Identitäre Neonazi-Demonstration am 17. Mai in Wien (I)

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Weil die EU angeb­lich „Völ­ker und Kul­tu­ren zer­stört, Euro­pa mit Frem­den über­flu­tet”, rufen die Iden­ti­tä­ren Öster­reichs für den 17. Mai 2014 zu einer Demons­tra­ti­on auf. Aber nicht nur die Iden­ti­tä­ren, auch neo­na­zis­ti­sche Grup­pie­run­gen des so genann­ten „Natio­na­len Widerstandes”.

Das Doku­men­ta­ti­ons­ar­chiv des öster­rei­chi­schen Wider­stan­des (DÖW) berich­tet:

Unter­stüt­zung bekommt das Unter­fan­gen von neo­na­zis­ti­scher Sei­te, so heißt es auf freies-oesterreich.net: „Eini­ge jun­ge Kame­ra­den haben sich ein Herz genom­men und eine offi­zi­el­le Demons­tra­ti­on in Wien ange­mel­det. Eine Mög­lich­keit für Iden­ti­tä­re und den Natio­na­len Wider­stand öffent­lich klar zu stel­len: Der Wider­stand lebt! Wir wol­len in der Stadt Wien, der Bas­ti­on Euro­pas, ein star­kes Zei­chen set­zen und auf die Stra­ße gehen.”

Bewor­ben die Web­site von der neo­na­zis­ti­schen AFP (Arbeits­ge­mein­schaft für Demo­kra­ti­sche Politik).


Neo­na­zis­ti­sche Arbeits­ge­mein­schaft für demo­kra­ti­sche Poli­tik (AFP)

Die Iden­ti­tä­ren tun, was sie immer tun, wenn man auf Ver­bin­dun­gen zwi­schen ihnen und Neo­na­zis hin­weist: Sie schrei­ben eine Klar­stel­lung, in der sie in „aller Deut­lich­keit” beto­nen, dass sie nie und nim­mer und kei­nes­falls irgend­et­was mit Nazis zu tun haben wol­len. Inzwi­schen las­sen sich wohl schon gan­ze Bücher fül­len über die Ver­bin­dun­gen zwi­schen Iden­ti­tä­ren und Neo­na­zis und den dazu gehö­ri­gen iden­ti­tä­ren Distan­zie­run­gen, von genau die­sen Neonazis.

Aber was soll man von sol­chen Distan­zie­run­gen hal­ten, wenn sie einer­seits schrei­ben, „Ent­ge­gen der Behaup­tun­gen auf der Sei­te ’stopptdierechten.at’ ist die Grup­pe ‚Der Fun­ke’ nicht Bestand­teil der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reichs und war es auch nie”, ande­rer­seits aber in ihrem Forum unter „IB-nahe Blogs” den neo­na­zis­ti­schen „Der Fun­ke” anführen?

Was soll man von den Distan­zie­run­gen der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reichs hal­ten, wenn einer der maß­geb­li­chen Akti­vis­ten, Mar­tin S., den Fun­ken in Vide­os aus sei­nem Wohn­zim­mer bewirbt?

Oder wenn die Wie­ner Grup­pe der Iden­ti­tä­ren und Patrick L., eben­falls ein Akti­vist, ganz offen den Fun­ken bewirbt?

Patrick L. war Gast beim Ulrichs­berg­tref­fen und bis zumin­des­tens 2011 noch als Bur­schen­schaf­ter der VDSt zu Graz (Ver­ei­ne Deut­scher Stu­den­ten) aktiv.

Eben­falls hat „Der Fun­ke“ sein Ver­hält­nis zur Gewalt deut­lich benannt:

Die ein­zi­ge Hoff­nung für Euro­pa ist eine brei­te iden­ti­tä­re Bewe­gung, die den ideo­lo­gi­schen Mief aus­mis­tet und eine Rück­kehr zu ech­ten Wer­ten, zu ech­ter Volks­herr­schaft, Gemein­schaft und Frei­heit mög­lich macht. Die­ser Schritt stellt eine tota­le Revo­lu­ti­on gegen die herr­schen­de uni­ver­sa­lis­tisch-bour­geoi­se Ideo­lo­gie dar. Die­ser Schritt geschieht jedoch im Namen tra­di­tio­nel­ler Wer­te und eines unver­gäng­li­chen Erbes. Er ist eine kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on, wel­che die Gewalt nicht scheut, die aber einer gerech­ten, gro­ßen Poli­tik zu neu­er Macht ver­hel­fen will.

