In Hohenems (Vorarlberg) kam es in den letzten Wochen, zunächst Anfang Oktober und dann in der Nacht zum 18. Oktober zu etlichen neonazistischen Schmierereien. Wir hatten schon relativ bald den Verdacht, dass ein oder mehrere Ableger der Neonazi-Gruppe „Der III. Weg“ dafür verantwortlich sein könnten. Mittlerweile, nach den spärlichen Angaben der Vorarlberger Polizei, sind wir uns sicher. Aber zunächst das Interview mit dem Hohenemser Vizebürgermeister und Sozialarbeiter Bernhard Amann (Liste Emsige & Grüne), das wir bereits vor einigen Tagen geführt haben.
Demo des III.Weg in Plauen mit Vorarlberg-Begleitung
Welche Vorfälle gab es noch in letzter Zeit?
Es gab mehrere Vorfälle. Während des Sommers wurde das Schlafzimmerfenster eines aktiven jungen Antifaschisten mit Steinen eingeschlagen. Dasselbe passierte in unserem Kultur- und Kommunikationszentrum ProKonTra. In der Folge haben Neonazis am 3.10. und 5.10. mit den Schmierereien (Flüchtlingsunterkunft, Jüdisches Museum und Jüdischer Friedhof, Islamischer Friedhof, Stolpersteine, Betriebe etc.) begonnen.
Hier noch das konkrete Beispiel eines Vereinsfunktionärs, der unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Vorfalls zurückgetreten ist. Ich habe damals so reagiert:
Mit Abscheu und Entsetzen wurde mir die widerlichen Äußerungen des Herrn Wolfram K. über Flüchtlinge zur Kenntnis gebracht. Herr K. ist stellvertretender Präsident des TBC Hohemens (Traditioneller Bogen-Club Hohenems).
Unter einem Bild, welches Flüchtlinge auf Gleisen zeigt, kommentiert Herr Kopeinig: „Die Lösung einfach darüber fahren.“ und „Scheiss Ratten Plage.“
Solche Aussagen eines offiziellen Vertreters des Vereins, der ja auch die Stadt Hohenems nach außen vertritt, sind keinesfalls zu akzeptieren.
Der Vizebürgermeister der Stadt Hohenems Bernhard Amann fordert daher:
— einen sofortigen Stopp der Förderungen für den TBC Hohenems
— den umgehenden Rücktritt von Wolfgang Kopeinig als Vizepräsident des TBC Hohenems
— eine klare Distanzierung von solchen unerträglichen Aussagen durch den Vorstand des TBC Hohenems
— die Prüfung dieser Aussage auf strafrechtliche Relevanz durch die Staatsanwaltschaft.
Wir bemerken, dass die deutschen Neonazis (Der III. Weg vor allem) immer wieder nach Österreich bzw. im speziellen nach Vorarlberg expandieren wollen. Wie siehst du das?
Das stelle ich bereits seit den 1990er-Jahren fest. In Vorarlberg hat es stets Kontakte gegeben, unter anderem auch Konzertveranstaltungen, bei denen zahlreiche Neonazis aus Deutschland und der Schweiz eingereist sind. Dieser Konzerttourismus ist jedoch abgeflaut. Die sozialen Medien haben zu einer Verfestigung und einem Ausbau der internationalen Beziehungen beigetragen. Aber das ist ja allgemein bekannt.
Früher gab es eine sehr rege antifaschistische Szene in Vorarlberg. Von der hört man aktuell wenig. Was ist da los?
Früher hat es eine stärkere Antifa-Szene in Vorarlberg gegeben. Der Großteil hat sich von Vorarlberg vertschüsst, da sie in Städten außerhalb des Ländles bessere Entwicklungsmöglichkeiten vorfanden. Daher reduziert sich die Recherchearbeit mit dem Thema auf einige wenige Aktive. Andererseits ist die rechte Szene nicht mehr so sichtbar wie in früheren Jahren. Aber rechtes Gedankengut hat sich insgesamt stark verbreitet.
Was sollte getan werden, um Jugendliche gegen rechte und rassistische Propaganda besser zu immunisieren?
