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Thor Steinar: Szenetypische Polizisten?

Es ist schon pein­lich genug, dass der öster­rei­chi­sche Ver­fas­sungs­schutz in sei­nem Bericht 2011 als sze­ne­ty­pi­sche Mar­ken für das neue Nazi-Out­­fit noch immer Fred Per­ry und Lons­da­le anführt und „die“ Kult­mar­ke der Rech­ten, „Thor Stei­nar“, ver­ges­sen hat. Oder wur­de sie gar nicht ver­ges­sen, son­dern ver­schwie­gen, weil vier öster­rei­chi­sche Poli­zei­be­am­te unter den ver­mut­li­chen Bestel­lern von „Thor Steinar“ […]

5. Jan 2012

Im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2011 (für das Jahr 2010) fin­det sich neben der Kapi­tel­be­schrei­bung „Pri­mi­ti­ver Rechts­extre­mis­mus“ fol­gen­de Szene-Charakterisierung:

Typi­sche Skin­hea­d­out­fits frü­he­rer Zei­ten (Glat­ze, Bom­ber­ja­cke etc.) sind nur mehr ver­ein­zelt oder in Aus­nah­me­fäl­len – z.B. bei gemein­sa­men Kon­zert­be­su­chen – anzu­tref­fen. Die bereits in den letz­ten Jah­ren sze­ne­ty­pi­schen sport­li­chen Klei­dungs­mar­ken (LONSDALE, CONSDAPLE, PITBULL, FRED PERRY etc.) wer­den wei­ter­hin bevor­zugt getragen.

Das ist nicht falsch, was die Mar­ken Con­sda­p­le und Pit­bull betrifft – es ist aber mitt­ler­wei­le ziem­lich dane­ben bei Fred Per­ry und Lons­da­le. Die bei­den Mar­ken bemü­hen sich seit Jah­ren, ihren Ruf in der Neo­na­zi-Sze­ne los­zu­wer­den. „Thor Stei­nar“ ist dage­gen die „unge­krön­te Lieb­lings­mar­ke der rechts­extre­men Sze­ne“ (Netz gegen Nazis). Dar­an hat bis­lang auch der Eigen­tü­mer­wech­sel zu einem ara­bi­schen Inves­tor wenig geän­dert- trotz ver­ein­zel­ter Boy­kott­auf­ru­fe von Neonazis.

„Thor Stei­nar“ scheint dem öster­rei­chi­schen Ver­fas­sungs­schutz nicht bekannt, obwohl es auch einen Ver­kaufs­la­den gibt: aus­ge­rech­net in Braunau/Inn. Der zwei­te hei­mi­sche Ver­kaufs­la­den in Schwaz wur­de im Früh­jahr geschlos­sen. Fast über­all, wo ein „Thor Steinar“-Laden auf­taucht, gibt es Wider­stand dage­gen: Räu­mungs­kla­gen wie in Brau­nau, Pro­tes­te von Anrai­nern in Schwaz („Schö­ner leben ohne Nazi-Läden“) und anders­wo. Der Inter­net-Händ­ler „Ama­zon“ hat Pro­duk­te von „Thor Stei­nar“ aus sei­nem Ange­bot nach Pro­tes­ten entfernt.

Der Ver­fas­sungs­schutz des Lan­des Bran­den­burg beschäf­tig­te sich in sei­nem Bericht 2007 aus­führ­lich mit „Thor Stei­nar“ und schreibt dazu:

Das in Zeesen (Dah­me-Spree­wald) ansäs­si­ge Unter­neh­men Media­tex GmbH pro­du­ziert die bei Rechts­extre­mis­ten hoch im Kurs ste­hen­de Mar­ke „Thor Stei­nar“. Das Sor­ti­ment der Fir­ma Media­tex kann als Bedie­nung völ­ki­scher Sym­bo­lik in Farb­ge­bung und Schrift­typ – etwa durch das Ver­wen­den von Tarn­far­ben und – mus­tern oder gedruck­ten Schrift­zü­gen in Runen­schrift – ver­stan­den wer­den. Auch gibt es Beklei­dungs­stü­cke mit mili­tä­ri­schen Remi­nis­zen­zen. (…) Das Tra­gen von „Thor Stei­nar“ dient als iden­ti­täts­stif­ten­des Erken­nungs­zei­chen unter Rechtsextremisten.

In einer Pres­se­mit­tei­lung wird der Ver­fas­sungs­schutz noch präziser:

Die­ses Spiel mit mehr oder weni­ger ver­hoh­le­nen Andeu­tun­gen an der Gren­ze zur Straf­bar­keit ist cha­rak­te­ris­tisch für das Sor­ti­ment der Fir­ma. Rechts­extre­mis­ten füh­len sich davon ange­spro­chen. Sie bezeich­nen die Fir­ma in Inter­net-Dis­kus­si­ons­fo­ren als „zur Bewe­gung gehö­rig”. Die Beklei­dung wer­de „nicht ohne Grund getra­gen. Im Zusam­men­hang mit straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen wur­de das ursprüng­li­che Thor-Stei­nar-Logo (Bin­de­ru­ne: Kom­bi­na­ti­on aus der Tiwaz und der Sowi­lo Rune) inzwi­schen aus dem Sor­ti­ment genom­men. Denn eini­ge Gerich­te prüf­ten eine Straf­bar­keit wegen des Ver­wen­dens von Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Orga­ni­sa­tio­nen, die Recht­spre­chung ist bis­lang noch nicht ein­heit­lich. Unter Rechts­extre­mis­ten gel­ten jedoch auch die neu­en Logos als iden­ti­täts­stif­ten­der Erkennungs-Code.

Der Ber­li­ner Poli­zei­prä­si­dent stell­te des­halb nach einem Vor­fall, bei dem ein Zivil­po­li­zist im Ein­satz „Thor Stei­nar“ trug, für die Ber­li­ner Poli­zei klar: „Ich dul­de es nicht, wenn im Dienst oder in der Frei­zeit Sachen getra­gen wer­den, die in der Öffent­lich­keit den Ein­druck erwe­cken, dass der Beam­te dem Rechts­extre­mis­mus nahesteht.“

Im Innen­mi­nis­te­ri­um in Wien sieht man den Umstand, dass vier Poli­zis­ten über ihre dienst­li­che Mail­adres­se mit „Thor Stei­nar“ in Bezie­hung ste­hen, völ­lig anders: Nicht jeder „Thor Steinar“-Kunde sei gleich ein Rechts­extre­mist, erklär­te die Spre­che­rin des Innen­mi­nis­te­ri­ums dem „Stan­dard“.

Na so ein Zufall! Gilt das auch dann noch, wenn der Poli­zist ein AUF-Per­so­nal­ver­tre­ter ist? Wie hält es das Innen­mi­nis­te­ri­um gene­rell mit Kon­tak­ten sei­ner Beam­ten zu rechts­extre­men oder neo­na­zis­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Ver­sand­händ­lern? Ist es auch mög­lich, als Poli­zist etwa mit Blood & Honour zu kom­mu­ni­zie­ren: pri­vat über die dienst­li­che Mail­adres­se? Fra­gen, die das Innen­mi­nis­te­ri­um dem­nächst wird beant­wor­ten müssen!

➡️ Nazi-Leaks (I): ein FP-Abge­ord­ne­ter und die Poli­zei dabei
➡️ Nazi-Leaks (III): Die kom­ple­xen Kun­den von Thor Steinar
➡️ Nazi-Leaks (IV): Die tri­via­len Kun­den von Odin