PI Karlauerstraße Graz: Da wären noch einige Fragen

Gut, das Urteil gegen den Polizis­ten und die Polizistin der Graz­er Polizei­in­spek­tion Kar­lauer­straße, die wegen des Ver­dachts auf Wieder­betä­ti­gung angeklagt wur­den, ist noch nicht recht­skräftig. Aber den­noch stellen sich schon jet­zt einige Fragen.

Der Erstangeklagte, J.S., wurde zu 15 Monat­en bed­ingter Haft und zu ein­er Geld­strafe über 1.260 Euro verurteilt, die zwei­tangeklagte Polizistin A.R. wurde freige­sprochen. „Der Vertei­di­ger des Polizis­ten befand, dass gegen seinen Man­dan­ten ‚ten­den­z­iös‘ ermit­telt wor­den war. ‚Seine Gesin­nung ste­ht hier über­haupt nicht zur Diskus­sion, es geht nur darum, ob er sich pro­pa­gan­dis­tisch engagiert hat oder nicht‘, betonte der Anwalt.“ (kleinezeitung.at, 16.9.20)

Der Vertei­di­ger, Bern­hard Lehofer, der recht­es Klien­tel nicht zulet­zt durch die Vertei­di­gung von Iden­titären ken­nt, ist angesichts dessen, was im Prozess zu hören war, gelinde aus­ge­drückt, mutig – auch wenn es sein Job ist, den angeklagten Polizis­ten best­möglich zu verteidigen.

„Prozess Report“ und das „Doku Ser­vice Steier­mark“ waren beim Prozess, in ein­er Sendung von Radio Helsin­ki bekla­gen sie zu Recht das grund­sät­zliche Desin­ter­esse an der prob­lema­tis­chen Ein­stel­lung der bei­den Angeklagten, sofern diese nicht prozess­rel­e­vant waren. Aber bei wem ist eine recht­sex­treme Gesin­nung denn prob­lema­tisch, wenn nicht bei der Polizei? Schon gar, wenn es sich um Sym­pa­thie für den nation­al­sozial­is­tis­ches Gedankengut handelt!

Die Erk­lärungsver­suche der bei­den Angeklagten unter­schei­den sich kaum von jenen, die wir im Rah­men von Wieder­betä­ti­gung­sprozessen so oft hören und lesen: Die reichen von „habe ich nicht gewusst“ bis zu „das sei doch nur Satire oder Humor gewe­sen“. Dass so etwas auch mit­ten aus Polizeis­tuben kommt, darf schon erstaunen und müsste aufrütteln.

Der Prozess hin­ter­lässt jeden­falls einige Fra­gen: Was passiert nun in ein­er Inspek­tion, von der im Rah­men des Prozess­es seit­ens des Erstangeklagten behauptet wurde, es sei vol­lkom­men üblich, dass ver­het­zende bzw. braune Nachricht­en aus­ge­tauscht wer­den? Da bleiben ger­ade zwei Möglichkeit­en: Falls das nicht kor­rekt ist, hätte S. eine doch schw­er­wiegende Falschaus­sage getätigt, die juris­tisch zu ver­fol­gen wäre. Falls seine Behaup­tung aber der Real­ität entspricht, müsste es Feuer am Dach der PI Kar­lauer­straße geben, und die zuständi­gen Stellen von der Polizei bis ins Innen­min­is­teri­um müssten reagieren.

Was ist mit dem Chef der betrof­fe­nen Polizei­in­spek­tion, der von allem nichts mit­bekom­men haben will? Zum Vor­wurf des frauen­feindlichen Ver­hal­tens durch S. merkt der Chefin­spek­tor an: „Als ich den Vor­fall mit der sex­is­tis­chen Aus­sage gehört hab, habe er das pro­tokol­liert.“ Das war es dann? Obwohl S. schon zuvor auf ein­er anderen Dien­st­stelle ein Diszi­pli­narver­fahren wegen Mob­bing und sex­ueller Nöti­gung hatte?

Was ist mit den jenen Kol­legin­nen und Kol­le­gen, die als Zeug*innen aus­ge­sagt haben, dass sie alle­samt auch nichts bemerkt haben – höch­stens gerüchteweise –, was u.a. krass im Wider­spruch zur Aus­sage eines Zeu­gen ste­ht, der zur Gesin­nung von S. meinte: „Eigentlich hat’s die ganze Dien­st­stelle gewusst.“

Und schließlich: Gibt es nicht ein gröberes Prob­lem, wenn eine Polizistin angibt, nicht viel Ahnung vom Nation­al­sozial­is­mus zu haben, sodass sich selb­st der Staat­san­walt über den gerin­gen Wis­sen­stand der Polizistin ver­wun­dert zeigt und von ihr zur Antwort kriegt: „Weil es mich nie inter­essiert hat.“

Mit den 15 Monat­en bed­ingt – sollte es dabei bleiben – ver­liert S. endgültig seinen Job als Polizist. Er kann sich dann zusam­men mit sein­er Schwest­er, der ehe­ma­li­gen Nation­al­ratsab­ge­ord­neten S., die sich mit dem Hard­core-Neon­azi Gerd Hon­sik aus­ge­tauscht hat­te, wie im Prozess zu erfahren war, auf sein­er Scholle der Land­wirtschaft widmen.

Seine freige­sproch­ene Ex-Kol­le­gin sollte sich sofort ein­er zeit­geschichtlichen Fort­bil­dung – Mau­thausen-Besuch inklu­sive  unterziehen – völ­lig egal, ob sie sich dafür inter­essiert oder nicht. Denn von Polizist*innen kann man sich erwarten, dass sie über ein bes­timmtes Grund­wis­sen verfügen.

➡️ Die Polizei­in­spek­tion des schlecht­en Geschmacks