FPÖ/THC in Wien: Das Duell der blauen Scheinriesen

298 von ins­ge­samt 1.144 Man­dat­en kon­nte die FPÖ bei den let­zten Wiener Bezirksvertre­tungswahlen 2015 für sich ver­buchen. Das wird die FPÖ bei der Wahl im Okto­ber mit Sicher­heit nicht schaf­fen, denn aus ihren eige­nen Rei­hen ent­stand ihr durch die Kan­di­datur des Team HC (THC) mit dem Ex Parteivor­sitzen­den Stra­che eine nicht unwichtige Konkur­renz. Bei­de Parteien schick­en jede Menge Kan­di­datIn­nen ins Ren­nen. Aber einiges spricht dafür, dass sich bei­de blauen Parteien kün­stlich auf­blähen, um Ein­druck zu schinden.

Michael Ende hat mit dem Her­rn Tur Tur im Kinder­buch Jim Knopf und Lukas der Loko­mo­tivführer eine Fig­ur geschaf­fen, die ziem­lich exakt dem entspricht, was die bei­den blauen Parteien jew­eils für die Wäh­lerIn­nen, aber vor allem gegeneinan­der darstellen wollen: Schein­riesen. Tur Tur ist allerd­ings – und das ist ein großer Unter­schied, auf den wir in der Folge noch zu sprechen kom­men wer­den – eine sym­pa­this­che Gestalt. Das Wesen eines Schein­riesen beste­ht darin, dass er aus großer Ent­fer­nung riesig wirkt, beim Näherkom­men allerd­ings immer klein­er wird.

Das trifft auch auf die bei­den blauen Parteien zu. 674 Men­schen schickt die FPÖ zu den Bezirksvertre­tungswahlen im Okto­ber ins Ren­nen und wird dabei vom Team HC mit 726 Kan­di­datIn­nen noch erhe­blich übertrumpft. Was ist los? Liegen die Mei­n­ungs­forsch­er so kom­plett daneben, die dem THC 4–6 % und der FPÖ so um die 10 % der Stim­men prophezeien? Bei 5 % der Stim­men wären so um die 60 Bezirk­srats­man­date fäl­lig, bei 10% so um die 120 ‑130.

Protzige Vielfachkan­di­da­turen beim THC

Die erste Sich­tung – einige Schritte in Rich­tung der bei­den blauen Schein­riesen – ergibt, dass in bei­den Parteien die Mehrfachkan­di­da­turen weit ver­bre­it­et sind – beim THC kön­nte man sog­ar von Vielfachkan­di­da­turen sprechen, weil nicht nur Stra­che in allen 23 Bezirken jew­eils als Lis­ten­er­ster kan­di­diert, son­dern hin­ter ihm, am Lis­te­nende, auch die bish­eri­gen Land­tagsab­ge­ord­neten (in Wien auch Gemein­deräte) Karl Baron, Diet­rich Kops, Klaus Han­dler und Gün­ter Kasal, die im Ver­lauf der let­zten Monate von der FPÖ zum THC (vor­mals DAÖ) gewech­selt haben. Falls das THC doch die 5‑Prozent-Hürde für die Wiener Gemein­der­atswahl über­sprin­gen sollte, wür­den wohl 5 mal 23, also 115 Kan­di­daten­plätze von den 726 wegfallen.

Das Protzen über Vielfachkan­di­da­turen ist aber nicht nur bei den Grün­dervätern (-müt­ter gibt es beim THC keine) ver­bre­it­et, son­dern auch in den nach­ge­ord­neten Rän­gen. Über die Anzahl der Kan­di­da­turen pro Kan­di­datIn wird so etwas wie eine interne Hier­ar­chie abge­bildet: Raphaela Göschl-Maram­bio , die Tochter des kurzzeit­i­gen ehe­ma­li­gen Haider-FPÖ-Geschäfts­führers Har­ald Göschl (1988–89), bringt es auf 10 Kan­di­da­turen, während der Vater nur 7 schafft. Renate Acht­snit wird in 8 Bezirken als Kan­di­datin des THC geführt. So wie Manuel Polan­sky und der Polizist Zoran Kovace­vic, der – im Jän­ner 2020 noch FPÖ-Kan­di­dat in Purk­ers­dorf – sich nun gle­ich in acht Wiener Bezirken ausken­nen soll. Apro­pos Hier­ar­chie: Seine Frau Katha­ri­na, eben­falls Polizistin, darf nur in 6 Bezirken kan­di­dieren. Geschlechter­hier­ar­chie ist dem THC offen­sichtlich sehr wichtig. Die Liste der Vielfach- und Mehrfachkan­di­da­turen beim THC kön­nte noch beliebig fort­ge­set­zt wer­den; Wir machen mit der bere­its aus Funk und Fernse­hen bekan­nten Haterin Christi­na Kohl (7 Kan­di­da­turen) und dem stram­men Olympia-Burschen Vik­tor Erdesz vor­läu­fig Schluss. Erdesz schaffte nur 3 Kan­di­da­turen – vielle­icht ein klein­er Punk­te­abzug, weil er noch bis 2019 als Stel­lvertreter von Markus Ripfl bei dessen recht­sex­tremer Mikropartei „Die Stimme“ firmierte?

THC Mariahilf: von 19 Kandidat*innen sind nur 3 aus dem Bezirk; Viktor Erdesz auf Platz 3 und Christina Kohl auf Platz 13.

THC Mari­ahilf: von 19 Kandidat*innen sind nur 3 aus dem Bezirk; Vik­tor Erdesz auf Platz 3 und Christi­na Kohl auf Platz 13.

