Künstler vor Gericht: Schuldspruch nach Holocaustleugnung

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Er ist Pen­sio­nist und trägt einen „Prof.“ vor dem Namen, wobei die Her­kunft des Ehren­ti­tels zumin­dest am Lan­des­ge­richt Wien, an dem der 74-jäh­ri­ge Nie­der­ös­ter­rei­cher am 17. Febru­ar erschei­nen muss­te, nicht geklärt wer­den konn­te. Aber es ging auch nicht um den Titel des frei­schaf­fen­den Künst­lers, son­dern um einen Kom­men­tar, den er auf dem Blog von Andre­as Unter­ber­ger hin­ter­las­sen hatte.

Die Staats­an­walt­schaft stell­te fest, dass der Kom­men­tar des Ange­klag­ten in kei­ner­lei Bezie­hung zu dem vor­an­ge­stell­ten Arti­kel stand, son­dern völ­lig auto­nom den Holo­caust leug­ne­te und revi­sio­nis­ti­sche Inhal­te einer Per­so­nen­an­zahl, die weit über das straf­recht­lich not­wen­di­ge Min­dest­maß von 30 poten­zi­el­len Rezipient*innen gegan­gen sei, zugäng­lich gemacht hat­te. 

Die Quint­essenz der Ergüs­se des Herrn „Prof.“ gip­fel­ten in den alten Nazi-Lügen, „das Welt­ju­den­tum“ habe Deutsch­land den Krieg erklärt, „jüdi­sche Eli­ten“ wür­den das Wort „Holo­caust“ in Bezug auf das, „was dem jüdi­schen Volk wäh­rend des WK II angeb­lich von Deut­schen ange­tan wur­de“ aus­nut­zen. Und – inklu­si­ve Sprach­feh­ler: „ Aber der eigent­li­che Holo­caust war der, den die bol­sche­wis­ti­schen Juden das rus­si­sche Volk nach der Revo­lu­ti­on nach 1917 unter­war­fen.

Der Ange­klag­te blieb auch vor Gericht bei die­sen Behaup­tun­gen. Er setz­te noch eins drauf, indem er die Anzahl der sechs Mil­lio­nen ermor­de­ten Juden in Zwei­fel zog, denn die Zahl sei ein seit 1891 gebrauch­tes typisch jüdi­sches Sym­bol. Eben­so, führ­te er fort, wol­le er beto­nen, dass auch Sta­lin schwers­te Ver­bre­chen began­gen habe, was aber „der Main­stream“ immer ausblende.

Der in ein­schlä­gi­gen Kunst­krei­sen durch­aus bekann­te Maler zeig­te sich in der Befra­gung vor Gericht rede­freu­dig und leg­te schon allei­ne durch die Wort­wahl ein deut­li­ches Zeug­nis sei­ner anti­se­mi­ti­schen und ver­schwö­rungs­er­zäh­le­ri­schen Inter­pre­ta­ti­ons­wei­se von his­to­risch-poli­ti­schen The­ma­ti­ken ab, indem er wie­der­holt für das Milieu ein­schlä­gi­ge Aus­drü­cke wie z.B. „Main­stream-Wis­sen“, „bezahl­te Pres­se“, „jüdi­sche Eli­ten“ oder Sen­ten­zen wie, „Das hängt alles zusam­men“, ver­wen­de­te und dar­über hin­aus auch Topoi des klas­si­schen NS-Revi­sio­nis­mus bemüh­te, wie etwa den Ver­gleich der Sho­ah mit den Rhein­wie­sen­la­gern oder der Bom­bar­die­rung Dres­dens. Dabei dürf­te das dis­kur­si­ve Haupt­ma­te­ri­al sei­nes Revi­sio­nis­mus dem US-ame­ri­ka­ni­schen Holo­caust-Leug­ner Ben­ton L. Brad­ber­ry „Das Mär­chen vom bösen Deut­schen — Ein US-ame­ri­ka­ni­scher Luft­waf­fen-Offi­zier und Dipl.-Politologe spricht Klar­text!“ ent­stam­men, das er im Ori­gi­nal­post zwar zitiert, aber nicht als Zitat sicht­bar gemacht habe.

Inter­es­sant waren auch die per­ma­nen­ten Ver­wei­se auf den Sprech der Corona-Leugner*innen-Szene: Es sei ja schon ein Zei­chen, so der Ange­klag­te, dass er hier sit­ze, das hät­te er sich nicht träu­men las­sen, er wol­le ja ledig­lich „auch die ande­re Sei­te zei­gen“. Aber die Wahr­heit wür­de heu­te von den sys­tem­kon­for­men Medi­en dik­tiert, die alle­samt gelenkt und gesteu­ert wären. Die „Kri­ti­ker“ wür­den gejagt und vor Gericht gestellt, wie nun auch nach Corona.

Obskur mute­te sei­ne Behaup­tung an, er sei mit dem 2018 ver­stor­be­nen Holo­cau­st­über­le­ben­den und bis zu sei­nem Tod über­zeug­ten Anti­fa­schis­ten Rudolf Gel­bard befreun­det gewe­sen, sowie das Fak­tum, dass sei­ne hal­be Fami­lie jüdi­schen Glau­bens und sein Groß­va­ter kom­mu­nis­ti­scher Wider­ständ­ler wäh­rend des NS-Regimes gewe­sen sei.

Das Pos­ting wur­de von einer*m ande­ren User*in des Forums bei der NS-Mel­de­stel­le ange­zeigt, Unter­ber­ger habe, so ließ er das Gericht schrift­lich wis­sen, den ange­klag­ten Kom­men­tar schnell gelöscht und den Ver­fas­ser gesperrt.

Es erstaunt nicht, dass die Ver­hand­lung mit einem ein­stim­mi­gen Schuld­spruch ende­te. Mit zwei Jah­ren beding­ter Frei­heits­stra­fe scheint der Ange­klag­te ange­sichts der auch vor Gericht fort­ge­setz­ten Straf­tat rela­tiv gut bedient zu sein. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Wir dan­ken prozess.report für die Pro­zess­be­ob­ach­tung und den Bericht!

➡️ orf.at: NS-Wie­der­be­tä­ti­gung: Maler verurteilt