Wochenrückblick KW 6/23 (Teil 1): Prozesse

Eine Rei­he äußerst glimpflich­er Urteile, ange­bliche Ahnungslosigkeit über das Ver­bots­ge­setz und Alko­holis­mus prägten die Prozesse der let­zten Woche. Ein Linz­er war von groben Gedächt­nis­lück­en befall­en, einem Pon­gauer gefällt alles, was alt ist – und damit auch Nazi-Devo­tion­alien und Waf­fen –, ein Tirol­er war besof­fen und ein Wiener hat­te einen Hass auf alle(s). Nur eine Niederöster­re­icherin fand ohne Umschweife, es sei gerecht­fer­tigt, Migranten pauschal zu diffamieren.

Linz: Kom­mu­nika­tion im Freundeskreis
Pon­gau-Salzburg: „Sam­mellei­den­schaft”
Inns­bruck: Im Suff eine braune What­sApp-Gruppe erstellt
Wien: Einen Hass gehabt
Sol­lenau-Wiener Neustadt/NÖ: Diver­sion nach Verhetzung

Linz: Kom­mu­nika­tion im Freundeskreis

Ein Schul­wart ist am Linz­er Lan­des­gericht in einem Ver­fahren nach dem Ver­bots­ge­setz glimpflich davongekom­men. Für elf Bilder mit nation­al­sozial­is­tis­chem Inhalt, die er in ein­er Chat­gruppe über fast vier Jahre hin­weg geteilt hat­te, kassierte er die Min­dest­strafe über zwölf Monate bed­ingt. Die Erk­lärung seines Vertei­di­gers, dass sein Man­dant nur die Kom­mu­nika­tion im Fre­un­deskreis aufrecht erhal­ten hätte wollen und zudem nicht gewusst habe, dass seine Post­ings straf­bar seien, dürfte die Geschwore­nen nicht überzeugt haben. Etwas skur­ril ver­lief die Befra­gung des Angeklagten, denn der war von Gedächt­nis­lück­en befall­en und kon­nte sich so an seine von ihm stam­menden Bilder nicht erin­nern. Er habe sie erst bei der Polizei gese­hen, gab er an. Nach­dem die Rich­terin seine braunen Ergüsse vor­ge­tra­gen hat­te, schüt­telte er den Kopf und fragte: „Und das soll ich gewe­sen sein?“ Das Urteil ist nicht recht­skräftig, da die Staat­san­waltschaft keine Erk­lärung abgab.

Wir danken unseren Linz­er Prozessbeobachter*innen!

Pon­gau-Salzburg: „Sam­mellei­den­schaft”

Er habe eine Sam­mellei­den­schaft, er habe nicht gewusst, dass das straf­bar sei und über­haupt: „Mir gefällt ein­fach alles, was alt ist.“ (krone.at, 8.2.23) So lauteten die Erk­lärun­gen eines 80-jähri­gen Pon­gauers, bei dem im Juli 2022 im Zuge ein­er Haus­durch­suchung NS-Devo­tion­alien (wie einen Dolch mit Hak­enkreuz, Wein­flaschen mit Hitler-Etikett, eine Hitler-Büste und NS-Büch­er) und ein Waf­fe­narse­nal gefun­den wurden.

Das überzeugte offen­bar die Geschwore­nen, die den Pon­gauer zu den Anklagepunk­ten kurz­er­hand freis­prachen. Das Urteil ist bere­its recht­skräftig. Für die Ver­stöße gegen das Waf­fen- und Kriegs­ma­te­ri­alge­setz – bei dem Mann wur­den u.a. Kara­bin­er, Flinten, Dolche, Säbel und Kriegs­ma­te­r­i­al, darunter drei teils ange­blich noch scharfe Flak-Patro­nen und eine Wer­fer­granate aus dem Ersten Weltkrieg sichergestellt – kam es offen­bar nicht ein­mal zu einem Prozess. Der Pen­sion­ist erhielt eine Diversion.

