Nach Thiazi brennt nun der Hut

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Die Raz­zia gegen das Neo­na­zi-Forum „Thia­zi” zeigt ihre ers­te Wir­kung. Nicht nur, dass das Forum seit ges­tern nicht mehr erreich­bar ist und die mut­maß­li­chen Draht­zie­her in U‑Haft sit­zen, auch die Ver­un­si­che­rung in der Neo­na­zi-Sze­ne ist groß.

Am 14. Juni 2012 durch­such­ten an die 250 Poli­zis­tIn­nen 24 Woh­nun­gen und Geschäfts­räu­me in ganz Deutsch­land und Groß­bri­tan­ni­en. Die Schwer­punk­te waren Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Baden-Würt­tem­berg. Den ins­ge­samt 26 Beschul­dig­ten wird ange­las­tet, mehr als 2 400 Lied­tex­te und mehr als 1 400 Ton­trä­ger zum Down­load ange­bo­ten zu haben, die in mehr­fa­cher Wei­se den Straf­tat­be­stand der Volks­ver­het­zung erfül­len. Gegen vier Beschul­dig­te lagen Haft­be­feh­le vor. Laut einem Spre­cher der Staats­an­walt­schaft Ros­tock, die wegen des Ver­dachts der Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung ermit­telt, ist unter den Beschul­dig­ten ein füh­ren­des NPD-Mit­glied. (Quel­le: wikipedia.org)

„Fast perfektes Doppelleben”

Blick nach Rechts (BNR) berich­tet über die Ver­haf­tun­gen, im Zuge der Raz­zia gegen „Thia­zi”. Einer der mut­maß­li­chen Betrei­ber ist Klaus R. aus dem meck­len­burg-vor­pom­mer­schen Barth, der unter dem Pseud­onym „WPMP3” im Forum auf­trat. „Dem 30-jäh­ri­gen Erzie­her, der sich stets dar­um bemüht hat­te, nicht auf­zu­flie­gen, wird die Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung vor­ge­wor­fen, unter ande­rem soll unter sei­ner Obhut zu gewalt­tä­ti­gen Über­grif­fen auf­ge­ru­fen wor­den sein. R. selbst pfleg­te sein Fai­ble für das Drit­te Reich”, so BNR.


Klaus R.
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Erneut betrof­fen war nach Spie­gel-online Sabi­ne R., die vor zwei Jah­ren von der Auto­no­me Anti­fa Frei­burg als „Thiazi”-Moderatorin Eni­bas geoutet wur­de. „Getrof­fen haben könn­te es auch eine wei­te­re Mode­ra­to­rin mit dem Nick­na­me „Pro­me­theus­fun­ke“ aus Rhein­land-Pfalz. Nach Recher­chen der Auto­no­men Anti­fa Frei­burg von 2009 ver­birgt sich hin­ter „Pro­me­theus­fun­ke“ eine Erzie­he­rin, die sogar eine Kin­der­ta­ges­stät­te lei­ten soll. Als Tech­ni­ke­rin von „Thia­zi“ wur­de ges­tern eine 30-jäh­ri­ge Haus­frau und Mut­ter in Unter­ei­sesheim bei Heil­bronn ver­haf­tet. Im vir­tu­el­len Leben nann­te sie sich „Fjör­gyn“”, so Blick nach Rechts.

bnr.de — Fast per­fek­tes Doppelleben
spiegel.de — Nazis offline

Nach Thiazi brennt nun der Hut

Ist es in der ger­ma­ni­schen Mytho­lo­gie der Rie­se Thia­zi der — als Adler ver­wan­delt — lich­ter­loh brennt, brennt bei den Neo­na­zis offen­bar der Hut. Die Ver­un­si­che­rung in den ver­blie­be­nen Neo­na­zi-Foren ist groß: Haupt­the­men sind, ob „Thia­zi” die IP-Adres­sen gespei­chert hat und ob die deut­schen Behör­den jetzt im Besitz aller Pass­wör­ter sind.

