Jürgen W., unter seinen Kameraden „Windi“ genannt, ist eine Größe in der heimischen Neonazi-Szene. Das war er schon, bevor er sich zum heimlichen Chef der kriminellen Neonazi-Gruppe „Objekt 21“ krönen ließ. Dafür gab’s insgesamt acht Jahre Haft – u.a. wegen Wiederbetätigung und Brandstiftung. Zuvor, als Chef vom neonazistischen „Kampfverband Oberdonau“ (28 Monate unbedingt), hatte er auch schon Vorstrafen wegen NS-Wiederbetätigung eingesammelt. 2020 hat der „Windi“ noch einmal sieben Jahre Haft wegen Wiederbetätigung abkassiert, die er noch bis März 2026 abdienen muss.
Bei dieser Vorgeschichte möchte man meinen, dass es zu einem Prozesstag mit „Windi“ als Angeklagtem gesteigertes öffentliches Interesse gibt. Das war aber am 19.5. am Landesgericht Ried im Innkreis kaum der Fall. Auch das nicht wirklich ein Wunder, denn es war schon der vierte Verhandlungstag, nachdem seit der Eröffnung im Oktober 20222 immer wieder vertagt werden musste. Als „Justiz-Farce“ bezeichnete der „Kurier“ schon am 4.1.24 das Verfahren , weil ein Gutachten über die Auswertung von elektronischen Daten so lange dauerte.
Im November 2024 war es dann soweit: ein neuer Verhandlungstag und seine Schwester, die ihm beim angeklagten Versuch des Verkaufs einer Maschinenpistole geholfen haben soll. Die Schwester wurde vom Vorwurf der Beihilfe freigesprochen, Jürgen W. erhielt für den unerlaubten Waffenbesitz (einer MP) sechs Monate unbedingt als Zusatzstrafe (nicht rechtskräftig) und eine Absolution der Geschworenen für den Vorwurf der Holocaustleugnung (§ 3h Verbotsgesetz).
Noch blieb der Vorwurf der Wiederbetätigung nach § 3g Verbotsgesetz aufrecht. Er sollte in einer weiteren Verhandlungsrunde die nun am 19.5. stattfand, geklärt werden, – mit einer unterirdischen Vorberichterstattung in der „Kronen Zeitung“ (19.5.). Klar war, dass am 19.5. nur mehr gegen W. verhandelt wird. Das stand auch so in der Vorankündigung des Landesgerichts Ried: 1 Angeklagter.
Die „Krone“ machte daraus:
Zwei Innviertler (40 und 37 Jahre alt) sollen unter anderem einen Krug mit Hitler-Bild, eine Gürtelschnalle mit Hakenkreuz und Reichsadler, eine Hakenkreuzfahne, eine NS-Uniform und andere einschlägige Gegenstände zum Verkauf angeboten haben. Rund 20.000 Euro wollten sie dafür. Doch statt Geld müssen sie sich nun vor Gericht verantworten. Denn der Mann, dem sie ihre verbotenen Waren angeboten haben sollen, war ein verdeckter Ermittler. Es ist nicht das einzige Vergehen, das den beiden Männern von der Staatsanwaltschaft Ried vorgeworfen wird. Sie sollen auch im Besitz eines vollautomatischen Maschinengewehrs samt Munition gewesen sein. Auch das wollten sie um 3000 Euro an einen verdeckten Ermittler verkaufen.
An dieser Geschichte stimmt nur W.s Alter (40). Weder ist der Traunviertler „Windi“ ein Innviertler noch gab es einen zweiten Angeklagten – und der „verdeckte Ermittler“, nun ja, das wäre eigentlich der interessante Teil der Verhandlung gewesen, wenn denn wirklich ernsthaft dazu ermittelt worden wäre. So aber war man sich im Gerichtssaal am 19.5. rasch darin einig, dass der Belastungszeuge gegen den „Windi“, sein ehemaliger Zellenkollege, eine „schillernde Person“ sei. Vom Belastungszeugen gab es unseres Wissens nach nur schriftliche Aussagen bei der Polizei. Vor Gericht ist er nicht erschienen.
„Der Beschuldigte soll dem ehemaligen Mithäftling, der unter anderem behauptete, verschiedene Hollywoodgrößen zu kennen, ein Nazilied des Interpreten ‚Reichstrunkenpold‘ [sic!] übersandt haben beziehungsweise die Übermittlung des Musiktitels vom Gefängnis aus veranlasst haben“, berichten die Oberösterreichischen Nachrichten (21.5.25) vom Prozess. Gemeint war konkret das „Mauthausenlied“ des Neonazi-Musikers Philip Tschentscher, der sich in Anlehnung an den NSDAP-Reichsleiter Robert Ley den Namen „Reichstrunkenbold“ verpasst hat.
Die Geschworenen sahen im Mithäftling keinen glaubwürdigen Zeugen, sondern einen nicht rechtmäßig eingesetzten Informanten und sprachen W. auch vom Vorwurf der Wiederbetätigung nach § 3g Verbotsgesetz frei. Das Urteil war zu Prozessende noch nicht rechtskräftig.
Die „Krone“ hat in ihrem nachträglichen Prozessbericht vom 20.5.25 aus dem zweiten Innviertler Angeklagten vom Vortag dann noch die Schwester gebastelt und sie ebenfalls vom Vorwurf der Wiederbetätigung freigesprochen.
Wir danken für die Prozessbeobachtung!