Suben als sicherer Hafen
Es beginnt schon damit, dass allein das, was dem unter seinen Nazi-Kumpanen als „Windi“ titulierten Angeklagten vorgeworfen wurde, Verwunderung auslöst. Er versuchte aus der Haftanstalt Suben heraus, eine Maschinenpistole (MP) und NS-Devotionalien zu verticken. Suben, das ist just jene Haftanstalt, aus der W. bereits Jahre zuvor seine Nazi-Truppe aus der Zelle und bei seinen Freigängen dirigieren und außerdem Zellennachbarn zu strammen Nazis bekehren konnte. Suben ist also für den schon mehrmals wegen NS-Wiederbetätigung verurteilten Windi so etwas wie Heimat, ein sicherer Hafen.
Dazu passt, was der Hauptzeuge im aktuellen Prozess über Windis Auftritt in Suben erzählte: „Der Beschuldigte habe nämlich am Geburtstag von Adolf Hitler nie in der Haftanstalt arbeiten müssen. Im Gegenteil: ‚Er bekam sogar Eiernockerl mit Salat – das Lieblingsessen von Hitler – serviert’.“ (OÖN, 29.11.22, S. 23)
Etwas spät erkannte die Justiz, dass Suben zwar für den Windi ideal war, aber nicht für den Rechtsstaat. Er wurde diese Woche deshalb aus der Justizanstalt Stein/Krems zur Verhandlung vorgeführt. Zu Stein fällt uns leider eine andere Geschichte zu einem anderen schweren Nazi ein. Dem soll die Justizwache dort gestattet haben, dass er in seiner Zelle ein Hitler-Porträt aufhängen durfte, so die Aussage eines Lebenslänglichen. Ob der Windi in Stein auch eine Sonderbehandlung erhält, wissen wir nicht.
Und wieder der „Reichstrunkenbold“
Der Verkauf der MP und des Nazi-Schrotts war schiefgelaufen, weil der Zellenkamerad und Hauptzeuge die Polizei verständigt hatte und Windis Schwester als „Verkaufsleiterin” dann mit einem verdeckten Ermittler und keiner Kundschaft zu tun hatte. Außerdem hat sich der Windi in Suben einen Nazi-Song oder sogar ein komplettes Album vom „Reichstrunkenbold“ heruntergeladen.
Der „Reichstrunkenbold“, mit bürgerlichem Namen Philip Tschentscher, ist ein alter Bekannter von Windi und vielen anderen aus den „Objekt 21“-Zeiten. Für seine Nazi-Aktivitäten in Österreich hat der braune Barde aus Deutschland 2014 am Landesgericht Korneuburg drei Jahre ausgefasst und ein nachfolgendes zeitlich beschränktes Einreiseverbot ausgefasst. Die Kontakte nach Österreich blieben aber über die Jahre hinweg aufrecht. Der „Reichstrunkenbold“ hatte damals vor Gericht wie der Windi jetzt auch eine unpolitische Zukunft versprochen. Der Unterschied ist, dass dem Windi jetzt, nachdem er schon 2020 beteuert hatte, ganz und gar geläutert zu sein, sogar ein Justizwachebeamter eine positive Prognose stellte. Der Titel des Liedchens, das er sich in der Haftanstalt heruntergeladen hatte, ist übrigens „Mauthausen“.
Fast unendliche Geschichte wird fortgesetzt
Der Streit, den sich der Windi diesmal mit Gutachter und Hauptzeugen lieferte, betraf sichergestellte, aber teilweise zerstörte oder überschriebene Dateien. Die Frage, ob er die Musik vom „Reichstrunkenbold“ nicht bloß heruntergeladen, sondern auch weiterverschickt hat, wurde aus dem Verfahren ausgeschieden und soll getrennt weiterverhandelt werden. Die fast unendliche Geschichte findet also eine Fortsetzung!
Jürgen W.s Schwester, die ebenfalls versuchte, den Hauptzeugen zu belasten, wurde freigesprochen und W. vom Vorwurf der Wiederbetätigung ebenso. Für den unerlaubten Waffenbesitz erhielt er freundliche sechs Monate Zusatzstrafe. Beide Urteile waren zu Prozessende noch nicht rechtskräftig.