Begräbnis mit Folgen: 2 SachverhaltsdarstellungenLesezeit: 4 Minuten

Gleich zwei Sach­ver­halts­dar­stel­lun­gen hat das Begräb­nis des SS-Vete­ra­­nen Her­bert Bel­l­­schan-Mil­­den­­burg zur Fol­ge: eine von „Stoppt die Rech­ten”, weil eine Kranz­schlei­fe mit einem leicht abge­wan­del­ten SS-Spruch gar­niert war und eine von der Grü­nen Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Olga Vog­lau­er zum Grab­stein des ehe­ma­li­gen Gau­lei­ters von Kärn­ten und Salz­burg, auf dem sich Runen und ein Hit­­ler-Zitat fin­den. Es war erwartbar: […]

2. Dez 2022

Es war erwart­bar: Die Ver­ab­schie­dung von Bell­schan-Mil­den­burg, das am 12. Novem­ber am Fried­hof Anna­bichl in Kla­gen­furt statt­fand, geriet zu einem Auf­marsch von Rechts­extre­men und Neo­na­zis. Dem Pres­se­ser­vice Wien ist zu ver­dan­ken, dass die Ver­an­stal­tung foto­gra­fisch doku­men­tiert wur­de. Neben den öster­rei­chi­schen Neo­na­zis Gott­fried Küs­sel und Franz Radl reis­te aus Deutsch­land auch der oft­ma­li­ge Ulrichs­berg-Teil­neh­mer Nils Larisch an, der im März 2019 zusam­men mit Bell­schan-Mil­den­burg den mitt­ler­wei­le ver­stor­be­nen Holo­caust­leug­ner Wolf­gang Fröh­lich bei des­sen Haft­ent­las­sung emp­fan­gen hat.

Die Sach­ver­halts­dar­stel­lung von SdR an die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt bezieht sich auf die Schlei­fe des Kran­zes, der namens der „Österr. Sol­da­ten­ver­band ‑Kame­rad­schaft IV – Stei­er­mark – Südburgenland” nie­der­ge­legt wur­de. Dort ist der abge­wan­del­te SS-Spruch „Sei­ne Ehre hieß Treue” zu lesen.

Kranz der Kameradschaft IV Steiermark – Südburgenland mit Parte und Schleife "Seine Ehre hieß Treue" – links davon Kranz mit Schleife in den Farben der Reichskriegsflagge von Nils Larisch, dessen Frau Connie u.a. (Foto: Presseservice)
Kranz der Kame­rad­schaft IV Stei­er­mark – Süd­bur­gen­land mit Par­te und Schlei­fe „Sei­ne Ehre hieß Treue” – links davon Kranz mit Schlei­fe in den Far­ben der Reichs­kriegs­flag­ge von Nils Larisch, des­sen Frau Con­nie u.a. (Foto: Pres­se­ser­vice)

Betr.: Sach­ver­halts­dar­stel­lung zum Ver­bots­ge­setz § 3

Sehr geehr­te Damen und Herren,

ich brin­ge Ihnen fol­gen­de Sach­ver­hal­te zur Kennt­nis und ersu­che Sie um Prü­fung, ob dadurch der Ver­dacht des Ver­bre­chens nach § 3 Ver­bots­ge­setz gege­ben ist.

Am Grab des am 25.10. 2022 ver­stor­be­nen SS-Vete­ra­nen Her­bert Bell­schan-Mil­den­burg auf dem Kla­gen­fur­ter Zen­tral­fried­hof Anna­bichl wur­de – ver­mut­lich im Rah­men der öffent­li­chen Begräb­nis­ze­re­mo­nie vom 12.11.2022, an der zahl­rei­che Rechts­extre­me und Neo­na­zis wie Gott­fried Küs­sel teil­nah­men – ein Kranz nie­der­ge­legt, der fol­gen­de Schlei­fen­in­schrif­ten trug: „Österr. Sol­da­ten­ver­band ‑Kame­rad­schaft IV – Stei­er­mark – Süd­bur­gen­land“ sowie „Sei­ne Ehre hieß Treue“. (Fotos kön­nen bei­gebracht werden).

Ich wei­se zudem auf die fol­gen­den Sach­ver­hal­te hin:

Die Kame­rad­schaft IV ver­stand sich als Nach­fol­ge- bzw. Tra­di­ti­ons­ver­ein der ehe­ma­li­gen Mit­glie­der der Waf­fen-SS und deren Ange­hö­ri­ger. Die Waf­fen-SS wur­de in den Nürn­ber­ger Pro­zes­sen als ver­bre­che­ri­sche Orga­ni­sa­ti­on ein­ge­stuft, ihr Bun­des­ver­band hat sich 1995 frei­wil­lig selbst auf­ge­löst, um so einem ver­eins­recht­li­chen Ver­bot zuvor­zu­kom­men. Quel­le: DÖW https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/kameradschaft-iv-k-iv-die-kameradschaft .

