Straches Facebook-Seite: Mythen, Daten, Fakten

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Viel wird die­ser Tage über einen mög­li­chen Macht­kampf inner­halb der FPÖ spe­ku­liert. Stra­ches nicht ganz frei­wil­li­ger Abgang als Vize­kanz­ler, Minis­ter und Par­tei­ob­mann hat Nor­bert Hofer an die Spit­ze der Par­tei gespült, doch Stra­che hat schnell nach dem Auf­flie­gen der nach Eigen­de­fi­ni­ti­on „b’soffenen Geschich­te“ in Ibi­za in den Opfer­mo­dus geschal­tet. Sei­ne wil­den Spe­ku­la­tio­nen, sein mög­li­ches poli­ti­sches Come­back als EU-Abge­ord­ne­ter trägt er nun via Face­book aus, auf sei­ner Sei­te, dem wohl mäch­tigs­ten Medi­um der FPÖ, und sei­nem Face­book-Pro­fil. Um die Sei­te scheint nun ein Streit zwi­schen Stra­che und der Par­tei um die Eigen­tums­rech­te aus­ge­bro­chen zu sein.

Kei­ne Fra­ge: Die FPÖ hat frü­her als jede ande­re Par­tei die Wir­kungs­mäch­tig­keit von sozia­len Medi­en erkannt. Vor mehr als zehn Jah­ren, im April 2009, wur­de Stra­ches Face­book-Sei­te ein­ge­rich­tet. Die Par­tei hat damit von Anfang an auf per­so­na­li­sier­te Sei­ten gesetzt und erst 2012 mit „FPÖ-TV“ eine Par­tei­sei­te ein­ge­rich­tet, die dann 2016 in „FPÖ“ umge­tauft wur­de. Das Wachs­tum der Sei­te ist mäßig, in dem von uns sys­te­ma­tisch beob­ach­te­ten Zeit­raum von Ende August 2018 bis heu­te ist sie von 113.200 auf 125.300 Fans ange­wach­sen. Aber, um die Dimen­sio­nen mit ande­ren Par­tei­en in Bezug zu set­zen, sie weist damit immer noch mehr Fans auf als jede ande­re Par­tei in Öster­reich. (1)

FB-Seite FPÖ – Werbegelder: Die FPÖ investierte in den vergangenen 2 Monaten in die Parteiseite annähernd so viel wie in Straches FB-Seite

FB-Sei­te FPÖ – Wer­be­gel­der: Die FPÖ inves­tier­te in den ver­gan­ge­nen 2 Mona­ten in die Par­tei­sei­te annä­hernd so viel wie in Stra­ches FB-Seite

Frei­lich, ver­gli­chen mit Stra­ches FB-Sei­te, ist sie unbe­deu­tend, die aktu­ell (7.6.19) 799.840 Fans (2), aber was ent­schei­den­der ist, nur 778.808 Abon­nen­tIn­nen, also Per­so­nen, die Stra­ches Bei­trä­ge tat­säch­lich in ihrer Chro­nik sehen wol­len, vor­wei­sen kann.

FB-Seite Strache: Fans und AbonnentInnen (Stand 7.6.19)

FB-Sei­te Stra­che: Fans und Abon­nen­tIn­nen (Stand 7.6.19)

Vor­an­ge­gan­gen ist dem eine inten­si­ve Wer­be­kam­pa­gne sei­tens der FPÖ, die im Impres­sum als Medi­en­in­ha­ber ange­führt ist. Hier geht es schon lan­ge nicht nur mehr dar­um, Reich­wei­te zu erzie­len, son­dern auch im Ran­king gegen­über dem poli­ti­schen Geg­ner vor­ne zu lie­gen. So schreibt das „pro­fil“ 2016: „FPÖ-Chef Stra­che hält aktu­ell bei 450.000 Face­book-Fans, gefolgt von ÖVP-Außen­mi­nis­ter Sebas­ti­an Kurz mit 360.000 und SPÖ-Bun­des­kanz­ler Chris­ti­an Kern mit knapp über 100.000 Fans. Neben dem direk­ten Draht zu den Wäh­lern sind Face­book-Likes Aus­druck von Stär­ke. Im Bou­le­vard tre­ten Like-Ran­kings längst in Kon­kur­renz zu klas­si­schen Mei­nungs­um­fra­gen.“ (profil.at, 22.11.16) In einem irrt das „pro­fil“: Nicht nur Bou­le­vard­me­di­en ver­glei­chen regel­mä­ßig die Zah­len der ein­zel­nen FB-Accounts, das tun inzwi­schen de fac­to alle Medien.

Um die­se Zah­len in die Höhe zu trei­ben, hat­te die FPÖ spä­tes­tens 2016 damit begon­nen, für Stra­ches Sei­te nicht nur in Öster­reich Wer­bung zu schal­ten, son­dern auch in Deutsch­land und in die­sem Jahr auch in Italien.

