Thiazi abgebrannt – kommt Ragnarök?

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In der ger­ma­ni­schen Mytho­lo­gie lie­fert sich der Rie­se Thia­zi, der sich in einen Adler ver­wan­del­te, eine wil­de Ver­fol­gungs­jagd mit Loki, um die „Äpfel der Jugend“ der Göt­tin Idun. Über den Mau­ern Asgards ver­bren­nen die Göt­ter und Göt­tin­nen die Flü­gel Thia­zis, wor­auf die­ser stirbt. Mit Göt­tern und Göt­tin­nen, Rie­sen, Äpfeln der Jugend, Adlern und Ver­fol­gungs­jag­den kann die deut­sche Poli­zei sel­ten die­nen, aber die Aus­wir­kun­gen der ganz rea­len Haus­durch­su­chun­gen könn­ten der Anfang vom Ende sein. Mit­ten im Som­mer kün­digt sich der Win­ter von Rag­na­r­ök, der ger­ma­ni­sche Welt­un­ter­gang, an.

Am 14.6.2012 um 11 Uhr gab das Bun­des­kri­mi­nal­amt (BKA) Deutsch­land bekannt, dass seit den frü­hen Mor­gen­stun­den eine bun­des­wei­te Haus­durch­su­chungs­wel­le gegen Betrei­be­rIn­nen und Use­rIn­nen des Neo­na­zi-Forums thiazi.net statt­fin­det. Die „Ger­ma­ni­sche Welt­netz­ge­mein­schaft“ war das größ­te Forum von Neo­na­zis im deutsch­spra­chi­gen Raum. Rund 25.000 Per­so­nen waren als Use­rIn­nen regis­triert, tausch­ten sich in über 600 Dis­kus­si­ons­run­den aus und konn­ten von thiazi.net tau­sen­de Lied­tex­te aus der Nazi-Sze­ne herunterladen.

„Die Schwer­punk­te der Durch­su­chun­gen von 24 Woh­nun­gen und Geschäfts­räu­men lie­gen in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Baden-Würt­tem­berg. Wei­te­re Durch­su­chun­gen fin­den in Nie­der­sach­sen, Bay­ern, Bran­den­burg, Ber­lin, Sach­sen-Anhalt, Nord­rhein-West­fa­len, Sach­sen, Rhein­land-Pfalz und Thü­rin­gen statt. Zeit­gleich wird auch eine Woh­nung in Groß­bri­tan­ni­en durch­sucht“, berich­tet das Bundeskriminalamt.

Neben dem Vor­wurf der Ver­brei­tung von mehr als 2.400 Lie­der­tex­ten und mehr als 1.400 Ton­trä­gern mit anti­se­mi­ti­schen, ras­sis­ti­schen und holo­caust­leug­nen­den Inhal­ten durch 26 Per­so­nen wur­de ein Haft­be­fehl gegen vier Per­so­nen voll­streckt. Das BKA teilt wei­ters mit, dass die Haupt­be­schul­dig­ten „der seit 2009 andau­ern­den Ermitt­lun­gen“ ein „30-jäh­ri­ger Erzie­her sowie eine 30-jäh­ri­ge Haus­frau und Mut­ter“ sind, „die seit Jah­ren Ver­ant­wort­li­che des ‚Thiazi’-Forums sein sol­len“.


Nie­der­bay­ri­sches Thia­zi-Tref­fen, „Thia­zi” ist ver­schwun­den, die Use­rIn­nen wün­schen sich das in die­sem Moment auch

Vor zwei Jah­ren hat die Auto­no­me Anti­fa Frei­burg nicht nur eine der wich­tigs­ten Per­so­nen von „Thia­zi”, die Mode­ra­to­rin Eni­bas, als Sabi­ne R. geoutet, son­dern auch das Natio­nal­so­zia­lis­ten Pri­vat­fo­rum (NSPF) mit dem kom­plet­ten Inhalt ins Netz gestellt. Bei Eni­bas klopf­te in der Fol­ge dann die Poli­zei an. Sabi­ne R. — wie vie­le ande­re auf „Thia­zi” beken­nen­de Natio­nal­so­zia­lis­tin – war in ihrem „Pri­vat­le­ben“ nicht nur Mit­glied eines Eltern­bei­rats, son­dern als Mut­ter von zehn Kin­dern auch gern gese­he­ner Gast bei Talk-Shows über Groß­fa­mi­li­en. Ihre bür­ger­li­che Tar­nung recht­fer­tig­te sie damals so: „Ich glau­be, nie­mand wür­de mich mehr in den Eltern­bei­rat (…) wäh­len, wenn ich in der NPD wäre. Dann täte man mich als ‚bösen Nazi’ abstem­peln und nie­mand wür­de mir zuhö­ren. (…) Wir müs­sen nun schmieg­sam und anpas­sungs­fä­hig sein’ — wie es unser Füh­rer so ergrei­fend sag­te.” Wie Spiegel.online berich­tet, dürf­te Sabi­ne R. bei der aktu­el­len Raz­zia neu­er­lich heim­ge­sucht wor­den sein.

