Mathias Venier, frischgebackener FPÖ-Abgeordneter, hat sich nach dem ersten nicht ganz gelungenen Erklärungsversuch auf die Angriffstaktik verlegt: Da braucht man nicht mehr erklären, wie und warum man einen Newsletter erhält, den man gar nicht bestellt hat. „Ich bekomme aber ihren Newsletter, wie auch von anderen derartigen Anbietern”, erklärt er zunächst dem Standard.
Wird er noch irgendwann erklären, von welchen anderen „derartigen“ Anbietern er mit Newslettern überschwemmt wird? Vermutlich nicht, denn mittlerweile ist ihm eingefallen, dass die ganze Aktion „der Versuch eines intoleranten und gegen Meinungs- und Gesinnungsfreiheit auftretenden linksextremen Netzwerkes“ (OTS-Aussendung der FPÖ) ist. Der tatsächliche Skandal liegt für ihn im Diebstahl elektronischer Daten und weil die Medien auch noch darüber berichten, beklagt er den „Verfall der Medien-Kultur“. Keck meint Venier: „Das Geschäft ist nicht verboten, der Kauf seiner Produkte auch nicht, also braucht sich niemand, der dort kauft, vor irgendwem zu rechtfertigen.“
Zur Krönung ein Satz, der von Kickl stammen könnte: „Venier hält weiter fest, dass es trivial und unseriös sei, Schlüsse auf das umfassende Gesamtkonstrukt eines komplexen Weltbildes bzw. einer Gesinnung aufgrund des Tragens einer bestimmten Bekleidungsmarke ziehen zu wollen.“ (FPÖ-OTS) Wow! Jetzt stehen wir schön belämmert da mit unserem trivialen Versuch, aus der Kombination von Bestellvorgang bei Thor Steinar und Mailadresse auf das komplexe Weltbild der BestellerInnen Rückschlüsse zu ziehen. Wenn die Mailadresse etwa werwolf, nationaler, saufjugend, 88, 1488, 1888, freiheitliche-jugend, gladiator18, sneiper-88 usw. enthält, dann ist noch lange nicht das komplexe Weltbild der BestellerInnen erschlossen, folgt man Venier!
Dabei hat er insoferne sogar Recht, als nicht jeder Neonazi eine Mailadresse mit Nazicodes verwendet. Die Jungs vom Bund freier Jugend (BfJ ), Stefan M., Martin M. und Mario R. verzichten auf Codes, nur Roman G. kann sich den Hinweis „nationaler linz“ nicht verkneifen. Auch Karlheinz B., ein besonders heftiger Neonazi, versteckt sich hinter einer trivialen .com-Adresse! Ja, und die Freiheitlichen unter den Bestellern von Klamotten oder Newsletter: Wer würde den Bezirksräten Helwig L. oder Herwig G., dem Gemeinderat Günther B., der RFS-Kandidatin Sigrid G., der FPÖ- Referentin Verena R. ihr komplexes Weltbild absprechen wollen? Nur wegen eines Newsletter oder eines Leiberls? Selbst einschlägig Verurteilte wie Harald K. oder frühere VAPO- Leute und Paintball- Partner von HC haben doch das Recht auf ein unschuldiges Runenleiberl samt komplexer Gesinnung!
Und was ist mit den vier Polizisten, die via Dienstmail bei Thor Steinar geordert haben? Herbert Anderl, Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, betont gegenüber der ZIB 24 am 5.1.2012, dass das Bestellen nicht verboten sei, meint dann aber: „Wir haben sehr intensiv mit diesen KollegInnen gesprochen und ihnen das veranschaulicht und auch die erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen gesetzt“. Als der ORF-Redakteur nachfragt: „Das wären?“, kommt die etwas verschwurbelte Präzisierung: „Ääähhh … Sie können versichert sein, dass es sehr nachhaltige Belehrungen gab. Mehr möchte ich nicht sagen, da die Namen dieser Kollegen bekannt sind.“
Ob sich die dienstrechtlichen Maßnahmen und Belehrungen auch auf privat bestellende Polzisten beziehen bzw. auf Polizisten, die bei eindeutig rechtsextremen Organisationen unterwegs sind, werden wir auch noch erfahren oder eben erfragen müssen.
Das nächste Mal etwas mehr über die Kunden vom „Odin-Versand“. Es könnte ja sein, dass auch dort noch Personen mit komplexem Weltbild auftauchen.
➡️ Nazi-Leaks (I): ein FP-Abgeordneter und die Polizei dabei
➡️ Nazi-Leaks (II): Thor Steinar: Szenetypische Polizisten?
➡️ Nazi-Leaks (IV): Die trivialen Kunden von Odin