Schon bei seinem Erscheinen 2018 plagten sich die Rezensent*innen mit der Einordnung von Hobeks Buch herum, Was sollte es sein? Eine Biographie war es sicher nicht. Dafür fehlt auch zu viel von Straches Vergangenheit. Eine Hagiographie schon eher, aber abgesehen vom Heiligenschein für Strache irrlichterte es zu viel in der Gegend und um den Autor selbst herum. Das gesteht der auch ein, allerdings erst im Nachwort: „Auch handwerklich unterscheidet es sich von sonstiger politischer Fachliteratur. Ich schweife an manchen Stellen bewusst ein wenig ab oder aus, und wo ich selbst mittendrin war, lasse ich das auch einfließen.“
Mit dem Abstand von zwei Jahren und einer schmerzlichen Trennung dazwischen gelingt es uns nun, das Werk besser zuzuordnen. Es ist eine Parodie! Auf die Blauen. Eine grausame zwar, aber dennoch. Das zeichnet sich schon ab mit den ersten Sätzen des ersten Kapitels „2003 – Wie alles begann“, in denen Hobek seine volle poetische Kraft entfaltet und Herbert (Kickl) und Heinz (Strache) über den Buchstaben H zueinander finden lässt:
Das H leuchtet in sattem Gold. In Sekundenschnelle verblasst es und wird wieder eins mit seiner Umgebung. Draußen sind die Temperaturen schon etwas herbstlich, aber drinnen wissen die Biertrinker es nach wie vor zu schätzen, dass die Gläser so stark vorgekühlt werden, dass sie beschlagen. Der Zeigefinger zeichnet zwei neue senkrechte Striche und verbindet sie mit einem Querbalken. H, das ist H wie Herbert und H wie Heinz.
Oder auch H wie Holler. Aber süß, oder? Vor allem, weil das Kapitel mit dem schönen Satz endet: „Der Beginn einer besonderen Freundschaft, die nicht ohne Auswirkung auf die österreichische Innenpolitik bleiben wird.“
Nun ja, auch andere H‑Freundschaften können zerbrechen. Oder haben Auswirkungen. Die mit dem Hobek etwa oder die mit dem Haider. Da wird der Historiker Hobek für einen kurzen Moment schwach und lässt seinen homophoben Vorurteilen freien Lauf: „Dieses alltägliche Himmel-und Hölle-Spiel und vielleicht auch das Unterdrücken-Müssen sich verstärkender erotischer Neigungen zeigen Wirkung.“
Aber wir dürfen nicht abschweifen. Haider ist Vergangenheit, ein anderer H die Zukunft! Es geht um die „Freundschaft fürs Leben“ mit dem Hofer. Ein ganzes Kapitel müht sich der Autor ab, um die Kandidatur Norbert Hofers für die Bundespräsidentschaft und vor allem Straches Überredungskünste zu beschreiben: „Da rückt Strache nahe an ihn heran, schaut ihm fest in die Augen und sagt:“Norbert, du bist es deiner Partei schuldig!“ Ex post muss man eingestehen: Prophetisch, dass Strache schon so früh von Hofers Partei („deiner Partei“) gesprochen hat.
Eine andere Person, die jetzt gegen Strache kandidiert, hat sich damals allerdings geirrt: „Wenn Ursula Stenzel über HC Strache spricht, dann wird sie für ihre Verhältnisse laut und überschwänglich. Im Stakkato zählt sie positive Eigenschaften auf, vor allem HCs Humor. (…) Die Chemie stimmte von Beginn an.“
Was aber ist der Irrtum von Ursula Stenzel in Sachen Chemie schon gegen den Irrtum des Historikers? Unter einem Foto, auf dem sich Strache und Salvini – beide sanft lächelnd – fest die Hände halten, beschreibt Hobek nicht nur , was die beiden verbindet, sondern ergeht sich auch in den süßesten Morgenphantasien:
Wenn HC Strache am Morgen des 19. August 2021 die Augen aufschlägt und immer noch Vizekanzler ist, hat er einen neuen FPÖ-Rekord aufgestellt. Nach weiteren ungefähr 16 Monaten würde erstmals eine ganze Legislaturperiode geschafft sein. Aber: Strache hat als Ziel mindestens zwei Legislaturperioden definiert. Und dieses ambitionierte Vorhaben ist ihm – nicht nur wegen der von ihm vollbrachten wundersamen Parteirettung 2005 – absolut zuzutrauen. Denn er ist ein treffsicherer Analytiker, der weiß, worauf es ankommt.
Der Traum ist unschön geplatzt – Strache wird 2021 nicht in einem Vizekanzlerbettchen die Augen aufschlagen, und wir vergießen Tränen über dieses schöne Ende. Danke, Hobek, für diese Geschichte!
Martin Hobek, HC Strache. Vom Rebell zum Staatsmann, Stocker Verlag, Graz 2018