Braune Töne bei den Grazer Allemannen

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Eine lau­schi­ge Nacht in Graz. Auf einer Bur­schen­schaf­ter­bu­de wird gefei­ert – mit Musik: „Die­se Par­ty wird jetzt rechts­ra­di­kal“. Was da auf einem uns und dem DÖW zuge­spiel­ten Video von auf­merk­sa­men Pas­san­ten doku­men­tiert wur­de, ist ein Bekennt­nis­song für puber­tie­ren­de Neo­na­zis von einem Neo­na­zi. Der pri­mi­ti­ve brau­ne Song war laut­stark auf der Bude der aka­de­mi­schen Bur­schen­schaft Alle­man­nia in Graz zu hören.

Die Bude der Gra­zer Alle­man­nen befin­det sich schräg gegen­über dem Haupt­ge­bäu­de der Uni Graz, im „Alle­man­nen­haus”, das ehe­mals auch das Bur­schen­schaft­er­lo­kal „Wart­burg” behergte.

„John­ny Zahn­gold“ ist der spre­chen­de Fake­na­me des brau­nen Bar­den, der mit sei­nem ande­ren Fake­na­men, „Henry8“ (kann abge­kürzt auch als „HH“ inter­pre­tiert wer­den), für das Rap-Duo „n’Socialist Sound­sys­tem“ (kurz: NSS) werkt. Wobei er da kei­nen Zwei­fel auf­kom­men lässt: „Wir sind natio­na­le Sozia­lis­ten und kei­ne Hip­Hop­per.

Das hat sich bei sei­nem Solo-Schla­ger­pro­jekt „John­ny Zahn­gold“ nicht geän­dert, nur der musi­ka­li­sche Stil, „Fascho-Schla­ger“ in der Selbst­be­schrei­bung, ist noch etwas pri­mi­ti­ver. Der Refrain „Die­se Par­ty wird jetzt rechts­ra­di­kal, rechts­ra­di­kal, rechts­ra­di­kal!“ wird gleich acht­mal gebrüllt, der sons­ti­ge Text beinhal­tet Zei­len wie „Was glotzst Du so, Du dum­me Schwuch­tel …“ oder „Die Jungs haben heu­te wie­der Spaß, die Arme hoch – wir grü­ßen alle deut­schen Män­ner, die noch wel­che sind“, „wir pis­sen in die Wasch­be­cken auf jedem Wei­ber­klo“. Das scheint das Niveau zu sein, das für die Gra­zer Alle­man­nen erstre­bens­wert ist: dümm­li­che und het­ze­ri­sche brau­ne „Fascho-Schla­ger“.

Website Allemannia Graz 2003

Web­site Alle­man­nia Graz 2003

Website Allemannia Graz 2011

Web­site Alle­man­nia Graz 2011

Die Face­book-Sei­te der Alle­man­nen, die eigent­lich über Ver­an­stal­tun­gen der akti­ven Mit­glie­der infor­mie­ren will, wird schon seit dem Vor­jahr nicht mehr bedient; auf ihrer Web­sei­te sind nur Ver­laut­ba­run­gen zu fin­den, die in die Irre füh­ren. So wie die sie­ben Leit­li­ni­en der „Alle­man­nia“, in denen es etwa unter Punkt zwei heißt: „Ehre bedeu­tet per­sön­lich wahr­haf­tes Ver­hal­ten. Sie beinhal­tet nicht nur die Wah­rung der eige­nen Ehre, Ehr­lich­keit in Wort und Tat (Hand­schlag­qua­li­tät), son­dern ver­pflich­tet auch zu einem ehren­haf­ten Ver­hal­ten in allen Berei­chen des Lebens und zur Ach­tung der Wür­de jedes Men­schen.

Die Allemannen-Träume 2021? (Screenshot Website Allemannia)

Die Alle­man­nen-Träu­me 2021? (Screen­shot Web­site Allemannia)

Die­ses schwuls­ti­ge Ver­spre­chen ist durch „John­ny Zahn­golds“ Fascho-Song auf der Bude hin­rei­chend wider­legt. Ob und wel­che ande­ren brau­nen Songs in der lau­schi­gen August-Nacht auf der Alle­man­nen-Bude noch zum Ein­satz gekom­men sind, ob die Alle­man­nen etwa bei der Olym­pia Anlei­he genom­men haben, die die Nazi-Bar­den Micha­el Mül­ler, Frank Ren­ni­cke und Jörg Häh­nel auf ihrer Bude live träl­lern lie­ßen, oder ob sie wie die Rie­der pen­na­len Ger­ma­nen Lied­chen des Nazi Fyl­gi­en oder ande­res brau­nes Lied­gut mit­ge­grölt haben, das wis­sen wir nicht. Die Zei­le „Die­se Par­ty wird jetzt rechts­ra­di­kal“ genügt schon.

Die Gra­zer Bur­schen­schaft Alle­man­nia, die Mit­glieds­bund der Deut­schen Bur­schen­schaft (DB) und inner­halb die­ses Dach­ver­ban­des der noch rech­te­ren Frak­ti­on Bur­schen­schaft­li­chen Gemein­schaft (BG) ist, hat eine sehr ein­schlä­gi­ge Ver­gan­gen­heit, über die auf ihrer Web­sei­te aber nichts zu erfah­ren ist. Der Alle­man­ne Oskar Begusch, ein ille­ga­ler und fana­ti­scher Nazi hat­te 1919 im (öster­rei­chi­schen) Dach­ver­band Bur­schen­schaft der Ost­mark den Antrag auf Aus­schluss aller jüdi­schen Mit­glie­der aus den Bur­schen­schaf­ten gestellt, der dann ein Jahr spä­ter von der Deut­schen Bur­schen­schaft ange­nom­men wur­de und ab die­sem Zeit­punkt ver­bind­lich für alle Bur­schen­schaf­ten war („Arier­pa­ra­graph“).

Die brau­ne und anti­se­mi­ti­sche Ver­gan­gen­heit der Alle­man­nia hat übri­gens ein Alter Herr der Alle­man­nen gründ­lich auf­ge­ar­bei­tet, der His­to­ri­ker Gün­ter Cer­win­ka. Cer­win­ka ist so etwas wie das libe­ra­le Fei­gen­blatt der Alle­man­nen, den mitt­ler­wei­le vie­les an deren Ideo­lo­gie stört. Dem „Kurier“ (21.1.2018) gestand er, dass er 1959 mit „einer gewis­sen Nai­vi­tät Bur­schen­schaf­ter gewor­den“ sei, mitt­ler­wei­le aber nicht mehr mit Gewiss­heit sagen kön­ne, ob er noch ein­mal ein­tre­ten wür­de. 2012 war er der ein­zi­ge Bur­schen­schaf­ter bzw. Alte Herr aus Öster­reich, der einen Pro­test­auf­ruf zur Abbe­ru­fung eines Rechts­extre­men als Chef­re­dak­teur der Bur­schen­schaf­ter­blätt­chens unter­zeich­net hatte.

Die brau­ne musi­ka­li­sche Ein­la­ge mit dem Neo­na­zi „John­ny Zahn­gold” ali­as „Henry8” macht jeden­falls klar, wie man­che Alle­man­nen wirk­lich ticken.