Salzburg/Wien: Widersprüchliches bei den Verhetzungsverfahren

Mit ‚gegen­sät­zlichen Urteilen‘, so der „Stan­dard“, ende­ten gestern, 21.10., die Ver­het­zung­sprozesse in Korneuburg und Salzburg. In den bei­den Ver­fahren standen junge Män­ner (25 bzw. 28) vor Gericht, weil sie sich auf Face­book für die Ver­nich­tung von Juden bzw. von Bet­tlern nach NS-Vor­bild aus­ge­sprochen hatten.

„Bet­tler gehören in die berühmtesten Duschen der Welt in Mau­thausen“, schrieb der 28-jährige Angeklagte in Salzburg, der selb­st vor Jahren als bosnis­ch­er Flüchtling nach Öster­re­ich gekom­men war, um dann dem Gericht zu erk­lären: “Ich bin nicht recht­sradikal. Es tut mir leid“. Er habe sich über einen Bet­tler am Salzburg­er Haut­bahn­hof geärg­ert, das sei der Grund für sein Face­book-Post­ing gewe­sen: „Aber ich weiß ja, wie das ist, wenn jemand zu dir sagt: Scheiß Aus­län­der“.

Der Vertei­di­ger, für den das Ver­hal­ten seines Man­dan­ten „gän­zlich unver­ständlich“ ist, ver­sucht es mit ein­er nahe­liegen­den Strate­gie: der Angeklagte habe sich bei dem Post­ing nichts gedacht und sich wom­öglich von der Medi­en­berichter­stat­tung über Bet­tler in Salzburg dazu ver­leit­en lassen.

Der Richter fand, dass “in Zeit­en wie diesen, wo Ander­s­denk­ende ver­het­zt und ver­fol­gt wer­den“, eine Diver­sion nicht ins Auge gefasst wer­den kon­nte und verurteilte den Angeklagten aus gen­er­al­präven­tiv­en Grün­den zu drei Monat­en bed­ingter Haft. Das Urteil ist rechtskräftig.


Die Gaskam­mer in Mau­thausen (LP mAn, Cre­ative Com­mons Attri­bu­tion 3.0 Unport­ed license)
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In Korneuburg legte die Rich­terin für den Angeklagten (25) dage­gen eine Diver­sion fest. Inner­halb von sechs Monat­en muss K. ins­ge­samt 100 Stun­den gemein­nützige Arbeit leis­ten. Er hat­te im Juli auf der Face­book-Seite von Außen­min­is­ter Kurz gepostet:

„Friede existiert erst dann wenn die juden kom­plett ver­schwinden!! 1950 hat­ten sie nicht mal ein Platz und jet­zt sinds im Palästi­na und ermor­den dort men­schen um mehr fläche zu kriegen!! Hitler hat ein­deutig zu wenig gemacht!!”

Der Angeklagte Ali K., der als türkischstäm­mig beze­ich­net wird, erk­lärt, dass er „im Prinzip“ bereue und das Post­ing „unter Frust geschrieben“ habe. Dann aber kommt noch ein Satz, der zumin­d­est zwei­deutig ist: „Ich habe nicht gemeint, dass die Juden kom­plett aus­radiert wer­den sollen, son­dern dass sie aus Gaza abziehen“.

Um diesen Satz noch etwas genauer zu erörtern, dafür blieb keine Zeit mehr, denn nach rund zehn Minuten ist der Prozess vorbei!

Im Kom­men­tar „Haft hil­ft nicht gegen Hass“ set­zt sich Michael Mös­ened­er mit der unter­schiedlichen Bew­er­tung der bei­den Hass-Post­ings auseinan­der und plädiert für die Diver­sion. Dage­gen wäre in den bei­den und ähn­lichen, aber sich­er nicht allen Fällen, nichts einzuwen­den. Dort, wo es sich um Einzelfälle han­delt, wo nicht alltäglich, qua­si pro­fes­sionell gehet­zt wird, ist eine Diver­sion ver­mut­lich sin­nvoller als eine (bed­ingte) Haftstrafe.

Aber der Stel­len­wert, den die Gesellschaft und die Jus­tiz der Ver­het­zung, der Äch­tung von Hass und Het­ze, beimessen, ist auch an der Dauer eines Ver­fahrens, an der Inten­sität der vorherge­hen­den Ermit­tlun­gen sowie der Erörterung vor Gericht ables­bar. Und da sind rund 10 Minuten für ein Strafver­fahren wegen Ver­het­zung selb­st bei ange­blich klar­er Sach­lage ein­deutig zu wenig!

Von den 8 Anzeigen wegen Ver­het­zung auf der FB-Seite von Min­is­ter Kurz sind damit drei „abgear­beit­et“: eine durch Diver­sion, zwei durch Ein­stel­lung der Verfahren.

Am Salzburg­er Lan­des­gericht gibt es auch in den näch­sten Tagen Ver­fahren wegen Ver­het­zung. Am Fre­itag geht es um ein FB- Post­ing, in dem eben­falls zum Nahost-Kon­flikt gehet­zt wurde: “Hitler hat lei­der nicht alle Juden umge­bracht“, und am 13. Novem­ber wird gegen einen anderen Öster­re­ich­er eben­falls wegen anti­semi­tis­ch­er Sprüche auf Face­book verhandelt.