Viel war über die pflichtschlagende akademische Burschenschaft Aldania in den Medien nicht zu lesen, viel aber über deren Angehörige – etwa der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp – und auch viel über den Deutschen Matthias Helferich, der beim Festkommers am kommenden Freitag anlässlich des 130. Stiftungsfestes der Verbindung die Festrede halten soll, wie aus dem „Stoppt die Rechten“ vorliegenden Programm (1) hervorgeht.
20.00 h c.t Festkommers
Arcotel Wimberger, Neubauergürtel 34–36, 1070 Wien
(mit Damen und Gästen)
Festredner: RA Matthias Helferich
Mitglied des Deutschen Bundestages
Mitglied im Rat der Stadt Dortmund
Helferichs Chats
2021 hätte Matthias Helferich eigentlich feiern können: Er war über die AfD in den Deutschen Bundestag eingezogen – wenn da nicht vor der Wahl von einem eigenen Parteikollegen geleakte Chat-Nachrichten aus den Jahren 2016/17 an die Öffentlichkeit gekommen wären.
Darin bezeichnet sich Helferich unter anderem als „das freundliche gesicht des ns“ (Schreibweise im Original) und schreibt, dass er beim Landeskongress des AfD-Jugendverbands Junge Alternative im Umgang mit einem innerparteilichen Gegner den „demokratischen Freisler“ geben wolle. (…) In einer weiteren Nachricht bezeichnete Helferich damals sein „bürgerliches Image“ als „nur schein“ und bezog sich positiv auf Adolf Hitler. „der führer schreibt: ‚Jahrelang mussten wir den Frieden predigen, um den Krieg vorbereiten‘ wir waren nett als ja-flügel aber wir können auch anders“. JA steht für Junge Alternative. (welt.de, 14.3.23)
Bereits 2006 wurde Helferich, damals noch bei der Jugendorganisation der CDU, in anonymen Briefen u.a. vorgeworfen, den heutigen CDU-Ministerpräsidenten von NRW, Hendrik Wüst, als „Judenschwein“ beschimpft zu haben. Helferich hatte dementiert, diese Äußerung jemals getätigt zu haben. Auch seine späteren Chatnachrichten sah Helferich zunächst als „Rufmord-Kampagne“, er habe sich später aber „reumütig“ (welt.de, 14.3.23) gezeigt und Fehler eingestanden.
Die AfD NRW hat Matthias Helferich mit 55% als Beisitzer in den Landesvorstand gewählt. Helferich hatte sich in zahlreichen geleakten Nachrichten (liegen @welt vor) positiv auf den Nationalsozialismus bezogen, bezeichnete sich u.a. als »das freundliche gesicht des ns« (Thread) pic.twitter.com/eDyQPmOVSf
— Frederik Schindler (@Freddy2805) February 24, 2024
Versuche, Helferich aus der AfD auszuschließen, scheiterten, eine Aufnahme in die AfD-Bundestagsfraktion blieb ihm bislang jedoch verwehrt. Nun ist Helferich mit einem erneuten Anlauf, ihn aus der AfD zu werfen, konfrontiert.
Der NRW-Parteivorstand hat am Sonntag ein entsprechendes Verfahren auf den Weg gebracht. (…) Grundlage für das Verfahren sind nach WDR-Informationen erneute Vorwürfe gegen den rechtsextremen Politiker. Der 35-Jährige habe — so heißt es aus Parteikreisen — erneut völkische Tendenzen erkennen lassen. Man akzeptiere „keine biologistische Sicht auf unser Staatsvolk”, äußert sich einer aus dem Umfeld des Landesvorstandes. (wdr.de, 26.5.24)
Bereits im Jahr 2021 ist Helferich von seiner Burschenschaft, der Frankonia Bonn, rausgeschmissen worden, durfte 2022 beim Burschentag der DB in Eisenach dennoch die Festrede halten, was vermuten lässt, dass Helferich bei einer anderen Verbindung Unterschlupf gefunden hat.
Im Nachgang zum berühmt gewordenen Potsdamer Treffen outete der „Spiegel“ (23.1.24) 15 Personen, die im Juli 2023 an einer klandestinen Party bei dem ehemaligen Berliner CDU-Senator und Identitären-Finanzier Peter Kurth teilgenommen hatten: „Die Liste liest sich wie das Who’s who der Neuen Rechten“, schreibt der Spiegel. Martin Sellner, Götz Kubitschek, Maximilian Krah und auch Helferich waren darunter.