Das Iden­ti­tä­re Forum ist zudem sehr auf­schluß­reich, zeigt es doch die inter­nen Dis­kus­sio­nen. Auf­fal­lend ist auch die Lie­be für die ger­ma­ni­sche Ideo­lo­gie oder auch der sehr ein­deu­ti­gen Zah­len­kom­bi­na­ti­on “88”:

Offen zei­gen die Iden­ti­tä­ren Öster­reich ihre rechts­extre­me Ideo­lo­gie auch, wenn sie bei der Namens­ge­bung einer inter­nen Face­book-Grup­pe auf Alex­an­der Gel­je­witsch Dugin ver­wei­sen. Dugin ist ein extre­mer rus­si­scher Natio­na­list, Neo­fa­schist und Anti­se­mit. Admi­nis­tra­tor der Grup­pe, die sich auf einen Ras­sis­ten bezieht, ist Mar­tin S., ande­re Mit­glie­der sind der Spre­cher der Iden­ti­tä­ren, Alex­an­der M., der schon erwähn­te Patrick L.

Eben­falls zu die­ser Grup­pe gehört Edwin H. ali­as Frund­s­berg über des­sen Akti­vi­tä­ten im Alpen-Donau Forum wir schon berich­te­ten. Außer­dem ist er im RJF sowie einer Bur­schen­schaft aktiv.

Aber blei­ben wir noch kurz bei den Distan­zie­run­gen der Iden­ti­tä­ren. Was ist z.B. von den Distan­zie­run­gen zu Wolf­gang L. zu hal­ten, wenn Mar­tin S., einer der Füh­rungs­per­so­nen der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reich gemein­sam mit Wolf­gang L. beim Geden­ken an den Nazi-Flie­ger Wal­ter Nowot­ny 2009 marschiert?


Links Mar­tin S., rechts Wolf­gang L., Quel­le: kuesselskameraden.blogsport.eu

Wolf­gang L. hat im so genann­ten “Freie Freunde”-Forum, sich über den effek­ti­ven Bau von Auto­bom­ben unterhalten.


„Sowi­lo” über den Bau von „net­ten Auto­bom­ben” und sei­ne Fra­gen zu Spreng­stoff und Kon­tak­te nach Sachsen

Aber Wolf­gang L. ist nicht der ein­zi­ge Bekann­te von Mar­tin S.. Ein ande­rer ist Nor­bert B., betei­ligt an der Neo­na­zi-Demons­tra­ti­on in Dres­den 2009. Am 2. Mai 2010 ver­öf­fent­lich­te Küs­sels “alpen-donau.info” einen Bei­trag und ein Foto über eine Pla­kat­ak­ti­on der (alpen-donau.info zure­chen­ba­ren) Neo­na­zi­grup­pe Natio­na­ler Wider­stand in Wien bei ver­schie­de­nen AMS-Zweig­stel­len. Foren­si­sche Ana­ly­sen des Fotos erga­ben, dass Nor­bert B. ent­we­der direkt oder indi­rekt an der Akti­on betei­ligt war.

Bereits 2008 nah­men Mar­tin S. Und Nor­bert B. gemein­sam an einer Pro-Iran-Kund­ge­bung teil:


Links: Nor­bert B., Drit­ter von links: Mar­tin S.; Quel­le juedische.at

Nor­bert B. spielt und spiel­te in der NS-Sze­ne zwar immer nur eine unbe­deu­ten­de Rol­le. Anders bei Gott­fried Küs­sel: Nicht oft genug kön­nen wir auf Mar­tin S. ver­gan­ge­nen Nähe zur Füh­rungs­ebe­ne der Neo­na­zi-Bewe­gung in Öster­reich hin­wei­sen. Mit­ten zwi­schen Gott­fried Küs­sel, Felix B. (bei­de ver­ur­teilt auf­grund der neo­na­zis­ti­schen Web­site “alpen.donau.info”). und dem enge­ren Zir­kel der öster­rei­chi­schen NS-Sze­ne, mar­schier­te Mar­tin S. beim Nowot­ny-Geden­ken 2008.


