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Roman Haider: mit deutschen Hieben ins Europäische Parlament

Auf Platz vier der FPÖ-Lis­­te für die EU-Wahl stand ein Nach­na­me, der im his­to­ri­schen Gedächt­nis eigent­lich in Kärn­ten ver­or­tet wird: Hai­der. Der weit­ge­hend unbe­kann­te Hai­der kommt auch aus Ober­ös­ter­reich und ist eben­falls Bur­schen­schaf­ter. Wäh­rend der Jörg aber sein Hei­mat­bun­des­land gen Süden ver­las­sen hat, um sich im Bären­tal nie­der­las­sen, ist der ande­re, Roman, geblie­ben – in […]

27. Jun 2019

Roman Hai­der ist Mit­glied der pen­na­len Bur­schen­schaft „p.c.B! Donau­hort zu Aschach“. Deren Wahl­spruch ist „Ehre Frei­heit Vater­land“, deren  Waf­fen­spruch „Was gibt es hier? Deut­sche Hie­be!“ Und damit alles klar ist, haben sich die Donau­horter als Bun­des­lied „Wenn alle untreu wer­den“ gege­ben, vor­nehm­lich bekannt als das SS-Treu­e­lied.

Roman Haider auf "Meine Abgeordneten"
Roman Hai­der auf „Mei­ne Abgeordneten”

Das „Her­aus­ra­gends­te“, was Hai­der bis­lang gelie­fert hat­te, war die Inter­ven­ti­on in einem Lin­zer BORG, die zum Abbruch des Vor­trags von Tho­mas Ram­mer­stor­fer über Extre­mis­mus geführt hat­te. Der Abbruch war nicht recht­mä­ßig, wie im Nach­hin­ein vom Lan­des­schul­rat fest­ge­stellt wur­de. Hai­der bekam Anfang Mai von Ram­mer­stor­fers Anwalt auch eine Unter­las­sungs­kla­ge ins Post­fach gelie­fert. 

Her­bei­ge­führt hat­te den Abbruch Hai­ders Sohn, der den Papa via Han­dy über die „unge­heu­ren“ Vor­gän­ge in sei­ner Schu­le infor­miert hat­te. Die FPÖ bedank­te sich post­wen­dend und zeich­ne­te den Hai­der-Sohn mit der „Franz-Ding­ho­fer-Medail­le für Ver­diens­te um die Demo­kra­tie“ in den Räum­lich­kei­ten des Par­la­ments aus. Vater Hai­der besticht über­haupt durch einen aus­ge­präg­ten Fami­li­en­sinn: Er hat sowohl sei­nen aus­ge­zeich­ne­ten Soh­ne­mann als auch sei­ne Toch­ter als Mitarbeiter_in im frei­heit­li­chen Par­la­ments­klub untergebracht.

Roman Hai­der ist stu­dier­ter Betriebs­wirt und hat für die Num­mer 3/19 (April 2019) des Aula-Nach­fol­ge­ma­ga­zins „Frei­lich“ einen Arti­kel zur EU-Wirt­schafts­po­li­tik (1) geschrie­ben. Dar­in woll­te er sich wohl für sei­ne poli­ti­sche Rei­se nach Brüs­sel emp­feh­len. Zum Zeit­punkt des Erschei­nens war die blaue Welt auch noch in Ord­nung, sie durf­te auf einen Stim­men- und Man­dats­zu­wachs bei der Wahl am 26. Mai hof­fen und damit auch auf den fixen Ein­zug von Hai­der ins Euro­päi­sche Par­la­ment. Der Ibi­za-Skan­dal durch­kreuz­te die­se Plä­ne, die FPÖ erreich­te nur drei Man­da­te, Hai­der war damit drau­ßen. Vor­läu­fig! Denn ohne wei­te­re Erklä­rung ver­zich­te­te die dritt­ge­reih­te Petra Ste­ger auf ihr Man­dat, somit darf nun Hai­der als Abge­ord­ne­ter ins Euro­päi­sche Parlament.

