie­ben ist.

Bez. Wolfsberg/Kärnten: Poli­zist mit Vorgeschichte(n)
Wien: Slo­wa­ki­sche Para­mi­li­tärs als Ord­ner am Kahlenberg

Bez. Wolfsberg/Kärnten: Poli­zist mit Vorgeschichte(n)

„Jugos“ will der Kärnt­ner Poli­zist, der für Grenz­kon­trol­len in Lava­münd abge­stellt war, in Öster­reich nicht haben. Die Begrün­dung, die er mit­tels Anschlag auf einem Ver­kehrs­schild kund­ge­tan haben soll: „Für Jugos gesperrt, da Öster­rei­cher sich auch nicht frei bewe­gen dür­fen!“ Die­ses der­ma­ßen plat­zier­te Zeug­nis der Gesin­nung des Poli­zei­be­am­ten bringt ihm nun inter­ne Ermitt­lun­gen ein und beschäf­tigt auch die Kla­gen­fur­ter Staats­an­walt­schaft. Bei ihr ist eine Sach­ver­halts­dar­stel­lung wegen des Ver­dachts auf Ver­het­zung ein­ge­langt. Vor­ge­schich­ten scheint es bereits eben­falls gege­ben zu haben. „Ange­sichts die­ses Ver­hal­tens und unter Berück­sich­ti­gung wei­te­rer Dienst­pflicht­ver­let­zun­gen in der Ver­gan­gen­heit wur­de der Bediens­te­te vom Bezirks­po­li­zei­kom­man­dan­ten von Wolfs­berg vor­läu­fig vom Dienst sus­pen­diert“ (Klei­ne Zei­tung, 22.11.20; S. 28), gab der Spre­cher der Lan­des­po­li­zei­di­rek­ti­on bekannt.

Wien: Slo­wa­ki­sche Para­mi­li­tärs als Ord­ner am Kahlenberg

Er ist inzwi­schen zur Tra­di­ti­on gewor­den: der Auf­marsch von Rechts­extre­men in neo­fa­schis­ti­scher Insze­nie­rung am Wie­ner Kah­len­berg. Hier erhebt man sich nicht nur über Wien, son­dern zele­briert auch das Jahr 1683, als sich am 12. Sep­tem­ber ein deutsch-pol­ni­sches Ent­satz­heer unter König Sobie­ski mit den osma­ni­schen Trup­pen die fina­le Schlacht lie­fer­te. Seit­her wird der Sieg gegen die Osma­nen immer dann iden­ti­täts­po­li­tisch bemüht, wenn es gilt, „Wehr­haf­tig­keit“ aus einer insze­nier­ten Not­la­ge her­aus zu erzeu­gen: Das war im Ers­ten Welt­krieg so, im Aus­tro­fa­schis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus und wird nun seit eini­gen Jah­ren – von der iden­ti­tä­ren Platt­form „gedenken1683“ initi­iert – wei­ter geführt.

Aber bereits 1983, als der dama­li­ge Papst Woj­ty­ła am Kah­len­berg eine Mes­se zele­brier­te, wur­den in Wien xeno­pho­be Auf­kle­ber ange­bracht: „Ret­te dein Volk – Aus­län­der raus“ Zehn Jah­re spä­ter stell­te auch der Brief­bom­ben­at­ten­tä­ter Franz Fuchs Bezü­ge zum Topos „Tür­ken­be­la­ge­rung” und der Kah­len­berg-Schlacht her: Er ver­wen­de­te den Namen Graf Ernst Rüdi­ger von Starhem­berg, der die Ver­tei­di­gung Wiens wäh­rend der Zwei­ten Tür­ken­be­la­ge­rung befeh­lig­te, als Absen­der in einem sei­ner Droh­schrei­ben. Der Atten­tä­ter von Oslo und Utøya behan­del­te in sei­nem Mani­fest („2083“) nicht nur aus­führ­lich die bei­den Tür­ken­be­la­ge­run­gen, son­dern refe­ren­zier­te spe­zi­ell auch auf Sobie­ski und den Kah­len­berg. Der Atten­tä­ter von Christ­church hat­te schließ­lich Starhem­berg und „Vien­na 1683“ auf Waf­fen­tei­len ver­ewigt. 

Waffenteile des Attentäters von Christchurch mit Aufschrift "Vienna 1683"

Waf­fen­tei­le des Atten­tä­ters von Christ­church mit Auf­schrift „Vien­na 1683”

Waffenteile des Attentäters von Christchurch mit Aufschrift "Ernst Rüdiger von Starhemberg"

Waf­fen­tei­le des Atten­tä­ters von Christ­church mit Auf­schrift „Ernst Rüdi­ger von Starhemberg”

Nach­dem das iden­ti­tä­re Spek­ta­kel 2019 kurz­fris­tig in die Wie­ner Innen­stadt ver­legt wer­den muss­te, gab’s das Tref­fen, das vor dem „gro­ßen Aus­tausch“ warnt, 2020 wie­der am Kah­len­berg. Als Ver­an­stal­ter trat dies­mal die „Kah­len­berg Alli­anz 1683“ auf, in der der „Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund“, der Ver­ein „Pro Vita“, Imma­nu­el Nagels Ver­ein „Okzi­dent“ und die „Platt­form Geden­ken 1683“ auf­schei­nen. Neu war, dass die rech­ten Recken aus­ge­rech­net mit aus der Slo­wa­kei impor­tier­ten Ord­nern, näm­lich von der para­mi­li­tä­ri­schen Orga­ni­sa­ti­on „Slovens­kí Bran­ci“, aufmarschierten.

