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Der Mörder und die Neonazis

Sie­ben Wochen, nach­dem Ger­hard S. von einem Frei­gang nicht in die Jus­tiz­an­stalt Gars­ten (OÖ) zurück­ge­kehrt ist, wird der flüch­ti­ge Häft­ling in Sach­­sen-Anhalt von Ziel­fahn­dern auf­ge­grif­fen und nach Öster­reich rück­über­stellt. Soweit noch ziem­lich unspek­ta­ku­lär. Aber Ger­hard S. ist 1997 wegen eines bru­ta­len Mor­des an einer Pro­sti­tu­ier­ten ver­ur­teilt wor­den. Und wo wur­de er gefun­den? Auf einem Neonazi-Bauernhof! […]

25. Jul 2018
Soli-Auifkleber aus der Nazi-Szene für Philip

Die Mel­dun­gen in fast allen öster­rei­chi­schen Medi­en über den ent­flo­he­nen Häft­ling lie­ßen kei­ne Rück­schlüs­se auf wei­te­re Auf­fäl­lig­kei­ten zu: „Geflo­he­ner Mör­der nach sie­ben Wochen im Aus­land ver­haf­tet“, titel­te etwa die OÖN und führ­te aus, dass er das nach 22 Jah­ren „unauf­fäl­li­ger Haft“ gemacht habe. „Ich woll­te ein­fach den Som­mer genie­ßen“, soll er bei sei­ner Fest­nah­me erklärt haben.

Da stellt sich zunächst aber die Fra­ge, war­um ein Lebens­lan­ger wie Ger­hard S. kurz vor einer zu erwar­ten­den beding­ten vor­zei­ti­gen Ent­las­sung noch schnell ein­mal ab- und sich so mit Sicher­heit die beding­te Ent­las­sung verhaut.

Dann aber kommt schon die eben­so wich­ti­ge Fra­ge, wohin der Ger­hard S. aus der Haft geflüch­tet ist? Und da erle­ben wir eine gro­ße Über­ra­schung: Die „Kro­ne“ berich­tet näm­lich unter dem roman­ti­schen Titel „Pro­sti­tu­ier­ten­mör­der beim Kirsch­pflü­cken ver­haf­tet“, dass Ger­hard S. „in der Neo­na­zi-Sze­ne im deut­schen Bun­des­land Sach­sen unter­ge­taucht“ ist.

Ein ent­flo­he­ner Mör­der fin­det also Unter­schlupf bei Neo­na­zis auf einem Bau­ern­hof. Weil Neo­na­zis so gast­freund­lich sind? Oder weil sie auch Mör­dern eine Chan­ce geben wol­len? Spä­tes­tens hier wird’s höchs­te Zeit, die Ver­gan­gen­heit des Ger­hard S. etwas näher zu betrachten.

Anfang Dezem­ber 1996 wird Ger­hard S. ver­haf­tet, weil er drin­gend ver­däch­tig ist, den Mord an der 19-jäh­ri­gen Petra K. ver­übt zu haben. Petra K., die in Linz als Geheim­pro­sti­tu­ier­te arbei­te­te, hat­te sich Wochen zuvor hil­fe­su­chend an die Poli­zei gewandt, weil sie von ihrem Zuhäl­ter Georg W. mas­siv bedroht wur­de. Sei­ne Fest­nah­me wur­de aber von einem Jour­nal­rich­ter rasch wie­der auf­ge­ho­ben und was folg­te, war der Auf­trag zum Mord („Die gehört weg­ge­räumt“), den Georg W. an Ger­hard S. erteil­te. Die „Kro­ne“ (31.8.97) berich­te­te damals über den bru­ta­len Mord: „Die Frau muß­te sich im Kel­ler eines Abbruch­hau­ses nie­der­knien, S. (…) setz­te ihr einen Revol­ver am Genick an. Nach einem Fehl­ver­such drück­te er ein zwei­tes Mal ab.

Kurz blitz­te in der Pro­zess­be­richt­erstat­tung damals auch auf, dass es Kon­tak­te zu Küs­sel gab: Fotos im Akt beleg­ten sei­ne Kon­tak­te zu rechts­ra­di­ka­len Krei­sen. Sie zei­gen den Waf­fen­nar­ren mit dem Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel und bei Schieß­übun­gen vor einem Klein­kind. (Kro­nen Zei­tung, 31.8.97)

Mit dem Waf­fen­nar­ren ist Georg W., der Zuhäl­ter, gemeint. Es dürf­te aber auch für sei­ne Pala­di­ne Ger­hard S. und Micha­el Sch. gegol­ten haben, die für W. die Dreck­ar­beit mach­ten. Nach sei­ner Fest­nah­me führ­te Ger­hard S. die Poli­zei in den Wie­ner Res­sel­park, wo er neben einer Schu­le eine Hand­gra­na­te ver­bud­delt hat­te. Küs­sel, Waf­fen, Hand­gra­na­te und ein bru­ta­ler Mord – damals wur­de nicht wei­ter über die­se Zusam­men­hän­ge recher­chiert. Ger­hard S. als Täter und Georg W. als Auf­trag­ge­ber wur­den in einem Geschwo­re­nen­pro­zess in Linz im August 1997 zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt, Georg W. starb dann 2001 an einer Über­do­sis Medi­ka­men­te, nach­dem er 1998 ver­geb­lich eine Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens ver­sucht hatte.

Ende Juni 2018 taucht dann der Mör­der aus dem Rot­licht­be­reich, Ger­hard S., bei den Neo­na­zis auf. Nicht in Sach­sen, wie die „Kro­ne“ irr­tüm­lich schreibt, son­dern im Bun­des­land Sach­sen-Anhalt, im Bur­gen­land­kreis, einer Gegend, die immer wie­der durch neo­na­zis­ti­sche Akti­vi­tä­ten auf­fällt. Und dort, in der Nähe der Stadt Naum­burg, gibt es auch einen Neo­na­zi- Bau­ern­hof mit guten Öster­reich-Con­nec­tions. Mit sehr auf­fäl­li­gen sogar, denn dort resi­dier­te nicht nur der als „Reichs­trun­ken­bold“ bekann­te Neo­na­zi Phil­ip T., …

Soli-Auif­kle­ber aus der Nazi-Sze­ne für Phil­ip T.

… son­dern auch der „Krafti“, der für das „Objekt 21“ im „S & K Manage­ment“ tätig war, also im Rotlichtbereich.

„Krafti” und das S & K Management

Wer an den Oster­ha­sen glaubt, darf das alles nach wie vor für einen Zufall halten.

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