Kirchberg am Wechsel-Wiener Neustadt/NÖ: Diversion für braune Memes
Kirchberg am Wechsel, das war der Wohnort des Nazi, Olympia-Burschenschafters und Parteichef der NDP (Nationaldemokratische Partei), Norbert Burger (+1992). Ein anderer Kirchberger jüngeren Geburtsdatums (1980) musste sich am 13.5. vor dem Landesgericht Wiener Neustadt wegen NS-Wiederbetätigung verantworten. Er hatte in der WhatsApp-Gruppe „Gestört, aber geil“ verschiedene NS-Memes und ‑Sticker versandt, berief sich in der Verhandlung aber darauf, sie von einer Polizistin (!) übernommen und gedankenlos weiterverbreitet zu haben. Außerdem sei der richtige Name der Gruppe „Team Charakter“ gewesen. Mit seiner Argumentation kam er vor Gericht durch und mit einer Diversion davon.
Quelle: noen.at, 23.5.25

Linz: Diversion für viel Braunes
Jener Schüler des Linzer Privatgymnasiums Aloisianum, der im Vorjahr gemeinsam mit anderen Mitschülern eine 15-jährige Mitschülerin eingesperrt und sexuell gedemütigt hatte, stand jetzt in Linz vor Gericht wegen NS- Wiederbetätigung:
Im Zuge der Ermittlungen wurden auf dem sichergestellten Smartphone des Burschen allerhand Dateien mit NS-Bezug gefunden, die er via Social Media verbreitet haben soll. Unter anderem einschlägige Bilder mit dem Nazi-Code 88, Bilder mit Hitlergruß sowie SS-Totenköpfen. Auch auf besagter Landschulwoche soll der 17-Jährige seinen Mitschülern gegenüber den Hitlergruß gezeigt haben. Bereits 2021 soll er außerdem ein Hakenkreuz auf die Tafel in seinem Klassenzimmer gemalt haben. (meinbezirk.at, 23.5.25)
Er kam dafür mit einer Diversion davon, die einen geführten Rundgang in der Gedenkstätte Mauthausen beinhaltet und zwei Jahre auf Bewährung.
Schon zuvor wurde die Gruppe, die die Schülerin eingesperrt und bedrängt hatte, mit Diversionen für die Nötigung juristisch abgefertigt. Die Schule hat vier der fünf Jugendlichen aus der Schule ausgeschlossen.
Braunau-Ried/OÖ: Diversion für Nazi-Gesänge
„Sturzbetrunken“, so die OÖN (30.5.25) in ihrem Bericht, hat ein bislang unbescholtener Braunauer am 14. Jänner und am 20. März Nazi-Parolen im Taxi von sich gegeben haben und dabei „mehrmals lautstark ‚Heil Hitler‘ gebrüllt und diverse Lieder mit NS-Inhalten gesungen haben“.
„Frustsaufen“ sei den braunen Gesängen vorausgegangen, so die Verteidigung. Woher aus seinem Inneren die gekommen seien, kann der Angeklagte nicht beantworten. Der Staatsanwalt bohrt nach: „Es gibt Leute, die schlafen, wenn sie stockbetrunken sind, ein, andere werden aggressiv, Sie kommen mit ‚Heil Hitler‘ daher. Was ist da tiefer drinnen in Ihrem Hirn?”
Obwohl er auch diese Frage nicht beantworten kann, ist die Staatsanwaltschaft mit einer Diversion einverstanden:
Der Beschuldigte hat Glück und kann den Gerichtssaal nach einer halben Stunde ohne Vorstrafe verlassen. Das Verfahren wird diversionell erledigt. Der Mann muss einen pädagogisch begleiteten Rundgang durch das KZ Mauthausen machen und die Kosten in der Höhe von 500 Euro trage. (nachrichten.at)
Eisenstadt: Der Fan des Nazi-„Blutrichters“
Der Richter Roland Freisler war eine besonders widerliche Figur des NS-Terror-Regimes. Weil er in den Prozessen, die er als Präsident des NS-Volksgerichtshofs leitete, fast immer die Todesstrafe verhängte, wurde er auch als „Blutrichter“ bezeichnet, also als einer, der über Leben und Tod entscheiden konnte.