Roman Haider in "Freilich", Nr. 3/19
Roman Hai­der in „Frei­lich”, Nr. 3/19

Im „Frei­lich-Maga­zin“ (2) wid­met sich Hai­der dem angeb­li­chen wirt­schaft­li­chen Nie­der­gang Euro­pas: Unter dem Titel „Euro­pa abge­wirt­schaf­tet“ beklagt Hai­der gleich zu Beginn, dass nicht die Wirt­schafts­po­li­tik in hei­mi­schen Medi­en im Mit­tel­punkt stün­de, son­dern die „Akti­vi­tä­ten einer Bewe­gung von Schul­schwän­zern“. Kli­ma­schutz ist dem Herrn also kein Anlie­gen, damit fügt er sich jedoch naht­los in die extre­me Rech­te, die Thun­berg und die „Fri­days for Future“-Bewegung seit Mona­ten dis­kre­di­tiert. In einem Anklang von Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schem setzt Hai­der mit zunächst nicht näher defi­nier­ten „gemachte[n] Skan­da­len“ fort, die „die Öffent­lich­keit erschüt­tern und so den Kryp­to­mar­xis­ten quer durch Euro­pa die Büh­ne bie­ten, um auf die üblen Machen­schaf­ten sinis­trer Wirt­schafts­bos­se hin­zu­wei­sen“. Was er damit meint, führt er spä­ter aus. Er gibt sich ver­är­gert, dass die deut­sche Auto­in­dus­trie wegen des Die­sel­skan­dals ange­grif­fen wur­de. Es „wer­de uner­müd­lich dar­an gear­bei­tet, der deut­schen Indus­trie die Lebens­grund­la­ge zu ent­zie­hen. Man den­ke dabei nur an den Die­sel­skan­dal. Skan­da­le ent­ste­hen nicht, son­dern wer­den gemacht. Die tat­kräf­ti­ge Unter­stüt­zung der deut­schen Bun­des­re­gie­rung bei der Zer­stö­rung des wich­tigs­ten deut­schen Indus­trie­zwei­ges ist wohl ein­zig­ar­tig in der Welt­ge­schich­te.“ Über­setzt: Der Die­sel­skan­dal war kein Skan­dal und Beschiss darf nicht geahn­det wer­den. (Dass er dabei aus­ge­rech­net die deut­sche Regie­rung angreift, deren Lie­bes­be­zie­hung mit der Auto­in­dus­trie bereits Legen­den­sta­tus erreicht hat, ist schon fast amüsant.)

Wei­ter schwur­belt Hai­der etwas von zu viel Pro­tek­tio­nis­mus und Inter­ven­tio­nis­mus und pol­tert gegen die „Gleich­ma­che­rei“. Das ist an sich kon­se­quent für eine durch und durch neo­li­be­ra­le Par­tei wie die FPÖ, schlägt sich aber den­noch mit dem pro­pa­gier­ten Pro­tek­tio­nis­mus sei­ner Par­tei – wir erin­nern uns an das Volks­be­geh­ren sei­nes Namens­vet­ters, das unter dem Label „Öster­reich zuerst“ lief und bis heu­te eine Kern­for­de­rung der „Hei­mat­par­tei“ ausmacht.

Zwi­schen­durch irrt­lich­tert Roman Hai­der in der Geschich­te, kon­kret in der Zeit nach 1945. Spä­tes­tens hier wird ersicht­lich, dass sei­nem Ver­ständ­nis für Volks­wirt­schaft enge Gren­zen gesetzt sind. Denn, so Hai­der ganz teutsch, Fleiß und Dis­zi­plin und das gute Aus­bil­dungs­ni­veau sei­en in der Nach­kriegs­zeit viel ent­schei­den­der für den „Wie­der­auf­schwung“ gewe­sen „als der viel­ge­prie­se­ne Mar­shall­plan“. Einen wie auch immer gear­te­ten Beleg bleibt er uns für sei­ne wage­mu­ti­ge The­se frei­lich schul­dig. Dafür gibt’s ein Lob fürs Aus­bil­dungs­ni­veau, das ja – zumin­dest in Pha­sen – der NS-Zeit zuzu­rech­nen ist.