Hier gilt es, Beziehungsarbeit zu leisten. Bei meinen 2‑wöchentlichen Sprechstunden, welche von bis zu 120 Menschen frequentiert werden, konzentriere ich mich auf die Aufklärung. Viele Menschen haben aufgrund ihrer Biografie und Herkunft ihr Leben lang Benachteiligung erfahren. Das wird in der Diskussion immer wieder vergessen. Nur Presseaussendungen gegen den Rechtsruck schreiben und die Moralkeule zu schwingen, ist einfach zu wenig. Die Menschen fühlen sich allein gelassen. Ihre Ohnmacht veranlasst sie, eben dem rechten Populismus zu folgen. Obwohl inzwischen auch klar ist, dass beispielsweise die FPÖ nur auf Stimmenmaximierung aus ist, und in der Folge hört man von ihnen nichts mehr. Aber auch die anderen Parteien handeln ähnlich, denn wenn‘s um die Kleinarbeit, sprich Beziehungsarbeit geht, ist Funkstille. Sie agieren nur noch auf der Metaebene. Das wichtigste ist aber das Ernstnehmen der Sorgen und Probleme junger Menschen und die Erarbeitung positiver Lebensperspektiven. Dies ist zwar ein Engagement auf dem Millimeterpapier, aber die erfolgversprechendste Vorgehensweise. Glaube ich mal!
Bereits 2009 hat die Hohenemser Stadtvertretung nach dem „Exil Juden Sager“ von FPÖ Landesobmann Dieter Egger (ohne die Stimmen der FPÖ) folgende Resolution beschlossen:
Resolution der Hohenemser Stadtvertretung
Die Stadtvertretung von Hohenems beschließt aus Anlass der antisemitischen und rassistischen Äußerungen während der FPÖ-Wahlveranstaltung am vergangenen Freitag in Hohenems folgende Resolution:
Erklärung von Hohenems
1. Die Stadt Hohenems hat mit Entsetzen und tiefer Sorge wahrnehmen müssen, dass von ihrem Boden aus Menschen mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen aufs tiefste beleidigt, verletzt und mühsam verheilt scheinende Wunden neuerlich aufgerissen wurden. Dies trifft Hohenems besonders, weil es der einzige Ort Vorarlbergs ist, wo es eine langandauernde Jüdische Gemeinde gab. Das Jüdische Erbe ist für unsere Stadt über das Stadtbild und die kulturellen Einrichtungen hinaus auch für unser Bewusstsein konstitutiv.
2. Die Stadt Hohenems weist diese Äußerungen entschieden zurück und verurteilt sie als Störung des friedlichen Gemeinschaftslebens in der Stadt. Sie entschuldigt sich ausdrücklich – auch ohne eigenes ihr zurechenbares Verschulden – bei allen Menschen, welche durch diese Äußerungen getroffen oder auch nur betroffen wurden.
3. Die Stadt Hohenems blickt mit Stolz auf das, was in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in ihrer Stadt an Erinnerung an ihre jüdische Geschichte neu entstanden ist. Es ersetzt zwar nichts, dennoch dürfen wir feststellen, dass wir hier wieder einen Neuanfang gewagt haben, der sich immerhin in einem international geschätzten Jüdischen Museum Ausdruck schafft.
4. Die Stadt Hohenems sieht sich schon aus ihrer eigenen Geschichte veranlasst, alles zu unternehmen, damit Menschen unterschiedlicher Herkunft hier auch in Zukunft friedlich und gerecht zusammenleben können. Sie wird sich im Rahmen ihrer Jugend‑, Kultur- und Bildungsaktivitäten diesem Ziel vermehrt zuwenden.
5. Die Stadt Hohenems ruft alle Menschen, die hier leben, dazu auf:
a) Daran mitzuwirken, dass alle Menschen ohne Ansehen der Person, insbesondere der Herkunft oder Religion ohne Diskriminierung und auf dem Boden der unveräußerlichen Menschenrechte friedlich leben können. Dazu gehört auch der Schutz vor verbalen Verletzungen, die den physischen immer vorausgehen.
b) Sich in ihren religiösen Gemeinschaften, in ihren Kirchen, Vereinen, Arbeitsstätten, Unternehmen, Initiativen und Parteien um die Verwirklichung einer toleranten und offenen Gesellschaft zu bemühen und sich dafür auch mit aller Kraft einzusetzen.
c) Sowohl in respektvoller Erinnerung an die leidvolle Geschichte der jüdischen Bürger unserer Stadt als auch aus dem allgemeinen Menschenrecht gegen jeden Totalitarismus, gegen Intoleranz und Rassismus aufzutreten und allen Verharmlosungen und allen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten, mit denen die Ereignisse verharmlost und das Erinnern an sie verdrängt werden sollen.
Hohenems am 26. August 2009
Die Stadtvertretung von Hohenems
➡️ Hohenems (II): Neonazi-Schmierer mit Kontakten
➡️ Hohenems (III): Walser zu Nazi-Schmierereien in Vorarlberg: „Täter in Neonazi-Szene aktiv”
➡️ Hohenems (IV): Isolierter Einzeltäter