Lesezeit: 2 Minuten

Verfassungsschutzbericht 2012 (II): Deutlicher Rechtsruck oder Entspannung?

Mit sei­ner Anmer­kung zur Ver­brei­tung von rechts­extre­men Ver­hal­tens­wei­sen und Akti­vi­tä­ten bis in die Mit­te der Gesell­schaft lässt der Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2012 kurz auf­hor­chen, greift das hoch­sen­si­ble The­ma aber in der Fol­ge nicht wei­ter an. Übrig blei­ben Medi­en – Schlag­zei­len von der „gewalt­be­rei­ten Isla­­mis­­ten-Sze­­ne“ und vom „Rück­gang bei Links- und Rechts­extre­mis­mus“. Zwi­schen den Zei­len kann man aus […]

14. Jul 2012

Zwi­schen den Zei­len kann man aus dem Bericht aber durch­aus mehr herauslesen:

Die hohe Zahl von offen­sicht­lich nicht ideo­lo­gisch moti­vier­ten Täte­rin­nen und Tätern lässt auf einen Man­gel an Sen­si­bi­li­tät in gewis­sen Bevöl­ke­rungs­krei­sen schlie­ßen. Die Ver­ant­wor­tung dafür geht weit über die prä­ven­ti­ven Mög­lich­kei­ten der Sicher­heits­be­hör­den hin­aus. Lösungs­fin­dun­gen zu einem gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Pro­blem bedür­fen des Zusam­men­wir­kens aller Gesell­schafts­be­rei­che und aller demo­kra­ti­schen Kräf­te. (S. 15)

Ver­ges­sen wir die pro­ble­ma­ti­sche Zuord­nung von „ideo­lo­gisch“ und den angeb­li­chen Man­gel an Sen­si­bi­li­tät „in gewis­sen Bevöl­ke­rungs­krei­sen“. Die Fol­ge­rung des Berichts, dass mehr not­wen­dig ist als Ver­fas­sungs­schutz bzw. Exe­ku­ti­ve zu leis­ten ver­mö­gen, ist den­noch rich­tig. War da eine Emp­feh­lung für mehr Jugend‑,Kultur‑, Bil­dungs- und Sozi­al­ar­beit her­aus­zu­hö­ren? Die trau­en sich die Ver­fas­sungs­schüt­ze­rIn­nen nicht abzu­ge­ben, dabei wäre sie drin­gend notwendig.

Par­al­lel zum Ver­fas­sungs­schutz­be­richt erschien im „Fal­ter“ Nr. 27/12 (Stei­er­mark-Bei­la­ge) ein Bei­trag zum The­ma „Was tun Stadt und Land gegen Rechts­extre­mis­mus?“ Die Zeit­schrift berich­tet über den Besuch eines Jugend­kul­tur­ar­bei­ters an Schu­len, über sei­ne Gesprä­che dort mit den Schü­le­rIn­nen über Musik: „Als er wei­te­re Songs mit extre­men Tex­ten anspielt und vie­le Schü­ler die­se ken­nen, wird schlag­ar­tig klar, was er meint, wenn er sagt: ‚Es hat ein deut­li­cher Rechts­ruck statt­ge­fun­den’“ (Fal­ter Nr. 27/12)


NS-Schmie­re­rei in Wie­ner Straßenbahn

Beob­ach­tun­gen wie die­se wer­den etwa auch von den Exper­tIn­nen des DÖW geteilt: Rechts­rock mit wüs­ten anti­se­mi­ti­schen, ras­sis­ti­schen und natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bezü­gen, aber auch „bloß“ sexis­ti­sche und homo­pho­be Tex­te eini­ger Rap­per sind weit ver­brei­tet unter Jugend­li­chen. Ansprech­part­ner gibt es fast kei­ne, weder in den Schu­len noch außerhalb.

In Graz wur­de – befris­tet für zwei Jah­re – eine Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le für die Stei­er­mark ein­ge­rich­tet: „Dass die Stel­le benö­tigt wird, beweist ein Blick auf die Zah­len: 433 ras­sis­ti­sche und frem­den­feind­li­che Vor­fäl­le ver­zeich­ne­te die Anti­ras­sis­mus-Hot­line im Vor­jahr, drei Fäl­le von Kör­per­ver­let­zun­gen mit ras­sis­ti­schem Hin­ter­grund sind der­zeit gerichts­an­hän­gig“, schreibt der „Fal­ter“ in sei­nem Beitrag.

In ande­ren Bun­des­län­dern wie etwa Ober­ös­ter­reich wer­den dis­kus­si­ons­wür­di­ge Vor­schlä­ge nach wie vor abge­schmet­tert, obwohl eine Stu­die im Auf­trag der Lan­des­re­gie­rung den drin­gen­den Hand­lungs­be­darf offenlegt.

Der Bericht des Ver­fas­sungs­schut­zes bie­tet da auch wenig Kon­kre­ti­sie­rung: kei­ne Hin­wei­se auf die Ver­brei­tung von Rechts­rock oder auf ein­schlä­gi­ge Kon­zer­te, nichts zu der in man­chen Fuß­ball-Klubs ver­an­ker­ten neo­na­zis­tisch ori­en­tier­ten Fan-Szene.

Gibt es nun den auch im Bericht (sie­he Teil I) ange­deu­te­ten Rechts­ruck oder einen Rück­gang rechts­extre­mer Akti­vi­tä­ten? Der Bericht bleibt unein­deu­tig. Ver­mut­lich ist genau das der Auf­trag des Verfassungsschutzes.

➡️ Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2012 (I): In der Mit­te liegt das Problem!