Wie kann man einen solchen eingefleischten Nazi-Richter, der seine Angeklagten regelmäßig verhöhnte, sie anschrie und erniedrigte, gut finden? Der Angeklagte (70), der am 27. Mai wegen NS-Wiederbetätigung vor dem Landesgericht Eisenstadt stand, fand ihn gut und postete das auch so auf einem Webportal. Warum? Weil er einen Artikel gelesen hatte über einen schwulen Afghanen mit Kindern, der Asyl erhalten hat, erklärte er der vorsitzenden Richterin, die ihn deshalb fragte: „Wäre Ihnen lieber, Herr Angeklagter, sie säßen heute vor diesem deutschen Strafrichter statt vor mir?“ „Nein, dann wäre ich ja tot.“ (kurier.at, 29.5.25)
Mit dem Nationalsozialismus wollte er natürlich in keiner Weise etwas zu tun haben, was schon alleine deshalb nicht sehr glaubwürdig war, weil er unter dem Nickname „Karl Maier“ auch zynisch gegen das „arme verfolgte Judengesindel“ gehetzt hatte.
Der Angeklagte hat das letzte Wort. Also spricht er: „Am liebsten täte ich das Ganze ungeschehen machen. Ich hoffe, dass es nicht mehr vorkommt.“
Nachdem die Geschworenen beraten haben, verkündet die Vorsitzende das Urteil: zwölf Monate Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre wegen Wiederbetätigung plus 3000 Euro Geldbuße. Der Mann akzeptiert, der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab. Also nicht rechtskräftig. (krone.at, 27.5.25)
Graz: Der Ruf nach Auschwitz
Am 19.9.24 berichtete die ZIB über einen Beschluss der UN-Vollversammlung zum Rückzug israelischer Truppen aus dem Gaza-Streifen. Auf der Facebook-Seite der ZIB entspann sich eine hitzige Debatte. Ein jüdischer Sänger und Musikproduzent schrieb: „Wir (Juden) gehen nirgends weg“, der Angeklagte replizierte mit: „Ab nach Auschwitz“ Die Anklage gegen Mustafa S. nach dem NS-Verbotsgesetz, § 3g, wurde am 28.5. im Landesgericht Graz verhandelt.
Die Verteidigung bemühte sich, machte es sich aber zu einfach: „Es waren ja nur drei Worte.“ Stimmt, aber was für welche! In seiner Befragung fand der Angeklagte auch keine passende Erklärung seine monströse Vernichtungsphantasie. Er habe ihn eigentlich an die israelische Armee adressieren wollen, versucht er sich, was seine Position es nicht besser machte. Als ihn die Richterin fragte, was die israelische Armee in Auschwitz tun sollte, ob die vergast werden sollte, antworte S., er wisse es nicht, er habe sich dazu nichts gedacht. Er habe nie gedacht, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen, als Nazi, als Antisemit dargestellt werden würde.
Auf Befragung stellte sich heraus, dass er einiges über den Holocaust, auch über KZs und über Auschwitz wusste. Dass sein Ruf nach Auschwitz von anderen als Zustimmung zur Vernichtung verstanden werden könnte, sei ihm andererseits aber unverständlich. Jetzt, im Nachhinein, tue es ihm aber leid. Den Nationalsozialismus habe er aber keineswegs damit befürworten wollen, erklärt er dem Staatsanwalt mehrmals.
Die Geschworenen berieten nicht lange und plädierten nach einer halben Stunde mit sechs zu zwei Stimmen für die Schuld des Angeklagten. Das Strafmaß: ein Jahr bedingt, ein geführter Rundgang in Mauthausen und eine unbedingte Geldstrafe in der Höhe von 3.600 Euro. Keine Erklärung von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, daher noch nicht rechtskräftig.
