In welchen sozialen Netzwerken unter welchen Nicknames W. insgesamt unterwegs war, wissen wir nicht wirklich. Gewissermaßen amtlich bestätigt durch Anklage und Urteil ist jedenfalls, was wir schon im Dezember 2019 geschrieben haben: „Der Herbert ist der Jürgen!“ Neben dem Namen des Alt- und Neonazi Herbert Schweiger führte er aber auch noch den Nickname Hans P., auf den wir nicht extra aufmerksam machen wollen. Außerdem benutzte er in einer Chat-Gruppe den Namen eines SS-Verbrechers. In den sichergestellten Chat-Protokollen „bezeichnete er Flüchtlinge als ‚Tiere, die nach Europa kommen würde, um Blut zu vergiften.’ Daher brauche es wehrhafte Deutsche.“ (nachrichten.at, 3.2.20) Der zitierte Eintrag stammt aus dem Februar 2019, also aus einer Zeit, als W. – so seine Verteidigungslinie vor Gericht – schon längst den Entschluss gefasst haben will, seine braune Karriere abzubrechen und sich zu läutern.
Da müssen wir widersprechen. Noch im März 19 war W. auf der FB-Seite „Nationaler Selbstversorger“ unterwegs. Der Jürgen, der sich von Leberkässemmerln und Burger ernährt, ein „nationaler Selbstversorger“, also Pastinaken und Karotten? Naja, praktischerweise wird „Nationaler Selbstversorger” so abgekürzt, dass das für Jürgen, den braunen Schelm, wieder einen ideologischen Sinn ergibt! Im März 2019 wanderte W. dann auch wieder in U‑Haft, weil die Staatsanwaltschaft der Ansicht war, dass er seine im Herbst 2018 beendete Haftstrafe (wegen Objekt 21) ziemlich zweckwidrig absolviert hat.
Womit wir bei einem größeren Problem wären: Die Haftzeit in Suben sei für ihn ein „Kinderspiel“ gewesen, hat W. gechattet. Da hat er wohl Recht! Schon bei seiner Haftstrafe, die er für den „Kampfverband Oberdonau“ ausgefasst und in Suben abgedient hatte, war das so, wie wir im Dezember 2019 schrieben:
Die Haft wegen des „Kampfverbandes Oberdonau“ behinderte den Jürgen nicht wirklich am Aufbau und der heimlichen Leitung von „Objekt 21“ in Windern, Gemeinde Desselbrunn. Zum einen nutzte er die Freigänge an den Wochenenden, die ihm offenbar reichlich zugesprochen wurden, für einschlägige kriminelle Aktivitäten. Zum anderen vermittelte der Jürgen in der Haftanstalt Mitgefangene an das „Objekt 21, wo sie dann in die diversen kriminellen Aktivitäten der braunen Truppe einbezogen wurden, die von Brandstiftungen im Rotlichtmilieu über Rauschgifthandel- und Körperverletzung bis hin zu Raubzügen quer durch Oberösterreich reichten.
Das galt dann auch für die Haftstrafe zu „Objekt 21“, die der Jürgen zu schriftlichen Überlegungen für ein „Projekt X“, für ausgedehnte Konversationen in den sozialen Netzwerken (z.B. auch bei braunen „Wehrmacht Memes“) und für soziale Kontakte in der Haftanstalt nutzte. Einer dieser sozialen Kontakte in der Haft galt dem Mörder Gerhard S., der einen guten Tipp für einen längeren illegalen Hafturlaub auf einem Neonazi-Bauernhof erhalten und auch genutzt hat. Die von uns vermutete Connection zu „Objekt 21“ hat die Abgeordnete Sabine Schatz veranlasst, beim damaligen Justizminister Moser nachzufragen, ob Gerhard S. in seiner Haft Kontakte zu Jürgen W. oder Manuel S. (der vereinsrechtliche Obmann von „Objekt 21“) hatte? Die Antwort des Justizministers („Es sind keine derartigen Kontakte bekannt“) hat ganz offensichtlich nicht der Faktenlage entsprochen.
Apropos Manuel S., alias „Speedy“: Seine Haftzeit hat W. natürlich auch für die Pflege seiner Freundschaft zu „Speedy“ genutzt. Genauer gesagt, die Haftpausen, also die Freigänge. Da haben sich die beiden und auch andere aus der alten braunen Blase offensichtlich zu Schießübungen in der Schottergrube getroffen. Professionelle Vorbereitung auf das Leben nach der Haft? Wer hat da aller mitgespielt und die Augen zugemacht? Schließlich gab es ja schon aus der vorherigen Haftepisode von W. einschlägige Erfahrungen. Bei Gericht war auch die Rede von einem Video aus der Haftzelle, von einem großen Hitlerfoto in der Haftzelle und von einem Tattoo auf dem linken Unterschenkel mit der Aufschrift „Objekt 21 – Jetzt erst recht“, das während der Haft entstanden sein muss.
Denn spätestens nach der Haft war W. ja „geläutert“. Die Geschworenen hat das nicht sonderlich beeindruckt – sie haben den nationalen Selbstversorger in 13 von 17 Fragen zur Anklage für schuldig befunden, was dann zu weiteren fünf Jahren unbedingter Haft führen könnte. Das Urteil ist nämlich noch nicht rechtskräftig, weil sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft Bedenkzeit ausgebeten haben. Eine noch offene bedingte Haftstrafe von zwei Jahren hat eine Fristverlängerung erhalten, sodass W. noch einmal zwei Jahre zusätzlich erhalten könnte, wenn er seine mutmaßliche künftige Haft wieder zweckwidrig verwendet. Da können wir nur hoffen, dass W. nicht wieder in Suben oder Stein landet!