Praktikum bei der Kärntner FPÖ
2019 hatte Helferich ein Praktikum im Landtagsklub der Kärntner FPÖ absolviert. Bei Bekanntwerden der Chatnachrichten äußerte sich der damalige FPÖ-Klubobmann Gernot Darmann: „Ich bin schockiert. Bei uns war er nicht auffällig, er hat halt sein Praktikum als Jurist absolviert und ist in diverse Landtagsausschüsse mitgegangen.“ (Kronen Zeitung Kärnten, 9.10.21, S. 27) Dass Helferichs Gesinnung in der Kärntner FPÖ nicht aufgefallen ist, könnte an den ähnlichen Einstellungen liegen.
Aldania als Hausburschenschaft der Wiener FPÖ
Die pflichtschlagende akademische Burschenschaft Aldania Wien gilt als Hausburschenschaft der Wiener FPÖ. Dementsprechend prominent waren und sind Aldanen bei den Wiener Blauen vertreten: Dominik Nepp, der Johann Gudenus (ebenfalls Aldane) als Wiener Parteichef beerbte, sowie auch der Klubobmann der FPÖ Wien, Maximilian Krauss sind Aldanen. (2)
„Unser rechtes Weltbild: RECHTS ist GUT !!“
Um nachzulesen, wie es um das Geschichtsverständnis der Aldanen steht, muss man genauer suchen, denn die Website sei „gerade im Umbau“, ist dort zu erfahren. Davor war ein Link zum Weltbild der Aldanen zu finden: „Unser rechtes Weltbild: RECHTS ist GUT !!“ In der aus Mitte der Zweizehner-Jahre stammenden Abhandlung wird gleich zu Beginn über die „abfällige Weise“, mit der über Burschenschaften in den Medien berichtet würde, lamentiert. „Dann werden Worte wie ‚rechtes Gedankengut‘, ‚deutschnationale Inhalte‘, ‚rechtsradikale Ideen‘ etc. gebracht, und dies in deutlich ablehnender Weise.“
Rechts sei, wird ausgeführt, die Beachtung der demokratischen Grundsätze. Als Zeugnis dafür wird ausgerechnet der Olympe Martin Graf zitiert, der sich 2008 zu erklären hatte, bevor er zum Dritten Nationalratspräsidenten gekürt wurde. Dieses Bekenntnis hinderte Graf freilich nicht daran, Neonazi-Mitarbeiter zu beschäftigen.
Auch zum Nationalsozialismus wird Stellung bezogen: „Heute wird der Holocaust von uns Burschenschaftern nicht nur nicht geleugnet, sondern als der Menschenwürde widersprechend abgelehnt“, ist zu lesen. Gegenteiliges wäre auch strafbar, ist anzumerken! Und: „Wir Burschenschafter haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, wir haben den Nationalsozialismus und den Antisemitismus als unmenschlich verurteilt und uns von ihnen (sic!) eindeutig distanziert.“
Wie das Bekenntnis mit der Praxis vereinbar ist, hinterlässt Fragen. Die dem Wiener Korporationsring (WKR) angehörige Aldania steht innerhalb der deutschsprachigen Korporationen weit rechts: Sie ist nicht nur Teil der ohnehin schon am rechten Rand angesiedelten Deutschen Burschenschaft (DB), sondern auch der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), die den Rechtsaußen-Flügel der DB bildet.
Wie es Aldanen mit dem Nationalsozialismus halten, hat eindrücklich Johann Herzog, Alter Herr der Verbindung, vorgeführt. Der ehemalige FPÖ-Gemeinderat war einer der Hauptinitiatoren des geschichtsrevisionistischen Nowotny-Gedenkens. Eine Distanzierung von den zahlreich teilnehmenden Neonazis ist Herzog nie über die Lippen gekommen. Auch von Herzogs Ausschluss oder einer Distanzierung durch seine Korporation ist nichts bekannt geworden.
Dass nun, im Jahr 2024, ausgerechnet „das freundliche Gesicht des NS“ als Festredner aufgeboten wird, vermag alle Distanzierungsversuche als Makulatur zu entlarven. Die Herren Nepp, Krauss und andere aus der FPÖ werden sich zu erklären haben.
Update 28.5.24: Der Journalist Stefan Kappacher hat für Ö1 (Bericht im Morgenjournal) um Stellungnahmen bei den beiden Aldanen Dominik Nepp und Eduard Schock sowie beim FPÖ-EU-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky angefragt. Niemand wollte etwas sagen. Auch ein Statement!
Update 29.5.24: Das Arcotel Wimberger distanziert sich via Instagram von der Veranstaltung (die Buchungsanfrage sei nicht ganz transparent erfolgt) und gibt bekannt, den Veranstaltern abgesagt zu haben.