Was den Rundgang in Mauthausen betrifft, erhielt der Angeklagte die Auflage, ein Selfie aus der Gedenkstätte anzufertigen und dem Gericht zukommen zu lassen. Einig waren sich Richterin und Verteidigerin allerdings nicht, was den Ort des Selfies betrifft. Unsere Prozessbeobachtung vermerkte:
Verteidigerin schlug vor vom Schriftzug „Arbeit macht frei“. Richterin meinte, der sei in Auschwitz und nicht in Mauthausen. Verteidigerin meinte, der sei bei jedem KZ. Damit dient die Exkursion auch zur Klärung dieser Frage.
Die Frage kann auch hier geklärt werden: Der zynische Schriftzug war an den KZ Auschwitz, Dachau, Sachsenhausen, Groß-Rosen, Flossenbürg und Theresienstadt, nicht jedoch in Mauthausen angebracht.

Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Graz: Endlich „Aula“-Prozess
Die unvorstellbar lange Zeit von sieben Jahren und die unermüdliche Energie von SOS-Mitmensch und ihrem Sprecher Alexander Pollak brauchte es, damit jetzt endlich der Strafprozess wegen NS-Wiederbetätigung gegen den früheren Chefredakteur der ehemaligen „Aula“ und FPÖ-Bezirksrat, Martin Pfeiffer, stattfinden kann:
Im September steht nun der ehemalige Chefredakteur, in der Aula Schriftleiter genannt, und Grazer Ex-FPÖ-Politiker Martin Pfeiffer neun Tage in Graz vor Gericht. Medieninhaber der Aula war die FPÖ-nahe „Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Akademikerverbände Österreichs”. (derstandard.at, 22.5.25)
300 Seiten umfasste das Dossier, das der Anzeige von 2018 zugrunde lag. 2023 hatte die Staatsanwaltschaft eine 200 Seiten umfassende Anklageschrift fertiggestellt. Warum dauerte es dann noch einmal zwei Jahre von der fertigen Anklageschrift bis zur Verhandlung?
Im Auftrag der Staatsanwaltschaft analysierte ein Wiener Historiker die Zeitschrift und erstellte ein Gutachten. Da dies aber Teil der Ermittlungen war, beauftragte der Richter einen neuen Sachverständigen aus Deutschland mit der Erstellung einer historischen Expertise – wegen seiner umfangreichen Auswertungen kam es zu einer Verzögerung. (kleinezeitung.at, 23.5.25)
Verhandelt wird ab dem 15.9. an insgesamt neun Verhandlungstagen: 15.9., 16.9., 17.9., 18.9., 19.9., 22.9., 23.9., 24.9. und 26.9. – jeweils von 09.00 bis 18.00 Uhr, Saal 044.
Feldkirch/V: Der falsche Verteidiger
Über den Strafprozess gegen den „unbelehrbaren Neonazi“ Björn Erik W. haben wir erst vor kurzem berichtet. Zehn Jahre Haft fasste er am 29.4. beim Landesgericht Feldkirch aus, eine der höchsten Haftstrafen wegen Wiederbetätigung seit sehr langer Zeit. Der Prozess hat nun ein Nachspiel. Sein Verteidiger in Feldkirch war nämlich kein richtiger Strafverteidiger:
Der Angestellte einer Anwaltskanzlei soll aktuell weder als Rechtsanwalt noch als Rechtsanwaltsanwärter mit einer notwendigen großen Legitimationsurkunde für Geschworenenprozesse eingetragen sein. Der Jurist verteidigte für seinen als Verfahrenshelfer bestellten Arbeitgeber vor dem Geschworenengericht. Bei angeklagten Verbrechen besteht Verteidigerzwang. (vol.at, 23.5.25)
Deshalb wurde jetzt eine neue Verteidigerin eingesetzt. Es wird angenommen, dass der Rechtsmittelverzicht, den der Angeklagte nach dem Prozess abgegeben hat, aufgehoben und so die Möglichkeit geschaffen wird, eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil vom 20.4. einzulegen. Im zweiten Rechtsgang würde das Verschlechterungsverbot gelten – das heißt, die Strafe dürfte nicht höher ausfallen als im ersten Rechtsgang.
Über etwaige straf- und disziplinarrechtliche Schritte gegen den falschen Verteidiger wurde noch nicht entschieden.