Der Spruch „Unse­re (mei­ne) Ehre heißt Treue“ ist in allen Vari­an­ten bzw. Abwand­lun­gen nach der Recht­spre­chung der Gerich­te in den letz­ten Jahr­zehn­ten ein Delikt, das unter die Bestim­mun­gen des Ver­bots­ge­set­zes § 3g fällt. Ins­be­son­de­re ist die Argu­men­ta­ti­on, wie sie etwa 2001 zur Ein­stel­lung eines Ver­fah­rens durch die Staats­an­walt­schaft Kla­gen­furt geführt hat https://www.derstandard.at/story/776431/meine-ehre-heisst-treue-zieht-keine-anklage-nach-sich , nicht mehr denk­bar, da mitt­ler­wei­le selbst den Mit­glie­dern des Kame­rad­schafts­bun­des – gera­de durch die dama­li­ge Anzei­ge – die Bedeu­tung und damit die sub­jek­ti­ve Tat­sei­te bei wei­te­rer Ver­wen­dung des Spru­ches klar sein muss.

Zudem wei­se ich dar­auf hin, dass schon im Jahr 2008 eine Kranz­nie­der­le­gung durch Mit­glie­der der Kame­rad­schaft IV Bezirks­grup­pe Süd­bur­gen­land zu einer Anzei­ge nach dem Ver­bots­ge­setz geführt hat, weil der Kranz eben­falls die Inschrift „Sei­ne Ehre hieß Treue“ auf einer Schlei­fe trug https://bglv1.orf.at/stories/328120 .

Mir ist der­zeit nicht bekannt, wel­che Per­so­nen den Kranz am Grab des Her­bert Bell­schan-Mil­den­burg nie­der­ge­legt haben.

Ich ersu­che um Über­prü­fung der geschil­der­ten Sach­ver­hal­te in Hin­blick auf ihre straf­recht­li­che Rele­vanz und bit­te Sie, mich vom Ergeb­nis Ihrer Ermitt­lun­gen zu informieren.

Auch der DÖW-Rechts­extre­mis­mus­exper­te Andre­as Peham ver­weist auf die bis­he­ri­ge Urteils­pra­xis bei Ver­wen­dung des SS-Spruchs in der exak­ten oder abge­wan­del­ten Form: „Der Rechts­ord­nung bei die­sem Spruch ist ein­deu­tig, da gibt es zahl­rei­che, kla­re Urtei­le.” (kleinezeitung.at, 28.11.22)

Die zwei­te Sach­ver­halts­dar­stel­lung hat die Grü­ne Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Olga Vog­lau­er ein­ge­bracht, und die hat den Grab­stein des wegen Kriegs­ver­bre­chen hin­ge­rich­te­ten ehe­ma­li­gen Gau­lei­ters von Kärn­ten und Salz­burg, Fried­rich Rai­ner, im Visier. Bereits 2019 wur­de die Kla­gen­fur­ter Ver­wal­tung dar­auf auf­merk­sam gemacht und woll­te abklä­ren, „ob und in wel­cher Form eine Reak­ti­on mög­lich ist“ (pro­fil Nr. 41, 6.10.19).

Grabstein von Friedrich Rainer mit Hitler-Zitat und Lebens- und Todesrunen (Foto: Presseservice)
Grab­stein von Fried­rich Rai­ner mit Hit­ler-Zitat und Lebens- und Todes­ru­nen (Foto: Pres­se­ser­vice)
Sachverhaltsdarstellung_Abzeichengesetz_Rainer_OV

 

Neben einer „Nazi-Rune” stößt sie [Olga Vog­lau­er] sich am Zitat „Nur aus Ver­gan­ge­nem und Gegenwärtigem zugleich baut sich die Zukunft auf”. Der harm­los wir­ken­de Satz stam­me, das haben Recher­chen der Zeit­schrift „pro­fil” erge­ben, aus einer Rede Adolf Hit­lers auf dem NSDAP-Par­tei­tag 1936 in Nürnberg. (…) Vog­lau­er will sowohl Rune als auch Zitat von der Staats­an­walt­schaft prüfen las­sen: „Während wir in Österreich das Ver­bots­ge­setz verschärfen, mar­schie­ren Neo­na­zis in Kärntner mun­ter auf. Das Grab von Gau­lei­ter Rai­ner in Anna­bichl ist zur Pilgerstätte gewor­den. Das ist schändlich für Klagenfurt/Celovec, das ist schändlich für Kärnten. (kleinezeitung.at, 28.11.22)

Die Lebens­ru­ne („Elhaz”) Unter dem NS-Regime wur­de die Lebens­ru­ne als Lebens­born-Zei­chen sowie in Abgren­zung zur christ­li­chen Sym­bo­lik anstatt der übli­chen genea­lo­gi­schen Zei­chen für das Geburts­da­tum (*) und in gestürz­ter Form für das Ster­be­da­tum (†) ver­wen­det. Das Sym­bol wur­de unter ande­rem auf Grä­bern von SS-Ange­hö­ri­gen ange­bracht und fand durch­ge­hend bis zum Schluss Ver­wen­dung; nicht sel­ten auch noch nach 1945. (Wiki­pe­dia)

➡️ Erkennt­nis­se zur Ver­wen­dung der „Lebens­ru­ne”: Straf­ba­res nach dem Abzei­chen­ge­setz (ABZG)

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