Über die Raz­zia wur­de zunächst noch im Forum von thiazi.net berich­tet, dann ging die Welt­netz­ge­mein­schaft – zumin­dest vor­über­ge­hend – unter. Auch für die öster­rei­chi­schen Neo­na­zis han­delt es sich dabei um einen schwe­ren Rück­schlag. Nach der Zer­schla­gung des Alpen-Donau/Mur-Neo­na­zi-Netz­wer­kes ver­liert die öster­rei­chi­sche Neo­na­zis-Sze­ne ihr wich­tigs­tes Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel. Weit mehr als 100 öster­rei­chi­sche akti­ve Thia­zi-Use­rIn­nen konn­ten wir im Lau­fe der Zeit verfolgen.


Eine nur sehr klei­ne Aus­wahl der eher unbe­deu­ten­de­ren öster­rei­chi­schen „Thiazi”-UserInnen

Auf „Thia­zi” wur­de alpen-donau.info ange­kün­digt, im Natio­nal­so­zia­lis­ten Pri­vat­fo­rum (NSPF) durf­te eine exklu­si­ve Run­de von öster­rei­chi­schen und deut­schen Neo­na­zis über NS-Ideo­lo­gie, NS-Geschich­te und den Auf­bau von NS-Struk­tu­ren plau­dern, auf „Thia­zi” wur­de auch über die FPÖ diskutiert.

"NS-Freund" zum Wahlerfolg der FPÖ: "Ja ich hoffe das in der Steiermark auch die FPÖ so einen gewaltigen Sprung nach oben macht wie in Vorarlberg und Oberösterreich, Steirer erwachet !! 88."

„NS-Freund” zum Wahl­er­folg der FPÖ: „Ja ich hof­fe das in der Stei­er­mark auch die FPÖ so einen gewal­ti­gen Sprung nach oben macht wie in Vor­arl­berg und Ober­ös­ter­reich, Stei­rer erwa­chet !! 88.”

Und Prinz Eugen und Eis­pi­ckel bespra­chen auf Thia­zi öffent­lich den Angriff gegen Ex-Bun­des­rat Albrecht Kon­ec­ny. User Pres­se­DO­KUx infor­mier­te die „Thiazi”-LeserInnen über lau­fen­de Pro­zes­se gegen Neo­na­zis und ver­such­te sich ziem­lich erbärm­lich als Anti­An­ti­fa-Doku­men­tie­rer.

Erin­nern wir uns kurz an alpen-donau.info: Die SOKO („Alpen-Donau“) REXNET arbei­te­te im Zusam­men­hang mit der Dro­hung auf Alpen-Donau gegen die Natio­nal­rats­prä­si­den­tin Bar­ba­ra Pram­mer mit dem FBI zusam­men. Dadurch erlang­ten die öster­rei­chi­schen Behör­den die Zugangs­da­ten von „Alpen-Donau“, es war nur noch eine Fra­ge der Zeit bis das Neo­na­zi-Netz­werk zer­schla­gen wur­de. Thiazi.net liegt auch (noch) auf dem Ser­ver Dre­am­host — wie alpen-donau.info.

Auf dem Neo­na­zi-Info­por­tal Alter­me­dia wird zurecht Schlimms­tes befürch­tet. So schreibt der User Leve Had­den: „Hof­fent­lich haben die Ermitt­lungs­be­hör­den kei­nen Zugriff auf die Zugangs­da­ten bekom­men. Es besteht auch die Mög­lich­keit daß die Sei­te, wie es damals bei Alpen-Donau der Fall war, durch den Hos­ter abge­schal­tet wurde.“


Die Fra­ge ist zwar berech­tigt, sie kommt aber zu spät

Soll­te es den Ermitt­lern gelun­gen sein, alle Regis­trie­rungs­da­ten, Pass­wör­ter und Codes von „Thiazi”-UserInnen sicher­zu­stel­len, könn­ten zumin­dest jene öster­rei­chi­schen Neo­na­zis, die über das Por­tal ihre Bekennt­nis­se zum Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­brei­tet oder Het­ze und Dro­hun­gen abge­setzt haben, end­lich der über­fäl­li­gen straf­recht­li­chen Abklä­rung zuge­führt werden.

Nach der größ­ten Nie­der­la­gen-Serie seit 1945 für die Nazis (unter ande­rem wur­den 2011 die ehe­ma­li­gen Admi­nis­tra­to­ren von Alter­me­dia zu Haft­stra­fen ver­ur­teilt, die jet­zi­ge Sei­te „Alter­me­dia“ ist nur noch ein schwa­ches Abbild ver­gan­ge­ner Zei­ten, „Alpen-Donau“ und jetzt „Thia­zi“ kom­ple­men­tie­ren das Bild), wis­sen sich die ver­un­si­cher­ten Welt­netz-Kame­ra­den nicht mehr anders zu hel­fen und beschwö­ren gegen­sei­tig ihre Gewalt­be­reit­schaft. So schreibt Kom­man­do West auf „Alter­me­dia”: „Die­se Aktio­nen haben nur zur Fol­ge dass es in den Unter­grund geht … Der NW [Natio­na­le Wider­stand, Anmk. SdR] ist dem nicht wehr­los ausgeliefert.“


Neben den übli­chen Dro­hun­gen pas­sie­ren in der all­ge­mei­nen Panik auch klei­ne Hop­pa­las auf „Alter­me­dia”, die für MIt­le­sen­de inter­es­san­te Infos beherbergen