Die weit rechtsstehende Berliner pennale Burschenschaft „Gothia“ gerät in aller Regelmäßigkeit in die Schlagzeilen. Maßgeblich hat sie das ihrem Mitglied Peter Kurth zu verdanken. Der einst hochrangige Politiker der CDU erlangte als Sponsor von identitären Hausprojekten wie dem „Castell Aurora“ im oberösterreichischen Steyregg und als Teilnehmer des Potsdamer Geheimtreffens überregionale Bekanntheit.
2023 erwarben drei Männer ein Gebäude im sächsischen Grimma, mutmaßlich gedacht als Szenetreff für Rechtsextreme:
Gekauft worden war die Gewerbeimmobilie nach SPIEGEL-Recherchen von drei mutmaßlichen »SS«-Terroristen: dem Grimmaer AfD-Stadtrat Kurt Hättasch, 25, seinem gleichaltrigen Parteifreund Kevin R. und einem 26-Jährigen namens Martin K. aus Leipzig. (spiegel.de, 11.11.24)
Kurth überwies dafür 100.000 Euro an Kevin Richter – ein angebliches „Darlehen“ für die drei Hauskäufer aus der „Handwerkerszene“, wie Kurth gegenüber dem „Spiegel“ behauptete. Das Gedankengut der drei Männer sei ihm nicht bekannt gewesen. Zwei von ihnen, Hättasch und Richter, beide auch in der AfD und der JA, der mittlerweile geschassten Jugendorganisation der AfD, aktiv, befinden sich seit der gegen die „Sächsischen Separatisten“ gerichteten Razzia am 5. November 24 in Haft; auch Martin K. soll zum Kreis der Beschuldigten gehören. Gekannt habe Kurth, einst Altherrenobmann der „Berliner Burschenschaft Gothia“, Kevin Richter über die „Iuvenus Gothia“, die als eine Art Jugendorganisation der Gothia Berlin gilt.
„Brüder auf! Erhebt die Klingen!“
Ein vom „Spiegel“ veröffentlichtes Foto zeigt vier Männer, alle vier mit Burschenschaftsbändern, zwei mit nacktem Oberkörper und sichtbaren Verletzungen. Bilduntertitel: „Terrorverdächtiger Kevin R. (3.v.l.): Mensur in Salzburg“ Dieses und weitere Fotos vom Gothen-Trip nach Salzburg liegen auch „Stoppt die Rechten“ vor. Zu Gast waren damals, im Oktober 2021, die Berliner Jung-Gothen bei der Burschenschaft AGV Rugia, wie Recherchen von „Stoppt die Rechten“ ergaben.

Die Mensur hat sehr wohl die Komponenten des ungefährlichen sportlichen Wettkampfes. Aber in der Art, wie sie ausgetragen wird, hat sie auch etwas von der spannenden Dramatik eines romantisch — ritterlichen Zweikampfes. (Website AGV Rugia)
Zwei Berliner „Paukanten“, Kevin Richter und Artur B., schlugen sich mit zwei Nachwuchsburschen der AGV Rugia. Unter „Brüder auf! Erhebt die Klingen!“ schildert ein deutscher Mitreisender das irrwitzig anmutende Ritual in der Junggothen-Zeitschrift. „Direkt im Anschluss war Bundesbruder B. an der Reihe. Sein Gegenpaukant, ein schmächtiger pennäler, erhielt von Bbr. B. ca. 20 Striemen am Rücken, als dieser sich verhing.“ (Fehler im Original) – Foto mit dem durch die Striemen verletzten Rücken des „schmächtigen“ Rugen inklusive. Was daran „romantisch” sein soll, erschließt sich einem, um einen neuerdings von der FPÖ gerne verwendeten Begriff zu verwenden, „normalen” Publikum nicht. Die Aufnahmen zeigen auch Kiebitze älteren Semesters, die dem Schauspiel beigewohnt hatten, erkennbar durch die grünen Kappen der AGV Rugia.

Die „unpolitische“ AGV Rugia
Über die pflichtschlagende Salzburger Burschenschaft „Alte Gymnasialverbindung (AGV) Rugia“ ist öffentlich wenig bekannt, obwohl ihr etliche FPÖ-Politiker angehören, darunter die Nationalratsabgeordneten Volker Reifenberger und Arnold Schiefer sowie die Salzburger Landtagsabgeordneten Andreas Hochwimmer und Andreas Schöppl.
„Der Zweck des Vereines ist die Pflege der Geselligkeit und des vaterländischen Geistes, sowie die Pflege der studentischen Sitten und des studentischen Brauchtums. Der Verein ist unpolitisch“, ist im Impressum der Rugen-Website zu lesen. Unpolitisch? In gewisser Weise, ja. In der auf der Website knapp skizzierten Geschichte der Burschenschaft ist zu NS-Verbindungen ihrer Mitglieder nichts zu lesen. Dafür aber rühmt man sich, dass der Dirigent Herbert von Karajan bei den Rugen aktiv gewesen sei – freilich, ohne Karajans Verstrickungen mit den NS-Machthabern zu erwähnen.

Wirklich unpolitisch? 2017, knapp vor der Nationalratswahl, schrieb Reifenberger an seine Bundesbrüder und lud anlässlich der Wahl zu einem Stammtisch ein, wie aus einem „Stoppt die Rechten“ vorliegenden Mail hervorgeht:
Bei diesem Stammtisch für alle Salzburger Waffenstudenten werden unter anderem unser AH Dr. Andreas Schöppl, als auch ich dabei sein und ein paar Worte als Kandidaten für die anstehende Nationalratswahl sprechen. Ich nutze gleich die Gelegenheit, die österreichischen Bundesbrüder darüber zu informieren, dass AH Dr. Andreas Schöppl und ich auf wählbaren, aber nicht 100 %ig sicheren Stellen für den Nationalrat kandidieren.
Zur „Veranschaulichung“, wie die Vergabe von Vorzugsstimmen aussehen könnte, schickte Reifenberger für- und vorsorglich gleich das Foto eines Wahlzettels mit – mit seinem Namen als vorausgefülltes Beispiel für eine Vorzugsstimme auf allen drei Wahlebenen. „Bitte versteht dieses Mail nicht als parteipolitische Einflussnahme auf die Rugia. Ich möchte die Bundesbrüder lediglich darüber informieren, dass einige von uns zur Wahl stehen”, fügte Reifenberger für seine unpolitischen Bundesbrüder noch pflichtschuldig an.
Die Berliner Gothen auf „Ostmarkfahrt“
Zwei Jahre vor dem Jung-Gothen-Trip nach Salzburg haben Mitglieder der Berliner Gothia eine Tour durch Österreich gemacht. „Mit dem Besuch des 150. Stiftungsfestes e.s.v. akademischen Burschenschaft Allemannia Graz findet unsere Ostmarkfahrt einen würdevollen Höhepunkt.“, ist in einem Instagram-Posting zu lesen. Dort befand man sich wohl in passender Gesellschaft. 2021 sind die Grazer Allemannen aufgefallen, weil aus ihrer Bude lautstark der Song „Diese Party wird jetzt rechtsradikal“ des deutschen Neonazi-Musikers mit dem programmatisch klingenden Namen „Henry8“ (abgekürzt auch als HH, dem Code für „Heil Hitler“, interpretierbar) zu hören war. Da ist dann die „Ostmark” auch nicht mehr weit.
