Eine Reihe äußerst glimpflicher Urteile, angebliche Ahnungslosigkeit über das Verbotsgesetz und Alkoholismus prägten die Prozesse der letzten Woche. Ein Linzer war von groben Gedächtnislücken befallen, einem Pongauer gefällt alles, was alt ist – und damit auch Nazi-Devotionalien und Waffen –, ein Tiroler war besoffen und ein Wiener hatte einen Hass auf alle(s). Nur eine Niederösterreicherin fand ohne Umschweife, es sei gerechtfertigt, Migranten pauschal zu diffamieren.
Linz: Kommunikation im Freundeskreis
Pongau-Salzburg: „Sammelleidenschaft”
Innsbruck: Im Suff eine braune WhatsApp-Gruppe erstellt
Wien: Einen Hass gehabt
Sollenau-Wiener Neustadt/NÖ: Diversion nach Verhetzung
Linz: Kommunikation im Freundeskreis
Ein Schulwart ist am Linzer Landesgericht in einem Verfahren nach dem Verbotsgesetz glimpflich davongekommen. Für elf Bilder mit nationalsozialistischem Inhalt, die er in einer Chatgruppe über fast vier Jahre hinweg geteilt hatte, kassierte er die Mindeststrafe über zwölf Monate bedingt. Die Erklärung seines Verteidigers, dass sein Mandant nur die Kommunikation im Freundeskreis aufrecht erhalten hätte wollen und zudem nicht gewusst habe, dass seine Postings strafbar seien, dürfte die Geschworenen nicht überzeugt haben. Etwas skurril verlief die Befragung des Angeklagten, denn der war von Gedächtnislücken befallen und konnte sich so an seine von ihm stammenden Bilder nicht erinnern. Er habe sie erst bei der Polizei gesehen, gab er an. Nachdem die Richterin seine braunen Ergüsse vorgetragen hatte, schüttelte er den Kopf und fragte: „Und das soll ich gewesen sein?“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.
Wir danken unseren Linzer Prozessbeobachter*innen!
Pongau-Salzburg: „Sammelleidenschaft”
Er habe eine Sammelleidenschaft, er habe nicht gewusst, dass das strafbar sei und überhaupt: „Mir gefällt einfach alles, was alt ist.“ (krone.at, 8.2.23) So lauteten die Erklärungen eines 80-jährigen Pongauers, bei dem im Juli 2022 im Zuge einer Hausdurchsuchung NS-Devotionalien (wie einen Dolch mit Hakenkreuz, Weinflaschen mit Hitler-Etikett, eine Hitler-Büste und NS-Bücher) und ein Waffenarsenal gefunden wurden.
Das überzeugte offenbar die Geschworenen, die den Pongauer zu den Anklagepunkten kurzerhand freisprachen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Für die Verstöße gegen das Waffen- und Kriegsmaterialgesetz – bei dem Mann wurden u.a. Karabiner, Flinten, Dolche, Säbel und Kriegsmaterial, darunter drei teils angeblich noch scharfe Flak-Patronen und eine Werfergranate aus dem Ersten Weltkrieg sichergestellt – kam es offenbar nicht einmal zu einem Prozess. Der Pensionist erhielt eine Diversion.
Innsbruck: Im Suff eine braune WhatsApp-Gruppe erstellt
Und wieder einmal wurde Alkoholkonsum als Erklärung für Wiederbetätigung strapaziert – diesmal vor dem Innsbrucker Landesgericht, wo sich ein 38-Jähriger verantworten musste. Vor sechs Jahren habe
der bereits stark Alkoholisierte an einem Abend eine WhatsApp-Gruppe [erstellt] und war fortan offiziell deren Administrator. Schönheitsfehler: Als Gruppenbild diente ein Porträt von Adolf Hitler. Auch der Name der Gruppe „33–45DR” ist so leicht zu entschlüsseln wie die Zahlenfolge „88” — er steht für „1933 bis 1945 Deutsches Reich“. (…) Dazu waren auch fünf seiner von 2017 bis 2018 gesendeten Postings auf ewig abgespeichert. Sie sind weder geistreich noch witzig, dafür aber strafbar. So firmiert Adolf Hitler über der deutschen Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Text: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten.” Beitext zu einer Kappe mit SS-Totenkopf: „Liebe Flüchtlinge. An diesen Mützen erkennen Sie Ihre Sachbearbeiter.“ (Tiroler Tageszeitung, 10.2.23, S. 6)
Die Geschworenen entschieden einstimmig für schuldig, der Tiroler fasste zehn Monate bedingte Haft und eine Geldstrafe von 6.000 Euro aus. (Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist dem Bericht der TT nicht zu entnehmen.)
Er wollte Flüchtlinge in den Kamin schicken, hat Figuren wie Adolf Eichmann, Reinhard Heydrich und „Onkel Dolfi“ herbeigewünscht, dazu mehrfach von unterschiedlichen Beschimpfungen begleitet die Tötung von Muslim*innen und People of Color eingefordert. Vom Richter dazu befragt, gab der 45-jährige Alexander H. an, „einen Hass“ auf alle(s) gehabt zu haben. Die Postings hatte er bereits 2016 verfasst, 2017 wurden sie angezeigt. Erwischt wurde der Wiener, der ein abgebrochenes Jus-Studium hinter sich hat, erst vier Jahre später: Er konnte nicht gefunden werden, weil er eine Bruchlandung in die Obdachlosigkeit hingelegt hatte.
In seinem Schlusswort bittet H. die Geschworenen nochmals um Entschuldigung, eine milde Strafe und verweist auf seine damaligen schwierigen Lebensumstände. Die anklagekonforme einstimmige Verurteilung zu 20 Monaten bedingter Haft akzeptiert er ebenso wie die Staatsanwältin, die Entscheidung ist daher rechtskräftig. (derstandard.at, 10.2.23)
Sollenau-Wiener Neustadt/NÖ: Diversion nach Verhetzung
Freundlich bedient wurde eine 60-jährige Niederösterreicherin aus Sollenau, die sich in Wiener Neustadt zu einer verhetzenden Äußerung erklären musste. „Sie soll auf der Facebookseite ‚Wir wählen FPÖ‘ mit rund 35.000 Followern gepostet haben: ‚Migrant ist für mich das falsche Wort, wenn dann Schmarotzer und Täter.‘“ (heute.at, 7.2.23)
Obwohl sich die Angeklagte als nicht schuldig bekannte – mit der Begründung, das sei ihre private Meinung – soll ihr Fall „nun diversionell erledigt werden. Die Beschuldigte zahlt einen Pauschalbetrag und nach einer Probezeit wird das Verfahren gegen die Pensionistin eingestellt – die 60-Jährige bleibt somit unbescholten.“ (heute.at)