Innsbruck: Zillertaler nach Nazi-Chatnachrichten verurteilt
Innsbruck: Wiederbetätigung vor Spionage-Prozess
Feldkirch/Vbg: Verhetzung und Tritte bei Festnahme
Innsbruck: Zillertaler nach Nazi-Chatnachrichten verurteilt
Der Titel der „Tiroler Tageszeitung“ (21.6.24) über die Wiederbetätigungsprozesse der Vorwoche am Innsbrucker Landesgericht ist missverständlich. Es handelt sich nicht um eine „Schwemme von NS-Prozessen“, sondern um eine steigende Anzahl von Menschen, die sich neonazistisch wiederbetätigen. Der folgenden Feststellung im Text ist allerdings zuzustimmen: „Wer geglaubt hatte, dass die Anhänger der Ideologie des Nationalsozialismus (NS) irgendwann zwangsläufig weniger werden würden, hat sich leider getäuscht.“
Am 19. Juni musste sich ein Staplerfahrer (24) aus Aschau (Zillertal) verantworten, der seinem Bruder und seinem Stiefvater
über Jahre geradezu unfassbare Geschmacklosigkeiten rund um den Massenmörder Adolf Hitler, die Judenverfolgung oder Konzentrationslager verschickt [hatte]. Dem Niveau des Angeklagten entsprechend waren aber beispielsweise auch Bilder zu sehen, bei denen ein Mann beim Geschlechtsverkehr den Hitlergruß ausführt oder Hitler als mit Hakenkreuzen geschmückter Rapper mit Schildkappe abgebildet ist. (Tiroler Tageszeitung, 21.6.24, S. 7)
Im Artikel wird noch erwähnt, dass die Fragen an die Geschworenen 37 Punkte umfassten, in denen er dann auch schuldig gesprochen und zu sieben Monaten Haft, bedingt auf drei Jahre, und 7.200 Euro Geldstrafe verurteilt wurde. Zusätzlich erhielt der Zillertaler die Auflage zu einer Bewährungshilfe und zu einem pädagogischen Rundgang durch eine KZ-Gedenkstätte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Innsbruck: Wiederbetätigung vor Spionage-Prozess
Angekündigt war für den 20. Juni eigentlich ein Spionage-Prozess gegen drei türkische Staatsangehörige (42, 44 und 45), die den türkischen Nachrichtendienst unter anderem mit Informationen wie etwa einem 300 Seiten umfassenden Dossier über Angehörige der Gülen-Bewegung, einem kompromittierenden Video über einen Religionslehrer und mit Infos über PKK-Mitglieder in Österreich versorgt haben sollen. Zudem sollen sie zwei Männer mit List in die Türkei gelockt haben, wo die dann vom Geheimdienst verhört wurden.
Geworden ist daraus aber ein Wiederbetätigungsprozess gegen den 45 Jahre alten Verdächtigten. Die Anklage nach § 103 StGB und Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs (§ 256 StGB) wurde abgetrennt und wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.
Der Verteidiger reklamierte, dass man mit seinem Mandanten den Falschen verdächtigen würde, denn der sei nämlich ein Linksliberaler, ein Anti-Nazi, schon von der Nationalität her. Der Angeklagte gab das Verschicken der braunen Nachrichten und Bilder zu, beharrte aber darauf, das in satirischer und kritischer Absicht getan zu haben. Die Staatsanwaltschaft widerlegte diese Argumentation. In den Videos, die gezeigt wurden, war von „angeblichen Gaskammern“ die Rede, der Holocaust wurde als „Lüge“ und „Mythos“ bezeichnet, die Gaskammern seien „nie im Betrieb“ gewesen.
Die Nachrichten, Bilder und Videos – die Staatsanwaltschaft sprach von 40 – sind kommentarlos über mehrere Jahre hinweg verschickt worden. Da waren weder Satire noch Kritik zu entdecken. Die Geschworenen sahen das überwiegend auch so – nur in einigen wenigen Punkten (drei von 33) sahen sie keine Schuld. Das Urteil fiel ziemlich mild aus: sechs Monate bedingt, aber nicht rechtskräftig, weil beide Seiten noch Bedenkzeit wollten. (Quellen: Tiroler Tageszeitung, 21.6.24, S. 7 und APA, 20.6.24)
Feldkirch/Vbg: Verhetzung und Tritte bei Festnahme
Es ist sicher nicht die optimale Voraussetzung für eine juristische Karriere, bei einer Festnahme die Polizisten anzugreifen und zu beschimpfen. Das darauf eine Anklage wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung an Polizisten, tätlichen Angriffs auf einen Beamten und Beleidigung nach sich ziehen kann, wissen auch Nichtjurist*innen. Wenn bei zwei der drei so Beschuldigten Jus-Studierenden aber auch noch eine rassistische Beschimpfung eines dunkelhäutigen Security-Mitarbeiters vorausgegangen ist, dann möchte man den zwei Studenten dringend einen anderen Beruf empfehlen. Aber vielleicht war das gar nicht so?
Das geschwisterliche Trio (24, 26 und 27), das nach dem Besuch einer Lustenauer Disco wegen der oben genannten Delikte angeklagt wurde, bekannte sich am Landesgericht Feldkirch nicht schuldig bezüglich der Angriffe auf die Polizisten bzw. für deren Verletzungen, sondern führte die häusliche Gewalt, die man in der Kindheit erfahren habe und die Atemnot bei der Festnahme an, die zu einer gewissen Erregung bzw. Panik geführt hätten. Die rassistische Beschimpfung des Security-Mitarbeiters, aber auch die Beschimpfung der Polizisten gaben die drei Geschwister allerdings zu. Weil die Richterin noch weitere Zeugen befragen will, wurde die Verhandlung vertagt. Fortsetzung heute, 25.6.. (Quellen: krone.at, 20.6.24 und Neue Vorarlberger Tageszeitung, 21.6.24, S. 17)
Update 25.6.24: Die erstanklagte, bislang unbescholtene Jusstudentin wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung an einem Polizisten, tätlichen Angriffs auf einen Beamten, Verhetzung und Beleidigung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 1.680 Euro verurteilt. Der Bruder, ebenfalls Jusstudent, erhielt gegen Bezahlung von 600 Euro eine Diversion.
Als Haupttäter wurde der Zweitangeklagte wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung, Verhetzung, Beleidigung und Verleumdung schuldig gesprochen. Über den netto 2400 Euro verdienenden und vorbestraften Facharbeiter wurde eine bedingte, nicht zu verbüßende Haftstrafe von neun Monaten und eine unbedingte, dem Gericht zu bezahlende Geldstrafe von 10.400 Euro (400 Tagessätze zu je 26 Euro) verhängt. Er hat zwei verletzten Polizisten als Teilschadenersatz 650 zu bezahlen und dem Gericht 500 Euro an Verfahrenskosten. (vol.at, 25.6.24)
Die Urteile sind bereits rechtskräftig.