In der Slo­wa­kei sor­gen die Para­mi­li­tärs, die sich über­setzt die „slo­wa­ki­schen Rekru­ten” nen­nen, immer wie­der für Auf­re­gung – vor allem mit Waf­fen­übun­gen im Wald. Min­des­tens 250 jun­ge Män­ner und Frau­en dürf­ten zu der Wehr­sport­trup­pe gehö­ren. Ideo­lo­gisch sind sie dem Wes­ten gegen­über ableh­nend ein­ge­stellt, Wla­di­mir Putins Russ­land ist das gelob­te Land. Slovens­kí Bran­ci trai­nie­ren auch mit dem berüch­tig­ten rus­si­schen Motor­rad­klub „Nacht­wöl­fe”, der vor zwei Jah­ren sei­ne ers­te euro­päi­sche Filia­le in der Slo­wa­kei eröff­net hat. Auf dem Stütz­punkt der Nacht­wöl­fe im west­slo­wa­ki­schen Dolná Krupá, rund 70 Kilo­me­ter von der Haupt­stadt Bra­tis­la­va ent­fernt, gibt es Gebäu­de in mili­tä­ri­schen Tarn­far­ben, hohe Zäu­ne mit Sta­chel­draht und zahl­rei­che alte Mili­tär­fahr­zeu­ge im Hof. (derstandard.at, 20.11.20)

Die Poli­zei teil­te sich hal­be-hal­be auf, wie aus der Beant­wor­tung einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge von Sabi­ne Schatz (SPÖ) an Innen­mi­nis­ter Neham­mer her­vor­geht: „Im Ein­satz­ab­schnitt „Kah­len­berg“ waren 115 und im Ein­satz­ab­schnitt „Gegen­kund­ge­bun­gen“ 104 Kräf­te ein­ge­setzt.“ Auf die Fra­ge, ob es sei­tens des Ver­fas­sungs­schut­zes eine Gefah­ren­ein­schät­zung oder Kon­tak­te mit den slo­wa­ki­schen Part­ner­diens­ten „Slovens­kí Bran­ci“ betref­fend gege­ben habe, ant­wor­te­te der Innen­mi­nis­ter nur sehr kursorisch.

Die­se Orga­ni­sa­ti­on ohne eige­ne Rechts­per­sön­lich­keit, die seit 2012 in der Slo­wa­kei tätig ist, ist zwar bekannt, aber bis­her in Öster­reich nicht in Erschei­nung getre­ten. Das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung steht lau­fend in enger Koope­ra­ti­on mit aus­län­di­schen Sicher­heits­be­hör­den und Part­ner­diens­ten. Auf Grund­la­ge einer Abwä­gung der Inter­es­sen Öster­reichs an einer inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit mit aus­län­di­schen Sicher­heits­be­hör­den und dem par­la­men­ta­ri­schen Inter­pel­la­ti­ons­recht ist es nach Art. 20 Abs. 3 B‑VG gebo­ten, von einer Beant­wor­tung der Fra­ge nach kon­kre­ten Kon­tak­ten Abstand zu neh­men. (Beant­wor­tung Anfrage)

„Slovens­kí Bran­ci“ mit sei­nem Grün­der Peter Švr­cek zeich­net der Fil­me­ma­cher Jan Gebert in sei­nem Doku­men­tar­film „When the War Comes“ über die Wehr­sport­trup­pe so: 

Tat­säch­lich ori­en­tie­ren sich die Slo­wa­ki­schen Rekru­ten an der faschis­ti­schen Hlin­ka-Gar­de. „When the War Comes“ zeigt aus nächs­ter Nähe, wie die Mit­glie­der nach dem Modell aller Drill-Camps von Eton bis West­point als Per­so­nen gebro­chen wer­den sol­len, um sich zu Patrio­ten zu for­men. Oder wie die Füh­rungs­ebe­ne um Švr­cek das Wahl­recht inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on abschafft, um sich Rän­ge auf Lebens­zeit zu geben. Wie sie Namens­schil­der von den Uni­for­men der Neu­ein­stei­ger rei­ßen und jedem eine Num­mer geben. (tagesspiegel.de, 20.2.18)

Da nicht anzu­neh­men ist, dass die Stie­fel­trup­pe von „Slovens­kí Bran­ci“ von sich aus zum Ord­ner­dienst auf den Kah­len­berg ange­rückt sind, ist von Bezie­hun­gen der Ver­an­stal­ter zu den slo­wa­ki­schen Para­mi­li­tärs aus­zu­ge­hen. Und das sagt viel über die Ver­an­stal­ter und den Cha­rak­ter des Auf­mar­sches aus: Er ist als neo­fa­schis­tisch zu klas­si­fi­zie­ren. Das hat auch der Rechts­extre­mis­mus­exper­te Andre­as Peham bereits 2017 in einem sehens­wer­ten Kurz­film von WienTV ent­spre­chend eingeordnet.