Hans Kasper, Alter Herr der Aldania, laut einer Aldanen-Chronik aus 1984 „seit 1909 immerzu die Geschicke Aldanias leitend“, versandte 1938 ein Rundschreiben, in dem es heißt:
„Lieber Bundesbruder!
Das der deutschen Wehrschaft bei ihrer Gründung gesteckte Kampfziel wurde mit 13. März erreicht. Mit der Erreichung dieses Zieles hat sich die D. W. satzungsgemäß auf zu lösen.
Eine Zeit voll Jugendfröhlichkeit und Romantik, voll ernster Arbeit und verbissenen Kampfes findet durch den Sieg ihren herrlichen Abschluß.
(…) Eine neue Zeit ist erstritten und stellt an uns neue Aufgaben einem neuen Rahmen, in den Reihen der braunen Bataillonen Adolf Hitlers.
Würdig und stolz unsere Vergangenheit, wollen wir unsere blanken, nie entweihten Schläger versorgen und unser reines Fahnentuch einrollen, zum Zeichen dessen, daß wir entschloßen sind, nun im großen Rahmen der erkämpften deutschen Volksgemeinschaft, die uns neu zugewiesenen Aufgaben durchzuführen.
Unsere neue Lebensform ist die studentische Kameradschaft, zu der sich jeder Einzelne von uns nach reifer Überlegung bekennen soll.
(…) Der Aldanentag 1938, der für den 13. Mai 1938 einberufen war, hat nun folgenden Beschluß gefasst: Satzungsgemäß löst sich die „Wehrschaft Aldanen“ auf.
Der Abschluß unsrer Tätigkeit als selbstständiger Bund wird in Form eines Festkommerses begangen, der am 18. Juni 1938 im „deutschen Haus“ stattfinden wird. Mit Schluß des offiziellen Teiles wird feierlich die Auflösung der Wehrschaft bekannt gegeben. Banner, Mützen und Bänder werden eingezogen und dem Treuhänder übergeben. Die Chargierten treten ab und alle kommen im Braunhemd zurück, um unter der Fahne der Bewegung den Abend als Kameradschaftsabend zu beschließen. (…)
Heil Hitler!“ (3)
➡️ Der Standard: Umstrittenes AfD-Mitglied Helferich als Gastredner bei FPÖ-naher Burschenschaft
➡️ Die Presse: „Freundliches Gesicht des NS“: AfD-Mann Helferich plant Auftritt in Wien
Fußnoten
1 Das Programm hat „Stoppt die Rechten“ dankenswerterweise über die immer gut informierte „Autonome Antifa Freiburg“ erhalten.
2 Aldanen-Mitglieder aus der Wiener FPÖ
Dominik Nepp (Obmann FPÖ-Wien und nichtamtsführender Stadtrat)
Maximilian Krauss (Klubobmann FPÖ-Wien)
Stefan Berger (Gemeinderat/Landtagsabg.; seine Mitgliedschaft ist unbestätigt)
ehemalige FPÖ-Politiker
Eduard Schock (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg.; unter Türkis-Blau 2019 in das Direktorium der Österreichischen Nationalbank gehievt)
Johann Gudenus (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg. und Ex-Klubobmann Nationalrat, 2005–2019; nach „Ibiza“ Rücktritt von allen politischen Ämtern und von der FPÖ ausgetreten)
Armin Blind (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg., 2010–2020)
Johann Herzog (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg. und 2. Präsident des Wiener Landtags, 1990–2015)
Helmut Kowarik (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg., 1991–2005)
Alexander Pawkowicz (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg., 2015–2020)
Rainer Pawkowicz (Ex-Gemeinderat/Landtags- und Nationalratsabg., 1978–1998)
Rudolf Stark (Ex-Gemeinderat/Landtagsabg., 1991–2020)
3 Jörg Mayer, 90 Jahre Aldania. Vom Werden und Wirken einer deutschen Korporation. Selbstverlag Wien 1984. Einleitend zum oben zitierten Rundschreiben heißt es dort:
Nach der Auflösung aller waffenstudentischen Korporationen in Wien am 18. Juni 1938 gibt es unsere Aldania nur mehr im Herzen aller ehemaligen Bundesbrüder, dort allerdings war sie so gründlich und liebevoll vergraben, daß sie nach der Versenkungszeit wieder Kraft genug hatte, um zu neuem Leben zu erwachen.
Unser EBAH Hans Kasper, nun bereits 27 Jahre, seit 1909 immerzu die Geschicke Aldanias leitend, setzte sich auch damals wieder an die Spitze und verfaßte folgendes Rundschreiben