Hai­der mag auch die Aka­de­mi­sie­rung nicht, die hier­zu­lan­de im Ver­gleich zu ande­ren Staa­ten ohne­hin alles ande­re als ein Spit­zen­ni­veau erreicht, und befin­det, „die Aka­de­mi­ker­quo­te ist gera­de­zu zu einem Fetisch ver­kom­men“. (War­um er sei­nen eige­nen Kin­dern nicht die von ihm so geprie­se­ne Leh­re ange­dei­hen ließ, führt er natur­ge­mäß nicht aus.) Dass er sich selbst zum Schluss selbst wider­spricht, indem er die gro­ßen Chan­cen der Zukunft in „Bil­dung und in der kon­se­quen­ten For­schung zu Schlüs­sel­tech­no­lo­gien“ fest­macht, fällt ihm ver­mut­lich nicht auf.

Das „Frei­lich Maga­zin“ ist, um es vor­sich­tig aus­zu­drü­cken, Iden­ti­tä­ren-nahe: Der Her­aus­ge­ber­ver­tre­ter, Hein­rich Sickl, ist (oder war) Unter­stüt­zer der Iden­ti­tä­ren, der Chef­re­dak­teur Ulrich Novak scheint in der Lis­te jener auf, die an die Iden­ti­tä­ren gespen­det haben sol­len. Ab der im Dezem­ber prä­sen­tier­ten ers­ten Frei­lich-Num­mer sind iden­ti­tä­re Autoren mit an Bord. In der aktu­el­len Aus­ga­be scheint Hai­der in einer Rei­he mit den Iden­ti­tä­ren Arndt Novak (IB-Kader und Bur­schen­schaft Danu­bia Mün­chen) und Till-Lucas Wes­sels („Kon­tra­kul­tur Hal­le“) als Autor auf. (3)

"Freilich" Nr. 3/19
„Frei­lich” Nr. 3/19

Das dürf­te Roman Hai­der aller­dings nicht stö­ren, sei­ne Ver­net­zun­gen sind weit­rei­chend, wie der Semio­sis­blog in einer Recher­che anführt: „Hai­der ist FPÖ-Poli­ti­ker aus der zwei­ten Rei­he der Par­tei. (…) Über­all ist er ein biss­chen dabei. Sel­ten steht er im media­len Ram­pen­licht. Im Schat­ten sei­ner poli­ti­schen Unschein­bar­keit hat er aller­dings ein stramm rech­tes Netz­werk gewebt. Und zwar genau über die Bur­schen­schafts­ka­nä­le, die Ram­mer­stor­fer in sei­nem Vor­trag erwähnt hat. Das Netz­werk Roman Hai­ders reicht bis hin zu Neo­na­zis und Iden­ti­tä­ren, zumin­dest in sei­nem vir­tu­el­len Leben auf Face­book. Im rea­len Leben ist er zudem mit Geschichts­re­vi­sio­nis­ten ver­ban­delt – gut getarnt in einem Ver­ein, der sich Unter­neh­meraka­de­mie nennt.“

Roman Haider - seit 1989 stramme Karriere in der FPÖ (Quelle: "Meine Abgeordneten")
Roman Hai­der — seit 1989 stram­me Kar­rie­re in der FPÖ (Quel­le: „Mei­ne Abgeordneten”)

Fuß­no­ten

1 Roman Hai­der: Euro­pa abge­wirt­schaf­tet, in: Frei­lich No 3/19, 88–90.
2 sie­he dazu unse­re Bei­trä­ge 
Die „neu­rech­te“ Ver­su­chung – Zu Stra­te­gie und Auf­tritt der Aula-Nach­fol­ge „Frei­lich“ und „Frei­lich“ frei­heit­lich & iden­ti­tär – Zur 2. Aus­ga­be des Aula-Nachfolgemagazins
3 Ein 13-sei­ti­ges Inter­view mit Harald Vilims­ky, das Hein­rich Sickl und Ulrich Novak geführt haben, lei­tet die Euro­pa-Num­mer von Frei­lich ein.