Die Vorwürfe gegen HGM-Chef Christian Ortner wiegen schwer: Es soll rechtsextreme Umtriebe an seinem Haus gegeben haben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter klagen über ein Klima der Angst im Museum, Bestände aus den Sammlungen sind auf rätselhafte Weise verschwunden, und in der internationalen Diskussion spielt das Heeresgeschichtliche Museum so gut wie keine Rolle mehr. Und nun sorgt auch noch das Ausschreibungsverfahren, vom Verteidigungsministerium im Frühsommer gestartet, für Diskussionen. (Günter Kaindlstorfer im Ö1-Morgenjournal, 29.11.22)
Die im offenen Brief von Bediensteten des HGM an Bundesministerin Tanner geäußerten Vorwürfe würden geprüft, heißt es aus dem Ministerium. Wie lange eigentlich? Denn mittlerweile tickt die Uhr für die Bestellung des neuen Direktors – und der soll so heißen wie der alte: Mag. Dr. Mario Christian Ortner.
16 Personen (darunter keine einzige Frau!) haben sich für die Führung des in Österreich einzigen Museums, das direkt einem Ministerium unterstellt ist, beworben. Mittlerweile ist der Begutachtungsvorgang in der finalen Runde. Drei Personen wurden als nicht geeignet ausgeschieden, fünf erhielten den wenig attraktiven Status „in geringerem Ausmaß geeignet“ zugebilligt. Fünf durften sich über das Prädikat „in hohem Ausmaß geeignet“ freuen, verfehlten damit aber die Finalrunde, die drei Personen mit dem Jubeltitel „in höchstem Ausmaß geeignet“ zugebilligt wurde.
Wie kommt man zu diesen Bewertungen? Indem man zunächst eine Begutachtungskommission zusammenstellt, die aus vier Personen besteht: zwei repräsentieren das Verteidigungsressort, einer die Personalvertretung und einer die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Preisfrage: Wie viele von ihnen sind nicht schwarz/türkis?
Das Ausschreibungsgesetz sieht vor, dass in der Ausschreibung die (erwarteten) besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt und bewertet werden. Im Falle der HGM-Begutachtungskommission wurde so bewertet
a. Mehrjährige Erfahrung im musealen Bereich (10 %)
b. Besondere Kenntnisse im Bereich Museumsmanagement (20 %)
c. Umfassende Kenntnisse im Bereich Sammlungs‑, Ausstellungs- und Forschungsmanagement (20 %)
d. Kenntnisse in der Budgetführung (10 %)
e. Beherrschung moderner Planungstechniken und ‑werkzeuge und fachspezifische IT-Kenntnisse (10 %)
f. Besondere Fähigkeiten und Erfahrungen in Verhandlungsführung mit ressortinternen und externen Spitzenrepräsentanten (10%)
g. Besondere Qualitäten hinsichtlich Führungsstil, hohe Belastungskapazität und besondere Kommunikationsfähigkeit (15%)
h. Der Funktion entsprechende Fremdsprachenkenntnisse (5%)
Darf man schon durch die Gewichtung der Kriterien etwas ahnen? Etwa, dass Kenntnisse der Budgetführung so bescheiden bewertet werden, weil sie für die bisherige Direktion im Rechnungshofbericht so desaströs ausgefallen sind?
Wie soll jemand, der (noch) nicht Direktor des HGM war oder eine ähnliche Funktion ausgeübt hat, gegen die ca. 50 % Vorsprung durch die ersten drei Punkte ankommen? Wie soll einer 10 Prozent im Punkt f) erhalten, wenn er keine „ressortinterne Verhandlungsführung“ nachweisen kann? Wie wurde die Beherrschung moderner Planungstechniken usw. (Punkt e) gecheckt? Durch Vertrauen in die Bewerbungsunterlagen?
Da wäre beispielsweise der Leiter eines für österreichische Verhältnisse durchaus großen Landesmuseums mit etlichen Außenstellen. Zu Punkt e) wird ihm zwar bestätigt, ein „umfassendes Digitalisierungsprojekt durchgeführt“ zu haben, ob seine Kenntnisse „allerdings am Stand der Zeit“ sind, bezweifelt die Kommission und billigt ihm nur ein teilweise erfülltes Kriterium zu. Auch bei Punkt f) ist die Kommission sehr streng. Der Museumsdirektor, der viele Jahre mit den Spitzenpolitiker*innen seines Bundeslandes verhandelt hat, „scheint das Kriterium zum Teil zu erfüllen“. Insgesamt wird er als „in geringerem Ausmaß geeignet“ beurteilt.