Und tat­säch­lich gibt es vie­le Gemein­sam­kei­ten zu „Alpen-Donau”. Die öster­rei­chi­schen Behör­den hat­ten ab dem Jahr 2010 vol­len Zugriff auf die Web­sei­te und das Forum der Neo­na­zis von alpen-donau.info. Sie konn­ten nicht nur in den inter­nen Foren mit­le­sen, son­dern kann­ten auch die IP-Adres­sen der Forums-Teil­nehm­ne­rIn­nen. Der Ser­ver Dre­am­host stell­te dem FBI die Zugangs­da­ten von „Alpen-Donau” zu Ver­fü­gung, nach dem es ein Rechts­hil­fe­er­su­chen der öster­rei­chi­schen Behör­den an das FBI gab. Grund war die Dro­hung vom 7. Okto­ber 2009 gegen die Natio­nal­rats­prä­si­den­tin Bar­ab­a­ra Pram­mer auf der Sei­te alpen-donau.info.


Die Dro­hung gegen Natio­nal­rats­prä­si­den­tin Bar­ab­a­ra Prammer
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Auch thiazi.net war auf den Ser­vern von Dre­am­host zu fin­den und auch im Forum von „Thia­zi” wur­den regel­mä­ßig kon­kre­te Dro­hun­gen aus­ge­spro­chen, unge­zählt die Bei­trä­ge wo dazu auf­ge­ru­fen wur­de Poli­ti­ke­rIn­nen auf­zu­hän­gen oder die Dro­hun­gen gegen Juden und Jüdin­nen und Immi­gran­tIn­nen beinhal­te­ten. So sind die Befürch­tun­gen inner­halb der Neo­na­zi-Sze­ne durch­aus berech­tigt. Das suh­len in der eige­nen Gewalt­pro­pa­gan­da zeigt sei­nen Preis. Doch sie wer­den nicht klü­ger, nur weni­ge Stun­den nach der Raz­zia müs­sen sie — wie der Skor­pi­on in der Fabel — ihre Gewalt­fan­ta­sien öffent­lich machen, zum Bei­spiel in den Kom­men­ta­ren des Neo­na­zi-Info­por­tal „Alter­me­dia”:

Aber auch für die öster­rei­chi­schen Kame­ra­den könn­te es eng wer­den. Selbst­ver­liebt von ihrem eige­nen Tun, haben sie jeden Sinn von Vor­sicht ver­lo­ren. Auf „Thia­zi” dis­ku­tier­ten zwei öster­rei­chi­sche User, näm­lich der amts­be­kann­te Neo­na­zi Prinz Eugen und Eis­pi­ckel, über den Angriff auf den ehe­ma­li­gen Ex-Bun­des­rat Albrecht Kon­ec­ny. Zuvor kün­dig­te Prinz Eugen noch den Angriff an: „Wehr­haft ist man nicht nur auf Knei­pe und Men­sur. Die Akti­vi­tas aller Bün­de wäre gut bera­ten den paar Zecken ein­fach ordent­lich aufs Maul zu schla­gen. Tan­zen kön­nen wir danach.”

Danach kom­men­tiert Prinz Eugen den Bericht über die Schlag­ring-Atta­cke auf Albrecht Kon­ec­ny mit der Fra­ge an den User Eis­pi­ckel: „Hast du dich an der alten roten Sau ver­grif­fen?“ Eis­pi­ckel ant­wor­tet: “Nein, ich wars dies­mal nicht, aber weiß, wers war. Du kennst ihn auch. Bekommst PN. Gut getrof­fen hat er. Wie war das Tan­zen, sah dich nacher nicht mehr?“. So haben wir und auch die SPÖ damals die Dis­kus­si­on auf Thia­zi zitiert. Was nicht zitiert wur­de war der fol­gen­de auf­schluss­rei­che Satz von Eis­pi­ckel: „Der Kon­ec­ny hat gspritzt wie die Sau.”

Was geschah danach? Eis­pi­ckel, schein­bar nicht einer der klügs­ten Neo­na­zis, mach­te auf den Feh­ler auf­merk­sam: „Wie­so wei­gern sich die eigent­lich immer alle wahr­heits­ge­mäß zu schrei­ben, daß Kon­ec­ny wie die Sau rum­spritz­te?” und „Nö, mich ärgerts nur, daß die die Sau nicht Sau nen­nen, und daß die auch nicht sagen, daß die alte Sau mit sei­nem rum­ge­saft­le den Geh­steig ver­sau­te.”. Eis­pi­ckel bestä­tigt also mehr­mals sein Täterwissen.