Inns­bruck: Im Suff eine braune What­sApp-Gruppe erstellt

Und wieder ein­mal wurde Alko­holkon­sum als Erk­lärung für Wieder­betä­ti­gung stra­paziert – dies­mal vor dem Inns­bruck­er Lan­des­gericht, wo sich ein 38-Jähriger ver­ant­worten musste. Vor sechs Jahren habe 

der bere­its stark Alko­holisierte an einem Abend eine What­sApp-Gruppe [erstellt] und war for­t­an offiziell deren Admin­is­tra­tor. Schön­heits­fehler: Als Grup­pen­bild diente ein Porträt von Adolf Hitler. Auch der Name der Gruppe „33–45DR” ist so leicht zu entschlüs­seln wie die Zahlen­folge „88” — er ste­ht für „1933 bis 1945 Deutsches Reich“. (…) Dazu waren auch fünf sein­er von 2017 bis 2018 gesende­ten Post­ings auf ewig abge­spe­ichert. Sie sind wed­er geistre­ich noch witzig, dafür aber straf­bar. So fir­miert Adolf Hitler über der deutschen Ex-Kan­z­lerin Angela Merkel. Text: „Gute Zeit­en, schlechte Zeit­en.” Bei­t­ext zu ein­er Kappe mit SS-Totenkopf: „Liebe Flüchtlinge. An diesen Mützen erken­nen Sie Ihre Sach­bear­beit­er.“ (Tirol­er Tageszeitung, 10.2.23, S. 6)

Die Geschwore­nen entsch­ieden ein­stim­mig für schuldig, der Tirol­er fasste zehn Monate bed­ingte Haft und eine Geld­strafe von 6.000 Euro aus. (Ob das Urteil recht­skräftig ist, ist dem Bericht der TT nicht zu entnehmen.)

Wien: Einen Hass gehabt

Er wollte Flüchtlinge in den Kamin schick­en, hat Fig­uren wie Adolf Eich­mann, Rein­hard Hey­drich und „Onkel Dolfi“ her­beigewün­scht, dazu mehrfach von unter­schiedlichen Beschimp­fun­gen begleit­et die Tötung von Muslim*innen und Peo­ple of Col­or einge­fordert. Vom Richter dazu befragt, gab der 45-jährige Alexan­der H. an, „einen Hass“ auf alle(s) gehabt zu haben. Die Post­ings hat­te er bere­its 2016 ver­fasst, 2017 wur­den sie angezeigt. Erwis­cht wurde der Wiener, der ein abge­broch­enes Jus-Studi­um hin­ter sich hat, erst vier Jahre später: Er kon­nte nicht gefun­den wer­den, weil er eine Bruch­landung in die Obdachlosigkeit hin­gelegt hat­te. 

In seinem Schluss­wort bit­tet H. die Geschwore­nen nochmals um Entschuldigung, eine milde Strafe und ver­weist auf seine dama­li­gen schwieri­gen Leben­sum­stände. Die anklagekon­forme ein­stim­mige Verurteilung zu 20 Monat­en bed­ingter Haft akzep­tiert er eben­so wie die Staat­san­wältin, die Entschei­dung ist daher recht­skräftig. (derstandard.at, 10.2.23)

Sol­lenau-Wiener Neustadt/NÖ: Diver­sion nach Verhetzung

Fre­undlich bedi­ent wurde eine 60-jährige Niederöster­re­icherin aus Sol­lenau, die sich in Wiener Neustadt zu ein­er ver­het­zen­den Äußerung erk­lären musste. „Sie soll auf der Face­book­seite ‚Wir wählen FPÖ‘ mit rund 35.000 Fol­low­ern gepostet haben: ‚Migrant ist für mich das falsche Wort, wenn dann Schmarotzer und Täter.‘“ (heute.at, 7.2.23)

Obwohl sich die Angeklagte als nicht schuldig bekan­nte – mit der Begrün­dung, das sei ihre pri­vate Mei­n­ung – soll ihr Fall „nun diver­sionell erledigt wer­den. Die Beschuldigte zahlt einen Pauschal­be­trag und nach ein­er Probezeit wird das Ver­fahren gegen die Pen­sion­istin eingestellt – die 60-Jährige bleibt somit unbescholten.“ (heute.at)