Er ist nicht der einzige höchst qualifizierte Bewerber, der es dank der kreativen Verteilung und Anwendung von teilweise diffusen Kriterien durch die Kommission nicht in die Endrunde schafft. Ein Einzelfall? Ja, wenn man die anderen Einzelfälle außer Betracht lässt. Wir haben hier nicht den Platz, auf alle anderen Bewerbungen im Einzelnen einzugehen, obwohl sich die Vergleiche lohnen würden.
Einer geht noch: Der Bewerber ist bestens qualifiziert, hat etliche Ausstellungen auch in Museen kuratiert, schafft aber trotzdem nur die Bewertung, dass die besonderen Kenntnisse im Bereich Museumsmanagement „noch nicht in vollem Umfang erkennbar“ sind. Kenntnisse in der Budgetführung werden ihm „bestenfalls rudimentär“ zugesprochen. Ein glattes Minus bei der Kommission. Merke: Keine nachgewiesenen Kenntnisse in der Budgetführung sind viel schlimmer als eine heftig kritisierte Budgetführung.
Womit wir beim Jubelkandidaten der Kommission wären, dem anscheinend die Herzen der Mitglieder zugeflogen sind: Dr. Mario Christian Ortner, der langjährige und bisherige Direktor des HGM. Zu ihm gäbe es zwar nicht nur – wie bei vielen der Bewerber – erahnte oder gefühlte Einschätzungen und Bewertungen, sondern hard facts, die der Rechnungshof (RH) in einem umfangreichen Bericht im Jahr 2020 herausgearbeitet hat. Nach der Lektüre dieses Berichts ist zwar auch klar, dass der Direktor nicht der einzige Verantwortliche für die verheerenden Zustände beim Heeresmuseum war, aber vermutlich der Wichtigste. Ausgerechnet der soll „in höchstem Ausmaß geeignet“ sein? Das geht nur, wenn der Bericht des RH völlig ignoriert wird. Auch in den Zusatzfragen, die man dem Kandidaten vor die Füße gelegt hat, finden sich keine Hinweise darauf, dass die Kommission mit dem Herrn Direktor den Katstrophenbericht besprochen hätte. Stattdessen darf er Fragen aus den Gebieten „negative Kommentare bzw. Kritikpunkte von Besucherseite“ (da kommt vielleicht SdR vor), „Ausmaß der Darstellung des Völkermordes im Vergleich zu anderen Themen“, „mögliche Außenstellen“ und als Höhepunkt „Scheitern bzw. Niederlagen bei Führungsarbeit“ beantworten.
„Im Bereich der Sammlungs- und Leihgabenakquisition [ist er] mit geschickter Verhandlungsführung bestens vertraut“, jubelt die Kommission. So kann man die massive Kritik des RH (TZ 31) (1) schöpferisch neu als Geschick interpretieren. Da stellt sich die Frage, wie ernst das Parlament die Arbeit seines Organes Rechnungshof nimmt? Der zuständige Ausschuss hat sich schon im März 2021 mit dem Bericht befasst, wobei der Abgeordnete Hörl , oberster Seilbahn-Lobbyist und Rechtsaußen in der ÖVP und der mittlerweile aus dem Nationalrat ausgeschiedene FPÖ-Rechtsaußen und deutsche Burschenschafter Reinhard Bösch, keine Kritik im Bericht, sondern nur eine tolle Arbeit des Direktors sehen wollten. Alternative Facts eben!
Mittlerweile hat sich allerdings breiter Widerstand gegen den seltsamen Bestellungsvorgang entwickelt.
1 „Für den Erwerb von Sammlungsobjekten gab es keine standardisierten schriftlichen Vorgaben, keine dokumentierten Prozessabläufe und keine nachvollziehbare Aktenführung, woraus zahlreiche Mängel resultierten. So kaufte das Heeresgeschichtliche Museum 54 Objekte aus dem Eigentum des Direktors und seines Stellvertreters, obwohl keine gesonderten Vorgaben für Ankäufe von eigenen Bediensteten vorlagen, wie dies internationale Richtlinien aufgrund der Problematik der Befangenheit vorgeben. (TZ 31)” (Rechnungshofbericht Heeresgeschichtliches Museum 2020, S. 10)