„Bettler gehören in die berühmtesten Duschen der Welt in Mauthausen“, schrieb der 28-jährige Angeklagte in Salzburg, der selbst vor Jahren als bosnischer Flüchtling nach Österreich gekommen war, um dann dem Gericht zu erklären: „Ich bin nicht rechtsradikal. Es tut mir leid.” Er habe sich über einen Bettler am Salzburger Hautbahnhof geärgert, das sei der Grund für sein Facebook-Posting gewesen: „Aber ich weiß ja, wie das ist, wenn jemand zu dir sagt: Scheiß Ausländer.“
Der Verteidiger, für den das Verhalten seines Mandanten „gänzlich unverständlich“ ist, versuchte es mit einer naheliegenden Strategie: Der Angeklagte habe sich bei dem Posting nichts gedacht und sich womöglich von der Medienberichterstattung über Bettler in Salzburg dazu verleiten lassen. Der Richter fand, dass „in Zeiten wie diesen, wo Andersdenkende verhetzt und verfolgt werden”, eine Diversion nicht ins Auge gefasst werden konnte und verurteilte den Angeklagten aus generalpräventiven Gründen zu drei Monaten bedingter Haft. Das Urteil ist rechtskräftig.
In Korneuburg legte die Richterin für den Angeklagten (25) dagegen eine Diversion fest. Innerhalb von sechs Monaten muss K. insgesamt 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Er hatte im Juli auf der Facebook-Seite von Sebastian Kurz gepostet: „Friede existiert erst dann wenn die juden komplett verschwinden!! 1950 hatten sie nicht mal ein Platz und jetzt sinds im Palästina und ermorden dort menschen um mehr fläche zu kriegen!! Hitler hat eindeutig zu wenig gemacht!!”
Der türkischstämmige Angeklagte Ali K. erklärte, dass er „im Prinzip“ bereue und das Posting „unter Frust geschrieben“ habe. „Ich habe nicht gemeint, dass die Juden komplett ausradiert werden sollen, sondern dass sie aus Gaza abziehen.“ Um diese Aussage etwas genauer zu erörtern, dafür blieb keine Zeit, denn nach nur rund zehn Minuten war der Prozess vorbei.
Im Kommentar „Haft hilft nicht gegen Hass“ setzt sich Michael Möseneder mit der unterschiedlichen Bewertung der beiden Hass-Postings auseinander und plädiert für die Diversion. Dagegen wäre in den beiden und ähnlichen, aber sicher nicht allen Fällen, nichts einzuwenden. Dort, wo es sich um Einzelfälle handelt, wo nicht alltäglich, quasi professionell gehetzt wird, ist eine Diversion vermutlich sinnvoller als eine (bedingte) Haftstrafe.
Aber der Stellenwert, den die Gesellschaft und die Justiz der Verhetzung, der Ächtung von Hass und Hetze, beimessen, ist auch an der Dauer eines Verfahrens, an der Intensität der vorhergehenden Ermittlungen sowie der Erörterung vor Gericht ablesbar. Und da sind rund zehn Minuten für ein Strafverfahren wegen Verhetzung selbst bei angeblich klarer Sachlage eindeutig zu wenig.
Von den acht Anzeigen wegen Verhetzung auf der FB-Seite von Kurz sind damit drei „abgearbeitet“: eine durch Diversion, zwei durch Einstellung der Verfahren.