Lesezeit: 5 Minuten

Vom HGM nach Landeck

In unse­rer Arbeit gibt es wenig Erfreu­li­ches zu berich­ten. Hit­ler­grü­ßer, Holo­caust­leug­ner oder Het­zer gehö­ren zum All­tag. Umso wich­ti­ger, wenn zwi­schen­durch auch ein­mal von Erfol­gen berich­tet wer­den kann. Was wir heu­te mit Berich­ten über die jüngs­ten Ent­wick­lun­gen beim Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um (HGM) und das Nazi-Video in Lan­deck machen. Neu­er Direk­tor im HGM Mit der Bestel­lung eines neu­en Direktors […]

21. Feb 2023
Saal 7 HGM (Foto SdR)
Saal 7 HGM (Foto SdR)

Neu­er Direk­tor im HGM

Mit der Bestel­lung eines neu­en Direk­tors für das Hee­res­ge­schicht­li­che Muse­um (HGM) in Wien ist ein wich­ti­ges Ziel, das wir uns zu Beginn unse­rer Recher­chen und Berich­te über das HGM gesetzt haben, erreicht. Der frü­he­re und lang­jäh­ri­ge Direk­tor des HGM, Mario Chris­ti­an Ort­ner, wur­de end­lich abge­löst. End­lich, weil es zeit­wei­se schien, als ob er alle Skan­da­le, Recher­chen und Ent­hül­lun­gen über das HGM und sei­ne Ver­ant­wor­tung weg­tau­chen könn­te. Nach dem Aus­lau­fen sei­nes Ver­trags konn­te Ort­ner noch inte­ri­mis­tisch über zwei Jah­re Direk­tor blei­ben und ver­su­chen, sei­ne bereits brö­ckeln­de Macht den­noch für eine Wie­der­be­stel­lung zu nutzen.

Fast schien es schon so, als ob ihm das gelin­gen wür­de. Im fina­len Drei­er­vor­schlag der Begut­ach­tungs­kom­mis­si­on des Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums war Ort­ner ver­tre­ten. Ob als Erst­ge­reih­ter oder bloß einer der angeb­lich drei Bes­ten, war dann schon fast uner­heb­lich. „Mehr Bock zum Gärt­ner war nie. Chris­ti­an Ort­ner wird Lei­ter des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums blei­ben“, warn­te der erfah­re­ne Muse­ums­exper­te Gott­fried Fliedl auf sei­nem Blog „Museo­lo­gien“. Gut, dass er sich geirrt hat! Wir konn­ten auf „Stoppt die Rech­ten“ aus­führ­lich aus den Unter­la­gen der 16 Bewer­ber (kei­ne ein­zi­ge Frau dar­un­ter) zitie­ren, dann ver­ord­ne­te Bun­des­mi­nis­te­rin Tan­ner eine neue (erwei­ter­te) Begut­ach­tungs­run­de – und Ort­ner war aus dem Rennen.

Jetzt also ist Georg Hoff­mann neu­er Direk­tor des HGM. Ob der die mul­ti­plen Her­aus­for­de­run­gen – Dia­log und Koope­ra­ti­on mit der Initia­ti­ve „HGM neu den­ken“, Abar­bei­ten der Kri­tik­punk­te des Rech­nungs­hofs, der Prü­fungs­kom­mis­sio­nen, der Rechts­extre­mis­mus­vor­wür­fe, der Mob­bing- bzw. Bos­sing-Vor­wür­fe – schaf­fen wird? Wir wis­sen es nicht. Eines aber wis­sen wir bestimmt: Wir haben mit unse­rer Kri­tik an den rechts­extre­men Umtrie­ben rund um das HGM die mitt­ler­wei­le mehr­jäh­ri­ge Debat­te, die sich dann in vie­len Facet­ten mit den Miss­stän­den am HGM beschäf­tigt hat, aus­ge­löst (wei­ter­ge­tra­gen wur­de sie von vie­len ande­ren, etwa der schon erwähn­ten Initia­ti­ve „HGM neu den­ken“). Das bestä­tigt uns in vor­neh­mer Zurück­hal­tung sogar die „Pres­se“ (15.2.23):

Es ist voll­bracht, die Geburt war denk­bar schwer. Das Hee­res­ge­schicht­li­che Muse­um (HGM) hat einen neu­en Direk­tor, nach zwei­ein­halb Jah­ren Rin­gen. Wir erin­nern uns: Eine Recher­che-Platt­form warf dem bis­he­ri­gen Lei­ter Mario Chris­ti­an Ort­ner ein revi­sio­nis­ti­sches Geschichts­bild und das Dul­den rechts­extre­mer Umtrie­be vor.

Saal 7 HGM (Foto SdR)
Saal 7 HGM: Mit Hit­ler über­frach­tet (Foto SdR)

P.S.: Ort­ner wur­de auf einen neu­en Füh­rungs­pos­ten gehievt: Das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um ernann­te ihn zum Lei­ter des Insti­tuts für Stra­te­gie und Sicher­heits­po­li­tik an der Lan­des­ver­tei­di­gungs­aka­de­mie. Es hagel­te wie­der Kri­tik, da der Pos­ten nicht aus­ge­schrie­ben wur­de und weil Ort­ner dafür nicht qua­li­fi­ziert sei.