Mar­tin S., mit­ten unter Neo­na­zi-Kader um Gott­fried Küs­sel, Quel­le: kuesselskameraden.blogsport.eu (Mar­kie­run­gen im Bild durch SdR)

Aber nicht nur Mar­tin S. ist das Pro­blem, wir berich­te­ten schon über Juli­an B., der am 8. Mai mit sei­nen Bur­schen­schaf­ter-Kame­ra­den trau­er­te. Oder Mar­kus W., eben­falls ein Akti­vist der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung und Autor meh­rer ver­stö­ren­der Bücher, betei­lig­te sich im Novem­ber 2013 in Ant­wer­pen (Bel­gi­en) an einen Kon­gress der radi­kal-natio­na­lis­ti­schen NSV! — Natio­na­lis­ti­sche Stu­den­ten­Ver­eni­ging. Teil­neh­men­de Grup­pen waren u.a. die faschis­ti­sche Casa­Pound, die auch im Kon­takt mit dem Der Fun­ken steht und die Jun­gen Natio­na­lis­ten, die Jugend­be­we­gung der NPD.

Beschäf­ti­gen wir uns aber jetzt mit dem Spre­cher, Obmann der IBÖ und Lan­des­lei­ter von Wien, Alex­an­der M.. Die Iden­ti­tä­ren geben sich ger­ne als neue Rech­te, als unbef­age­ne, locke­re Bewe­gung – stimmt das aber so?

Burschenschaftlicher FPÖ-Kader als Sprecher der Identitären?

Fakt ist: 2010 nahm Alex­an­der M., damals noch bei der pen­na­len Bur­schen­schaft Van­da­lia, also Bur­schen­schaft des Heinz-Chris­ti­an Stra­che, beim Toten­ge­den­ken am 8. Mai teil. Danach war M. bei der ein­schlä­gig bekann­ten Bur­schen­schaft Olym­pia aktiv. Die Bur­schen­schaft Olym­pia hat Nazi-Bar­den Micha­el Mül­ler ein­ge­la­den, der durch die Umdich­tung des Schla­gers von Udo Jür­gens „Mit 66 Jah­ren” bekannt gewor­den ist. Bei ihm heißt es: „Mit 6 Mil­lio­nen Juden, da fängt der Spaß erst an, bis 6 Mil­lio­nen Juden da bleibt der Ofen an.”

2010 fand sich Alex­an­der M. auf einer Kan­di­da­tIn­nen­lis­te der FPÖ wie­der. Beson­ders erfolg­reich war sei­ne Kan­di­da­tur nicht, eine Vor­zugs­stim­me bekam der Obmann der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Öster­reichs nicht.

Die Iden­ti­tä­ren sind kei­ne moder­ne, unkon­ven­tio­nel­le Bewe­gung, son­dern eine straff orga­ni­sier­te rechts­extre­me Grup­pie­rung. Ein wesent­li­cher Teil der Akti­vis­ten sind Mit­glie­der bei Bur­schen­schaf­ten. Vor allem der Gra­zer Teil ist mit der Armi­nia Czer­no­witz eng ver­bun­den. Es gibt star­ke Hin­wei­se, dass die Iden­ti­tä­re Bewe­gung Graz in den Räum­lich­kei­ten der Armi­nia Czer­no­witz Bas­tel­stun­den ver­an­stal­te­ten. Die Armi­na Czer­no­witz ist jene Bur­schen­schaft, die 2010 einen Vor­trags­abend mit dem Anti­se­mi­ten Richard Melisch ver­an­stal­te­te und dafür mit einer Ein­la­dungs­kar­te warb, die ein kaum ver­än­der­tes Nazi-Sujet zeigte.


Ori­gi­nal­su­jet eines Pla­ka­tes der NSDAP und Fly­er eines Vor­tra­ges der Armi­nia Czernowitz

➡️ Teil 2: Inter­na­tio­na­le Nazi-Mobi­li­sie­rung zur iden­ti­tä­ren Demonstration