Es war erwartbar: Die Verabschiedung von Bellschan-Mildenburg, das am 12. November am Friedhof Annabichl in Klagenfurt stattfand, geriet zu einem Aufmarsch von Rechtsextremen und Neonazis. Dem Presseservice Wien ist zu verdanken, dass die Veranstaltung fotografisch dokumentiert wurde. Neben den österreichischen Neonazis Gottfried Küssel und Franz Radl reiste aus Deutschland auch der oftmalige Ulrichsberg-Teilnehmer Nils Larisch an, der im März 2019 zusammen mit Bellschan-Mildenburg den mittlerweile verstorbenen Holocaustleugner Wolfgang Fröhlich bei dessen Haftentlassung empfangen hat.
Die Sachverhaltsdarstellung von SdR an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt bezieht sich auf die Schleife des Kranzes, der namens der „Österr. Soldatenverband ‑Kameradschaft IV – Steiermark – Südburgenland” niedergelegt wurde. Dort ist der abgewandelte SS-Spruch „Seine Ehre hieß Treue” zu lesen.
Betr.: Sachverhaltsdarstellung zum Verbotsgesetz § 3
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bringe Ihnen folgende Sachverhalte zur Kenntnis und ersuche Sie um Prüfung, ob dadurch der Verdacht des Verbrechens nach § 3 Verbotsgesetz gegeben ist.
Am Grab des am 25.10. 2022 verstorbenen SS-Veteranen Herbert Bellschan-Mildenburg auf dem Klagenfurter Zentralfriedhof Annabichl wurde – vermutlich im Rahmen der öffentlichen Begräbniszeremonie vom 12.11.2022, an der zahlreiche Rechtsextreme und Neonazis wie Gottfried Küssel teilnahmen – ein Kranz niedergelegt, der folgende Schleifeninschriften trug: „Österr. Soldatenverband ‑Kameradschaft IV – Steiermark – Südburgenland“ sowie „Seine Ehre hieß Treue“. (Fotos können beigebracht werden).
Ich weise zudem auf die folgenden Sachverhalte hin:
Die Kameradschaft IV verstand sich als Nachfolge- bzw. Traditionsverein der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS und deren Angehöriger. Die Waffen-SS wurde in den Nürnberger Prozessen als verbrecherische Organisation eingestuft, ihr Bundesverband hat sich 1995 freiwillig selbst aufgelöst, um so einem vereinsrechtlichen Verbot zuvorzukommen. Quelle: DÖW https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/kameradschaft-iv-k-iv-die-kameradschaft .
Der Spruch „Unsere (meine) Ehre heißt Treue“ ist in allen Varianten bzw. Abwandlungen nach der Rechtsprechung der Gerichte in den letzten Jahrzehnten ein Delikt, das unter die Bestimmungen des Verbotsgesetzes § 3g fällt. Insbesondere ist die Argumentation, wie sie etwa 2001 zur Einstellung eines Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt geführt hat https://www.derstandard.at/story/776431/meine-ehre-heisst-treue-zieht-keine-anklage-nach-sich , nicht mehr denkbar, da mittlerweile selbst den Mitgliedern des Kameradschaftsbundes – gerade durch die damalige Anzeige – die Bedeutung und damit die subjektive Tatseite bei weiterer Verwendung des Spruches klar sein muss.
Zudem weise ich darauf hin, dass schon im Jahr 2008 eine Kranzniederlegung durch Mitglieder der Kameradschaft IV Bezirksgruppe Südburgenland zu einer Anzeige nach dem Verbotsgesetz geführt hat, weil der Kranz ebenfalls die Inschrift „Seine Ehre hieß Treue“ auf einer Schleife trug https://bglv1.orf.at/stories/328120 .
Mir ist derzeit nicht bekannt, welche Personen den Kranz am Grab des Herbert Bellschan-Mildenburg niedergelegt haben.
Ich ersuche um Überprüfung der geschilderten Sachverhalte in Hinblick auf ihre strafrechtliche Relevanz und bitte Sie, mich vom Ergebnis Ihrer Ermittlungen zu informieren.
Auch der DÖW-Rechtsextremismusexperte Andreas Peham verweist auf die bisherige Urteilspraxis bei Verwendung des SS-Spruchs in der exakten oder abgewandelten Form: „Der Rechtsordnung bei diesem Spruch ist eindeutig, da gibt es zahlreiche, klare Urteile.” (kleinezeitung.at, 28.11.22)
Die zweite Sachverhaltsdarstellung hat die Grüne Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer eingebracht, und die hat den Grabstein des wegen Kriegsverbrechen hingerichteten ehemaligen Gauleiters von Kärnten und Salzburg, Friedrich Rainer, im Visier. Bereits 2019 wurde die Klagenfurter Verwaltung darauf aufmerksam gemacht und wollte abklären, „ob und in welcher Form eine Reaktion möglich ist“ (profil Nr. 41, 6.10.19).
Sachverhaltsdarstellung_Abzeichengesetz_Rainer_OV
Neben einer „Nazi-Rune” stößt sie [Olga Voglauer] sich am Zitat „Nur aus Vergangenem und Gegenwärtigem zugleich baut sich die Zukunft auf”. Der harmlos wirkende Satz stamme, das haben Recherchen der Zeitschrift „profil” ergeben, aus einer Rede Adolf Hitlers auf dem NSDAP-Parteitag 1936 in Nürnberg. (…) Voglauer will sowohl Rune als auch Zitat von der Staatsanwaltschaft prüfen lassen: „Während wir in Österreich das Verbotsgesetz verschärfen, marschieren Neonazis in Kärntner munter auf. Das Grab von Gauleiter Rainer in Annabichl ist zur Pilgerstätte geworden. Das ist schändlich für Klagenfurt/Celovec, das ist schändlich für Kärnten. (kleinezeitung.at, 28.11.22)
Die Lebensrune („Elhaz”) Unter dem NS-Regime wurde die Lebensrune als Lebensborn-Zeichen sowie in Abgrenzung zur christlichen Symbolik anstatt der üblichen genealogischen Zeichen für das Geburtsdatum (*) und in gestürzter Form für das Sterbedatum (†) verwendet. Das Symbol wurde unter anderem auf Gräbern von SS-Angehörigen angebracht und fand durchgehend bis zum Schluss Verwendung; nicht selten auch noch nach 1945. (Wikipedia)
➡️ Erkenntnisse zur Verwendung der „Lebensrune”: Strafbares nach dem Abzeichengesetz (ABZG)