Lan­deck deckt zu

Zur Erin­ne­rung: In Lan­deck wur­de vor weni­gen Wochen ein Video auf die Platt­form „Vimeo” online gestellt, das nur so von Nazi-Pro­pa­gan­da strotz­te. Nach einer Mail-Anfra­ge von „Stoppt die Rech­ten“ ver­schwand das Video, wäh­rend der Lan­de­cker Rechts­an­walt Mar­tin Wal­ser eine Auf­sichts­be­schwer­de beim Stadt­amt der Stadt Lan­deck einbrachte.

Wir waren in unse­rer Bericht­erstat­tung noch davon aus­ge­gan­gen, dass das Video, das schon im Jahr 2010 von der Stadt Lan­deck (!) pro­du­ziert und von dem mehr als 200 DVDs ver­trie­ben wur­den, bei einer Ver­an­stal­tung der Stadt­ge­mein­de wegen eines tech­ni­schen Gebre­chens nicht gezeigt wer­den konn­te. Dem war aber nicht so: Das Nazi-Video war in Anwe­sen­heit der Stadt­ho­no­ra­tio­ren vor­ge­führt wor­den – in vol­ler Län­ge und offen­bar ohne jeg­li­che Kri­tik dar­an. Danach wur­de es auf „Vimeo” hochgeladen.

Nach unse­rer Mail-Anfra­ge, der Auf­sichts­be­schwer­de von Wal­ser und einem Bericht in der „TT“ (10.2.23) war in Lan­deck Feu­er am Dach. Ein zunächst nicht nament­lich genann­ter His­to­ri­ker wur­de von der Stadt­ge­mein­de mit der Prü­fung des Fil­mes beauf­tragt. Der Bür­ger­meis­ter fühl­te sich durch die Prä­sen­ta­ti­on des Vide­os über­rum­pelt und erklär­te, dass die Beschlüs­se aus dem Jahr 2010 zu dem Video nicht mehr auf­find­bar seien.

Der mit der Prü­fung beauf­trag­te His­to­ri­ker, Roman Spiss, bestä­tig­te bin­nen weni­ger Tage die auch von uns geäu­ßer­te Kri­tik: „Das grund­sätz­li­che Pro­blem ist, dass die Ebe­ne der Opfer nur am Ran­de erwähnt ist.“ (TT, 14.2.23) Das Mate­ri­al trans­por­tie­re die Selbst­dar­stel­lung der Nazis, so der His­to­ri­ker, wäh­rend der Ver­fas­ser der Kom­men­tie­rung dar­auf ver­wies, dass das Video nur zei­ge, „wie es damals gewe­sen ist“ und es bei der Auf­füh­rung im Rat­haus auch kei­nen Pro­test gege­ben habe.

Wäh­rend der Bür­ger­meis­ter eine Über­ar­bei­tung des Vide­os absag­te, erle­dig­te das Stadt­amt die Auf­sichts­be­schwer­de von Rechts­an­walt Wal­ser durch deren Wei­ter­lei­tung an die Bezirks­haupt­mann­schaft Lan­deck, die ihre Absa­ge mit einer Aus­kunft der Stadt­ge­mein­de Lan­deck begründete:

Die Stadt­ge­mein­de Lan­deck hat die betref­fen­de DVD einem Lan­de­cker His­to­ri­ker zur Beur­tei­lung des ver­wen­de­ten Bild- bzw. Film­ma­te­ri­als über­mit­telt. Die­ser emp­feh­le, den Film nicht wei­ter in Umlauf zu brin­gen. Die Stadt­ge­mein­de Lan­deck hat daher jene Per­son, die die Ver­viel­fäl­ti­gun­gen vor­ge­nom­men hat, bereits infor­miert, dass kei­ne Ver­viel­fäl­ti­gun­gen mehr ange­fer­tigt bzw. vor­han­de­ne Exem­pla­re nicht mehr in Umlauf gebracht wer­den dür­fen. Es erfolgt somit auch kei­ne Ver­wen­dung für die 100-Jahr- Fei­er­lich­kei­ten der Stadt­ge­mein­de Lan­deck. Somit sehen wir kei­ne Ver­an­las­sung für ein wei­te­res Tätigwerden.

Das Stadt­amt Lan­deck bzw. die Bezirks­haupt­mann­schaft (BH) haben sich also ent­schie­den, nicht wei­ter zu prü­fen, ob durch die Pro­duk­ti­on, Ver­brei­tung und Auf­füh­rung des Vide­os natio­nal­so­zia­lis­ti­sches Gedan­ken­gut ver­brei­tet und damit eine Ver­wal­tungs­über­tre­tung nach Art. III Abs. 1 Zif­fer 4 EGVG began­gen wur­de oder gar der Ver­dacht der Wie­der­be­tä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz gege­ben ist. Rechts­an­walt Wal­ser hat uns mit­ge­teilt, dass er bei der Lan­des­amts­di­rek­ti­on eine Prü­fung der „Erle­di­gung“ durch die BH Lan­deck ange­regt habe.

Ein Lehr­stück im Umgang mit brau­nen Relik­ten? Stimmt, aber eines, das noch nicht abge­schlos­sen ist! Die wei­te­re Ver­brei­tung des Nazi-Schunds im Inter­net haben wir jeden­falls verhindert.

Oberländer Rundschau 15./16.2.23 zum Landeck-Film
Ober­län­der Rund­schau 15./16.2.23 zum Landeck-Film
TT 14.2.23 zum Ende des Landeck-Nazi-Videos
TT 14.2.23 zum Ende des Landeck-Nazi-Videos