„Doch die Zusam­men­set­zung von Stra­ches Fans weist Merk­wür­dig­kei­ten auf. Im Zuge von Recher­chen für unse­ren Rechts­extre­mis­mus­be­richt im Früh­jahr die­sen Jah­res fiel uns bereits auf, dass Stra­che mit nur 80% an Fans, die in Öster­reich loka­li­siert wer­den, einen deut­lich nied­ri­ge­ren Anteil auf­wies als ande­re Poli­ti­ke­rIn­nen in Öster­reich. Im Okto­ber folg­te jedoch das gro­ße Stau­nen: Inner­halb rela­tiv kur­zer Zeit sank Stra­ches öster­rei­chi­scher Fan­an­teil auf nun­mehr unter 69% – mit wei­ter fal­len­der Ten­denz –, wäh­rend­des­sen deut­sche Fans ihre Lie­be zum FPÖ-Chef ent­deckt haben dürf­ten, denn sie ver­mehr­ten sich rasant. Inner­halb der letz­ten sie­ben Wochen ver­zeich­ne­te Stra­che einen Zuwachs von knapp 11.500 an öster­rei­chi­schen Fans – im sel­ben Zeit­raum rekru­tier­te er aus Deutsch­land fast die drei­fa­che Men­ge (33.371) und darf nun (Stand 13.12.2016) auf fast 118.000 ver­wei­sen.“ (haraldwalser.at, 18.12.16)

FB-Seite Strache: Werbung in Österreich und Deutschland

FB-Sei­te Stra­che: Wer­bung in Öster­reich und Deutschland

Der sys­te­ma­ti­sche Beu­te­zug in Deutsch­land ging wei­ter: Im Juni 2018 hat­te Stra­che bei rund 775.600 Fans nur 451.600 aus Öster­reich, aber bereits 265.700 aus Deutsch­land. Der Rest kam aus ande­ren Län­dern. Das heißt, dass der Anteil an öster­rei­chi­schen Fan-Accounts unter 60% lag – ein Wert, der sich seit­her nicht wesent­lich ver­än­dert haben dürf­te, zumal die Sei­te inner­halb eines Jah­res nur um mage­re 25.000 Fans zuge­legt hat. (3)

Fans FB-Seite Strache nach Ländern (21.6.18)

Fans FB-Sei­te Stra­che nach Län­dern (21.6.18)

Der (vor­läu­fi­ge) Rück­zug von Stra­che aus der Poli­tik stellt die FPÖ vor ein Pro­blem: Wie umge­hen mit Stra­che FB-Sei­te? Face­book erlaubt unter gewis­sen Umstän­den Zusam­men­le­gun­gen und Umbe­nen­nun­gen von Sei­ten, jedoch nur dann, wenn das Ziel der Sei­te – erkenn­bar durch den neu­en Namen – in etwa das­sel­be bleibt. Dass eine simp­le Zusam­men­le­gung mit der und Über­füh­rung von Stra­ches Fans auf die Par­tei­sei­te mög­lich ist, ist eher unwahrscheinlich.

„Öster­reich“ ver­mel­de­te nun, Stra­che habe sei­ne Sei­te über­nom­men: „Stra­che hat Face­book-Sei­te mit 800.000 ‚Fans’ unter Kon­trol­le (…) Er sei nun ‚allei­ne’ für die Inhal­te ver­ant­wort­lich, heißt es aus FP-Krei­sen.” (oe24.at, 5.6.19) Bei genaue­rem Hin­se­hen ist es unwahr­schein­lich, dass das so stimmt: Stra­ches FB-Sei­te wird – wie schon zuvor auch – von ins­ge­samt neun Accounts ver­wal­tet. Eine Face­book-Sei­te hat kein eige­nes Pass­wort, son­dern kann aus­schließ­lich von Inha­be­rIn­nen von Face­book-Pro­fi­len ver­wal­tet wer­den. Unter Kon­trol­le hät­te Stra­che sei­ne FB-Sei­te nur dann brin­gen kön­nen, wenn er den bis­he­ri­gen Par­tei-Admins die Rech­te auf sei­ner Sei­te ent­zo­gen hät­te. Face­book zeigt nur an, wie vie­le Accounts eine Sei­te ver­wal­ten, nicht aber wel­che. Ob Stra­che nun statt der alten Admins neue ein­ge­setzt hat, wis­sen wir nicht.

FB-Seite HC Strache (Seitentransparenz)

FB-Sei­te HC Stra­che (Sei­ten­trans­pa­renz)

Der Auf­wand, eine der­ar­tig gro­ße Sei­te mit Tau­sen­den von Kom­men­ta­ren so zu mode­rie­ren, dass even­tu­ell straf­recht­lich rele­van­te Inhal­te aus­ge­blen­det bzw. gelöscht wer­den, ist enorm groß und von einer ein­zel­nen Per­son kaum zu schaf­fen. Es ist nicht anzu­neh­men, dass Stra­che das nun selbst erle­digt. Juris­tisch gese­hen, steht so viel fest: Soll­te es wegen pro­ble­ma­ti­scher Pos­tings und/oder Kom­men­ta­ren zu Kla­gen kom­men, ist die FPÖ als Medi­en­in­ha­ber dran. Nicht geklärt ist, wer nun im Zwei­fels­fall Anspruch auf die Sei­te hat. Hier gibt es nicht ein­deu­ti­ge Ein­schät­zun­gen.

Egal, wie die Ange­le­gen­heit aus­geht: Medi­al soll­te end­lich damit Schluss gemacht wer­den, Zah­len wie Fans und Inter­ak­tio­nen unnö­tig und undif­fe­ren­ziert hoch­zu­spie­len und dar­aus per­ma­nent zwi­schen den poli­ti­schen Akteu­rIn­nen Kon­kur­renz zu erzeu­gen, die schluss­end­lich haupt­säch­lich dar­in mün­det, dem US-Kon­zern noch mehr Wer­be­geld in den Rachen zu werfen.

SPÖ: 118.252, Neos: 85.903, Grü­ne: 71.101, ÖVP (Volks­par­tei) 62.333, Jetzt: 13.437 (Stand 7.6.19)
In ihrer Spit­zen­zeit, knapp vor dem Ibi­za-Video, hat­te Stra­ches FB-Sei­te knapp über 801.000 Fans.
Bis Juni 2018 war es mög­lich, die Fans von Face­book-Sei­ten nach Län­der­zu­ge­hö­rig­kei­ten ein­zu­se­hen. Danach hat Face­book die­se Ana­ly­se­mög­lich­keit eingestellt.