Und als wür­de das nicht rei­chen, legt Eis­pi­ckel noch­mals nach. Er pos­tet ein You­Tube-Video der rechts­extre­mis­ti­schen Band „Death in June” mit dem Titel „All Pigs Must Die”.

Wür­den die Ermitt­lun­gen gegen „Thia­zi” nicht schon seit 2009 lau­fen, dann wären sol­che Pos­tings der Grund für ein Rechts­hil­fe­er­su­chen an US-ame­ri­ka­ni­sche Behör­den. Die „Ger­ma­ni­sche Welt­netz­ge­mein­schaft” kann sich bei Prinz Eugen, Eis­pi­ckel und all den Ande­ren bedan­ken, die ihre Gewalt­fan­ta­sien nicht unter Kon­trol­le haben bzw. ihre Gewalt­be­reit­schaft öffent­lich dar­stel­len müssen.

Um mytho­lo­gisch zu blei­ben: Die „Kame­ra­dIn­nen” müs­sen sich mit­ten im Som­mer warm anzie­hen, der Fim­bul­win­ter steht vor der Tür.

„Strategiewechsel im Internet”

Patrick Gen­sing von tageschau.de ana­ly­siert, dass nach „Hacker-Angrif­fe, Raz­zi­en, Haft­stra­fen”, vie­le neo­na­zis­ti­sche Inter­net-Sei­ten unter Druck ste­hen. „Daher wächst auch für die Rechts­extre­men die Bedeu­tung von sozia­len Netz­wer­ken.”.

Nach Bekannt­wer­den der NSU-Ter­ror­se­rie neh­men die Sicher­heits­be­hör­den die Gewalt­pro­pa­gan­da der Neo­na­zis im Inter­net erns­ter, „das brau­ne „Welt­netz” hat in den ver­gan­ge­nen Mona­ten erfah­ren müs­sen, dass Neo­na­zi-Pro­pa­gan­da nicht wider­spruchs­los hin­ge­nom­men wird — auch nicht im Inter­net”, so die „Tages­schau”. Und obwohl die Neo­na­zis zuneh­mend auf Schwie­rig­kei­ten im Inter­net tref­fen, ver­schärft sich para­do­xer Wei­se dadurch die Gefahr des Rechts­extre­mis­mus im Inter­net. Neo­na­zis wür­den ver­mehrt in den Netz­wer­ken der Social Media unter­tau­chen. So zitiert die „Tages­schau” den Jah­res­be­richt von Jugendschutz.net, wonach „die Zahl „jugend­schutz­re­le­van­ter Web­sites” leicht rück­läu­fig sei (1671, Vor­jahr: 1708)”, aber die rechts­extre­men Bei­trä­ge im Web 2.0 wei­ter zuneh­men. „So habe sich bei­spiels­wei­se die Zahl rechts­extre­mer Twit­ter-Accounts fast ver­vier­facht”.

Raz­zi­en gegen neo­na­zis­ti­sche Pro­jek­te kön­nen das Pro­blem „Rechts­extre­mis­mus” nicht lösen, da Neo­na­zis aus­wei­chen kön­nen. „Daher sind die Betrei­ber und Nut­zer der Netz­wer­ke gefragt. „Die Initia­ti­ve „Sozia­le Netz­wer­ke gegen Nazis” war die ers­te, die an die User der Netz­wer­ke appel­lier­te, rechts­extre­men Inhal­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten, aber auch die Betrei­ber in die Pflicht nahm. Zahl­rei­che Fir­men betei­lig­ten sich — nur Face­book fehl­te. Die Kam­pa­gne der Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung wur­de nun von „no-nazi.net” abge­löst, eine Sei­te, die sich vor allem an jugend­li­che Nut­zer wen­det und vom Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um unter­stützt wird,” so die „Tages­schau”.

tagesschau.de — Neo­na­zis wei­chen in sozia­le Netz­wer­ke aus