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Braunau (OÖ) Teil I: Hotspot der Neonazis

In Braunau/Inn hat Hit­ler nur weni­ge Mona­te sei­ner Kind­heit ver­bracht. Sein Geburts­haus ist aber nach wie vor Anzie­hungs­punkt für Neo­na­­zi-Pro­­zes­­sio­­nen und- Foto­ak­tio­nen. Die Stadt Brau­nau wehrt sich seit Jah­ren gegen ihre Attrak­ti­on in der rech­ten Sze­ne, die von nah und fern nach Brau­nau pil­gert, doch mitt­ler­wei­le hat sich in Brau­nau und Umge­bung eine beacht­li­che Neonazi-Szene […]

27. Feb 2012
Podgorschek, Küssel, Magnet, Budin beim Palm-Gedenken 2006 Braunau
Podgorschek, Küssel, Magnet, Budin beim Palm-Gedenken 2006 Braunau

Hit­ler beginnt sein Hetz­buch „Mein Kampf“ mit den durch Hel­mut Qual­tin­gers Lesung bekann­ten Sät­zen: „Als glück­li­che Bestim­mung gilt es mir heu­te, dass das Schick­sal mir zum Geburts­ort gera­de Brau­nau am Inn zuwies. Liegt doch die­ses Städt­chen an der Gren­ze jener zwei deut­schen Staa­ten, deren Wie­der­ver­ei­ni­gung min­des­tens uns Jün­ge­ren als eine mit allen Mit­teln durch­zu­füh­ren­de Lebens­auf­ga­be erscheint!“

Heut­zu­ta­ge sind es nicht das „Schick­sal“ und „glück­li­che Bestim­mung“ , die Brau­nau so attrak­tiv machen in der Neo­na­zi-Sze­ne, son­dern neben der geo­gra­phi­schen Situ­ie­rung wohl auch die für die rech­te Sze­ne güns­ti­gen poli­ti­schen Ver­hält­nis­se „im Hei­mat­kreis des Füh­rers“. Die FPÖ kann dort (bzw. im gan­zen Inn­vier­tel) tra­di­tio­nell über dem ober­ös­ter­rei­chi­schen Durch­schnitt lie­gen­de Wahl­er­geb­nis­se ver­zeich­nen. 2009 erhielt die FPÖ bei den Land­tags­wah­len lan­des­weit 15,29 %, im Bezirk Brau­nau waren es 18,3 %.

Die FPÖ pflegt auch eine spe­zi­fi­sche Erin­ne­rungs­kul­tur, die in Brau­nau nicht nur mit dem Namen Hit­ler ver­bun­den wird, son­dern auch mit dem Nürn­ber­ger Buch­händ­ler Johann Palm, der in Brau­nau 1806 von napo­leo­ni­schen Trup­pen hin­ge­rich­tet wur­de, weil er ein gegen die fran­zö­si­schen Besat­zer gerich­te­tes Pam­phlet mit dem Titel „Deutsch­land in sei­ner tie­fen Ernied­ri­gung“ ver­öf­fent­licht hat­te. 2006 mar­schier­ten die ober­ös­ter­rei­chi­schen FPÖ-Gran­den gemein­sam mit Bur­schen­schaf­tern und Neo­na­zis in Brau­nau auf, um des 200. Todes­ta­ges von Palm zu geden­ken. Hit­ler hat­te Palm schon in den ers­ten Zei­len von „Mein Kampf“ ein Andenken gesetzt und Brau­nau, „die­ses unschein­ba­re Nest“ zum „von den Strah­len deut­schen Mär­ty­rer­tums ver­gol­de­ten Inn­städt­chen“ hochgejubelt.


