Rhodesien unter Ian Smith
Rhodesien war ein kurzlebiges, rassistisches Regime im Gebiet des heutigen Simbabwe. Entgegen der allgemeinen Tendenz zur Entkolonialisierung in Afrika, erklärte sich die „Republik Rhodesien“ 1965 unter einer weißen Minderheitsregierung für unabhängig und betrieb fortan eine Politik ähnlich dem südafrikanischen Apartheid-Regime. Folgerichtig wurde der Staat international beinahe ausnahmslos boykottiert und lediglich von Südafrika und Portugal anerkannt und unterstützt. Trotz weitgehender Isolation und internationaler Sanktionen schaffte es Premierminister Ian Smith ganze 14 Jahre mit seiner weißen Minderheitsregierung im Amt zu bleiben. Smith war vom Beginn seiner politischen Karriere bis zu seinem Tod 2007 ein vehementer Vertreter eines „White Supremacy”-Rassismus und ein Verteidiger weißer Herrschaft in Afrika. Das Regime seiner Partei, der „Rhodesian Front“, führte nicht nur zu rassistischer Repression, sondern auch zu einem sieben Jahre andauernden Guerilla-Krieg, der etwa 30 000 Menschen das Leben kostete (die Mehrheit von ihnen schwarz).
Für das Apartheid-Rhodesien
Unter dem vielsagenden Titel „Zersetzung von innen“ erklärt Andrew Moffat in einem dreiseitigen „Zur Zeit“-Artikel von Mai 2019 (1), was „der Westen“ von dem historischen Fall Rhodesien lernen könne. Der Text ist ein außerordentliches Beispiel für die Verbindung von Verschwörungsparanoia, Rassismus und einer rechtsextremen Umdeutung der Geschichte, die den historisch unzweifelhaften Staatsrassismus von Rhodesien zu einem hehren Konservatismus verklärt, der sich der „Neuen Weltordnung“ entgegengesetzt habe. Es lohnt ein genauerer Blick.
Moffat beginnt mit der Behauptung, dass gegenwärtig „ein beispiellose[r] Angriff auf die westliche Zivilisation“ stattfinde, der die „Vernichtung der Nationalstaaten“ zum Ziel habe. Wer ist der Angreifer? Diesbezüglich reichen dem Autor Anspielungen, die – wie so oft – an ein antisemitisches Weltbild anschließbar sind; die Rede ist von „teils subversiv im Verborgenen und langfristig agierenden Kräfte[n]“, von „endlose[n] Täuschungen“, und von den „Strategien der Globalisten“. Genauere Bestimmungen bleiben aus.
Für diese gegenwärtige Gefahr sei ausgerechnet das historische Rhodesien ein „Schlüssel zum Verständnis“, denn es biete „ein perfektes Beispiel für Volksbetrug und Subversion“. Moffat meint mit „Volksbetrug“ allerdings nicht die Tatsache, dass die schwarze Mehrheitsbevölkerung faktisch von der politischen Mitbestimmung in Rhodesien ausgeschlossen war, sondern vielmehr die Auflösung dieses rassistischen Regimes, das er als letzte Bastion einer heilen Welt beschreibt: „Historiker sahen Rhodesien damals zunächst als die ‚letzte Bastion’ des Christentums und der westlichen Werte gegen den Angriff verborgener Kräfte aus New York und Moskau.“
Untermalt mit verschwörungstheoretischem Geraune bricht Moffat also ganz offen eine Lanze für den rhodesischen Staatsrassismus. Diese Entwicklung sei von „konservativen Kräften [in Europa] euphorisch begrüßt“ worden, denn es sei absehbar gewesen, „dass die Versuche der Briten, auch Rhodesien in eine ethnische Mehrheitsherrschaft unter dem Deckmantel der Entkolonialisierung zu verwandeln wie in allen anderen afrikanischen Ländern zu einer Katastrophe führen würden“.
Damit spricht sich der Autor nicht nur offen für weiße Herrschaft in Rhodesien aus (gegen eine „ethnische Mehrheitsgesellschaft“), sondern wendet sich implizit gleich gegen die gesamte Entkolonialisierung Afrikas. Eine derart ungeschönte Parteinahme für kolonialen Rassismus liest man dieser Tage nicht oft.
Gegen „Appeasement“
Und so geht es auch weiter. Rhodesien sei schon in den 1970er Jahren „von internationalen Sanktionen schikaniert“ worden, obwohl es gleich hinter dem Apartheid-Südafrika das „am meisten industrialisierte und wirtschaftlich erfolgreichste Land des schwarzen Kontinents“ gewesen sei.
Moffat bestimmt als das eigentliche Problem die konservative „Anfälligkeit für Appeasement-Politik“, die er in Staatschef Ian Smith verkörpert sieht: „Smiths Strategie war ein Orwell’scher Doppelsprech, den wir heute vor allem bei konservativen Parteien immer wieder beobachten können: Rechts blinken, links abbiegen.“
Dem Begründer und Regierungschef eines faktischen Apartheid-Staates in den 1960ern (!) vorzuwerfen, er sei eigentlich links und nicht „konservativ“, grenzt an Wahnsinn. Die rechts von Smith agierenden Hardliner der White Supremacy im Rhodesischen Staat zeichnet der Autor folgerichtig positiv bzw. stilisiert sie als Bewahrer der guten Ordnung.
Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass sich Moffat zur Unterstützung seiner Argumentation den rassistischen Anthropologen Robert Gayre (1907–1996) herbeizitiert. Dieser war ein Anhänger des NS-Rassentheoretikers Hans F. K. Günther, den er auch in seiner wissenschaftlichen Arbeit rezipierte und mit dem er gemeinsam ein führendes Mitglied der neonazistischen Organisation „Northern League” war. Noch im Jahr 1978 hat Gayre in dem von ihm mitgegründeten Journal “The Mankind Quarterly” die Anwendung eines biologistischen Rassebegriffs auf Menschengruppen vehement verteidigt und den NS-Rassismus lediglich als nicht ausreichend biologisch – sondern mystisch und daher unwissenschaftlich – abqualifiziert (2). Moffat stellt Gayre als „renommierte[n] Anthropologen“ vor und zitiert dessen Kritik an Rhodesiens Führung: Es gebe „eine Masse von Leuten in führenden Positionen […], die lieber in einer konservativen Blase leben wollen, als sich der aggressiven Dynamik der Linken zu stellen“. Wohlgemerkt: Es geht hier um Leute, die in den 1960ern der Ansicht waren, es sei „links“, gegen „Rassen“-Segregation zu sein. Moffat sieht das im Jahr 2019 offenbar immer noch so.
Der Text endet mit einem Aufruf zur Kompromisslosigkeit: „Die Geschichte Rhodesiens sollte eine Warnung an alldiejenigen sein, die noch glauben, sie könnten der herrschenden Klasse noch mit Kompromissen begegnen.“ Hier kommt der ganze Wahnwitz noch einmal geballt zum Vorschein. Denn während die „herrschende Klasse“ als „globalistisches“ Schreckgespenst lediglich halluziniert wird, gab es in dem gelobten Rhodesien tatsächlich eine weiße herrschende Klasse, die die Mehrheit der Bevölkerung unterdrückte. Diese bizarre Umkehrung der Tatsachen lässt ein Merkmal rechtsextremer Ideologiebildung deutlich hervortreten: Gesellschaftlicher Fortschritt und Emanzipation werden allgemein in ein Narrativ eingepasst, in dem stets dunkle Akteure das gute Tradierte (in diesem Fall die weiße Herrschaft über schwarze Menschen) bewusst zerstören bzw. „zersetzen“. In der deutschsprachigen extremen Rechten kommt diese Erzählung meistens als Volksgemeinschaftsideologie daher. „Zur Zeit“ zeigt mit dem Rhodesien-Artikel aber eindrucksvoll, wie sich dasselbe Schema auf die Entkolonialisierung anwenden lässt. Dadurch wird nicht zuletzt die Beliebigkeit und Selektivität dieses Ideologems sichtbar.
Zum Autor gibt „Zur Zeit“ lediglich die Angabe: „Andrew Moffat leitet einen Investmentfonds im Süden Englands.“ Allerdings heißt so auch ein Gründungsmitglied der 2013 ins Leben gerufenen rechtsextremen Partei „British Democratic Party“. Und dieser Andrew Moffat hat laut eines Artikels der Britischen Zeitung „NewStatesman“ von 2013 vor seiner Parteikarriere bereits eng mit dem Holocaustleugner David Irving zusammen gearbeitet (diese Verbindung wird auch in einer wissenschaftlichen Publikation zur Außen- und Sicherheitspolitik der extremen Rechten in Europa erwähnt). Es ist durchaus naheliegend, dass es sich hier um dieselbe Person handelt, die auch den „Zur Zeit“-Artikel geschrieben hat. Wir können es aber nicht gesichert bestätigen.
Schluss
„Zur Zeit“ verteidigt hier nicht nur ein rassistisches Regime, sondern findet den Chef dieses Regimes zu lasch – zu kompromittiert von jenen „verborgenen Kräften“ die Entkolonialisierung und das Ende weißer Unterdrückung in Afrika fordern.
Wir haben die Entgleisungen sowie die rechtsextreme Normalität von „Zur Zeit“ in letzter Zeit immer wieder thematisiert (3). In unserem Beitrag von letzter Woche ging es um das Loblied eines regelmäßigen „Zur Zeit“-Autors auf den faschistischen Massenmörder Ion Antonescu. Obwohl der Text zu Rhodesien ein völlig anderes Thema behandelt, gibt es doch eine interessante Parallele: Auch diesmal zeigt sich, dass bei einem hierzulande wenig bekannten (historischen) Thema die rechtsextreme Ideologie relativ unverhohlen und ungeschminkt zum Ausdruck gebracht wird. Die völlig offene Bejahung von Staatsrassismus und Kolonialismus wird selbst den meisten weit rechtsstehenden Akteuren zu weit gehen. Doch nicht so der rechtsextremen „Zur Zeit“.
Weiterhin staatlich gefördert
„Zur Zeit“ erhält weiterhin öffentliche Fördermittel, die sogenannte Vertriebsförderung. 2018 war das ein Betrag von 45 000 Euro. Ein 2015 eingebrachter Antrag auf Streichung der staatlichen Presseförderung wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt. Trotz harscher Reaktionen auf ein Facebook-Posting von „Zur Zeit“, in dem die Klimaaktivistin Greta Thunberg aufs Übelste verunglimpft wurde, hat bislang keine Parlamentspartei deklariert, einen neuerlichen Antrag auf Streichung der Presseförderung zu stellen.
Fußnoten
1 „Zur Zeit“, Nr. 18, Mai 2019, S. 38–40
2 The Mankind Quarterly, Vol. XVIII, No. 4, April-Juni 1978, S. 293–303; online unter: http://jtl.org/links/gayre.html, zuletzt eingesehen: 06.06.2019
3 Im Dezember 2018 zu zwei herausragenden Entgleisungen (Teil 1) und zur rechtsextremen Normalität des Blatts (Teil 2) / Im April 2019 zu Mölzers Ideologie der „Umvolkung“ (Teil 1) und zu den Zusammenhängen zwischen „Zur Zeit“ und den Identitären (Teil 2) / Im Mai 2019 über eine mögliche Querfinanzierung aus EU-Geldern