Dominik Nepp, der Spitzenkan­di­dat der Wiener FPÖ, gibt sich im Ver­gle­ich zu Stra­che und dessen Adlat­en genügsam. Nur in zwei Bezirken will er Bezirk­srat wer­den, falls er sein Gemein­der­ats­man­dat doch nicht erre­ichen oder darauf verzicht­en würde. Bei der FPÖ gibt es bei den Kan­di­da­turen für die Bezirksvertre­tun­gen zwar häu­fig Mehrfachkan­di­da­turen, aber in ver­gle­ich­sweise mod­er­atem Rah­men. Zwei bis max­i­mal drei Kan­di­da­turen pro Per­son (exk­lu­sive Gemein­der­atskan­di­datur) haben wir bei den FPÖ-Blauen gezählt.

FPÖ 1. Bezirk (links), Liste aufgefüllt durch Kandidat*innen aus dem 2. Bezirk (rechts)

FPÖ 1. Bezirk (links), Liste aufge­füllt durch Kandidat*innen aus dem 2. Bezirk (rechts)

Wer ist der Stärk­ste in Favoriten und Simmering?

Was im näch­sten Schritt auf­fällt: Der Schein­riese THC bläht sich beson­ders bei für bei­de Parteien wichti­gen Bezirken deut­lich mehr auf als die FPÖ. In Favoriten schickt THC 98 Kandidat*innen ins Ren­nen, die FPÖ blasse 37. 24 Man­date erre­ichte die FPÖ 2015 mit 38,2 Prozent, von denen sie 2020 meilen­weit ent­fer­nt ist – das THC aber noch mehr! Um die 98 Kandidat*innen zu erre­ichen, wur­den 24 aus dem 11. Bezirk und 20 aus dem 3. Bezirk auch in den 10. Bezirk zum „Auf­füllen“ der Liste geschickt. Ähn­lich­es gilt für den 11. Bezirk (Sim­mer­ing), wo Kan­di­datIn­nen aus dem 3. Bezirk und aus dem 10. als Aushil­f­skräfte ver­wen­det wur­den, damit das THC auf ins­ge­samt 58 Plätze kommt, während die FPÖ in ihrem stärk­sten Bezirk mit 60 Kan­di­da­turen nur knapp voran liegt.

Strache Spitzenkandidat in allen 23 Bezirken mit aufgefüllten Listen (hier 10. Bezirk und 11. Bezirk)

Stra­che Spitzenkan­di­dat in allen 23 Bezirken mit aufge­füll­ten Lis­ten (hier 10. Bezirk und 11. Bezirk)

Die SPÖ hat 2015 Sim­mer­ing mit 40,8 % an die FPÖ mit 41,8 % ver­loren und strengt sich dies­mal mit ihrer Kandidat*innenliste eben­falls sehr deut­lich an, Stärke zu sig­nal­isieren. 113 Kan­di­datIn­nen schickt sie ins Ren­nen, von denen allerd­ings – und das ist ein deut­lich­er Unter­schied zu den Blauen – 95 als Wohn­sitz den 11. Bezirk angeben. Bei der FPÖ sind es 25 von 60, beim THC 26 von 58. In allen 23 Bezirken kan­di­dieren bei der FPÖ 331 von 674 Kan­di­datIn­nen in ihrem Heimat­bezirk, beim THC 244 von 726. Bei­de Schein­riesen sind deut­lich geschrumpft: die FPÖ um die Hälfte, das THC auf ein Drittel!

Bei allen Parteien gibt es Kandidat*innen, die nicht in ihrem aktuellen Wohn­bezirk, son­dern in ihrem früheren oder dem Bezirk ihres Arbeit­splatzes kan­di­dieren. Mini­parteien müssen ihre weni­gen Kan­di­datIn­nen klo­nen, wenn sie auf Präsenz in allen Bezirken Wert leg­en, aber keine Partei macht von der Klonierung ihrer Kandidat*innen für andere Bezirke so exzes­siv Gebrauch wie das THC: Im 1. Bezirk kan­di­diert nur ein­er von 19 Kan­di­datIn­nen in seinem Heimat­bezirk, im 8. Bezirk eben­so. Nur ger­ingfügig bess­er ist das Ver­hält­nis im 4., 5., 6., 7., 17. und 18. Bezirk.

Autochthone Donaustädter Blaue ?

Die FPÖ wiederum zeich­net sich im Heimat­bezirk von Mar­tin Graf, der Donaus­tadt, nicht nur durch etliche stramme Rechte, son­dern durch eine qua­si autochthone Kandidat*innenliste aus: 41 von ins­ge­samt 41 geben die Donaus­tadt als ihren Heimat­bezirk aus. Etliche Fam­i­li­en­na­men weisen zwar auf die übliche Wiener Mis­chung hin, aber die Donaustädter Blauen sind sich­er trotz­dem stolz. So wie auf ihre mis­er­able Geschlechter­mis­chung: Nur 22 Prozent oder 9 von den 41 sind Frauen. Dass das sog­ar bei der FPÖ anders funk­tion­ieren kann, zeigt der 12. Bezirk, wo von den 37 Kandidat*innen 18 Frauen sind; eine Aus­nahme unter den Bezirken bei FPÖ und THC, wo Frauen zumeist nur auf den hin­teren Plätzen präsent sind.

Und wie auf­fäl­lig sind einzelne Kan­di­datIn­nen von FPÖ und THC? Das besprechen wir in einem späteren Beitrag!