200. Todes­tag von Palm: Elmar Pod­gor­schek gemein­sam mit Gott­fried Küs­sel und Felix Budin

Schon zuvor, in den 1990er-Jah­ren nutz­te der Neo­na­zi Karl Polacek, der 1992 nach einer lan­gen und gewalt­tä­ti­gen Kar­rie­re als Lan­des­vor­sit­zen­der der neo­na­zis­ti­schen FAP (Frei­heit­li­che Deut­sche Arbei­ter­par­tei) aus der BRD aus­ge­wie­sen wor­den war, Brau­nau für sei­ne Zwe­cke. Nach einem kur­zen Auf­ent­halt beim Salz­bur­ger Neo­na­zi Fritz Reb­handl sie­del­te sich Polacek in Schal­chen (Bezirk Brau­nau) an und bezog dort Sozi­al­hil­fe. Für sei­ne Neo­na­zi-Kampf­schrif­ten wähl­te er den bezie­hungs­rei­chen Titel „Brau­nau­er Aus­guck“. Der eigent­lich aus Wien stam­men­de Polacek, der im Gebiet zwi­schen Salz­burg und Brau­nau für die jun­ge Neo­na­zi-Sze­ne den Mythos des alten, erfah­re­nen Kämp­fers dar­stell­te, war sofort nach sei­ner Aus­wei­sung 1992 wie­der ein­schlä­gig aktiv gewor­den. Die Ermitt­lun­gen gegen ihn schlepp­ten sich aber bis zum Jahr 1999, wo dann end­lich ein Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess statt­fand und Polacek zu zwei Jah­ren Haft ver­ur­teilt wur­de. Polacek ent­zog sich der Haft durch Flucht und wur­de erst Ende 2001 in Grie­chen­land ver­haf­tet und nach Öster­reich aus­ge­lie­fert. Ob Polacek nach sei­ner Haft wie­der im Bezirk Brau­nau Unter­schlupf fand, ist unklar. Poli­tisch näher­te sich der mitt­ler­wei­le 76-Jäh­ri­ge jeden­falls den Frei­heit­li­chen an. 2005 kam er in einem von Andre­as Möl­zer her­aus­ge­ge­be­nen Buch als „Zeit­zeu­ge“ zu Wort, 2009 tauch­te er im Per­so­nen­ko­mi­tee von Andre­as Möl­zer als Unter­stüt­zer auf, bevor ihn Möl­zer, der ihn zwar als „Zeit­zeu­gen“ zu Wort kom­men ließ, aber von sei­ner Ver­gan­gen­heit nichts gewusst haben will, ihn aus der Unter­stüt­zer­lis­te strich.

Zurück zu Brau­nau: nicht nur Polacek ver­such­te den klang­vol­len Namen zu nut­zen, son­dern spä­ter auch der abge­half­ter­te Gene­ral­se­kre­tär der NVP, Robert Fal­ler, der sich eben­falls im Bezirk Brau­nau nie­der­ließ. Wesent­lich ent­schei­den­der ist, dass es seit 2008 einen Thor Stei­nar-Shop in Brau­nau (der­zeit der ein­zi­ge in Öster­reich) mit dem Namen „Wind­stär­ke 9“ gibt, der mitt­ler­wei­le fixer Bezugs­punkt der Nazi-Skins und Neo­na­zis in der Grenz­re­gi­on ist.

Buch­tipp: Flo­ri­an Schwan­nin­ger, Im Hei­mat­kreis des Füh­rers. Natio­nal­so­zia­lis­mus, Wie­der­stand und Ver­fol­gung im Bezirk Brau­nau 1938–1945. Edi­ti­on Geschich­te der Hei­mat, Ver­lag Franz Stein­maßl, Grün­bach 2005.

➡️ Braunau(OÖ): “Die Jungs aus der Hit­ler­stadt“ (II)
➡️ Brau­nau (OÖ): Zwi­schen­stopp beim feu­ri­gen RFJ (III)
➡️ Brau­nau (OÖ): Von den Brau­nen Brü­dern zu den Bier­büf­feln (IV)
➡️ Brau­nau (OÖ): SFK und „Paul­chen Pan­ther“ (V)