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Walter Rosenkranz: ein von den Identitären erfrischter Präsidentschaftskandidat mit schlappem Gedächtnis

Als gemä­ßigt und libe­ral bezeich­ne­te Kath­rin Stai­­ner-Häm­­mer­­le in der ZiB 2 den frisch gekür­ten blau­en Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Wal­ter Rosen­kranz. Viel­leicht liegt die Ein­schät­zung dar­an, dass die in Kla­gen­furt täti­ge Poli­to­lo­gin aus Kärn­ten ande­res gewöhnt ist. Oder auch dar­an, dass Rosen­kranz tat­säch­lich nicht als lau­ter Radau­bru­der auf­ge­tre­ten ist und diver­se Äuße­run­gen von ihm stets unter der Wahrnehmungsschwelle […]

13. Jul 2022
Walter Rosenkranz als Redner bei der Identitären-Demo im Februar 2016 in Wiener Neustadt (Screenshot YT)
Walter Rosenkranz als Redner bei der Identitären-Demo im Februar 2016 in Wiener Neustadt (Screenshot YT)

Es soll­te nach Her­bert Kickl eine jun­ge, dyna­mi­sche Per­son sein, die für die FPÖ in den Bun­des­prä­si­dent­schafts­wahl­kampf zie­hen wür­de. Das hat nicht ganz geklappt, mit Rosen­kranz kam schließ­lich einer aus der älte­ren Par­tei­gar­de zum Zug, der wie eine Not­lö­sung wirkt, weil Kickl als frei­heit­li­cher Head­hun­ter nicht erfolg­reich war. Wal­ter Rosen­kranz muss­te nach dem jähen Aus der tür­kis-blau­en Regie­rungs­ko­ali­ti­on sei­nen Ses­sel als Klub­ob­mann für Nor­bert Hofer räu­men und wur­de selbst in die Volks­an­walt­schaft ver­räumt – ein Pos­ten, der in der Regel das Ende einer Par­tei­kar­rie­re markiert.

Der stu­dier­te Jurist Rosen­kranz gehört zur grö­ße­ren Rie­ge der schla­gen­den Bur­schen­schaf­ter inner­halb der FPÖ. Sei­ne Ver­bin­dung, die Wie­ner aka­de­mi­sche Bur­schen­schaft Liber­tas, kann auf eine lan­ge Geschich­te zurück­bli­cken. 1860 gegrün­det, hat sie bereits 1878 mit einem „Arier­pa­ra­gra­fen“, der eine Mit­glied­schaft von Juden in der Ver­bin­dung aus­schloss, eine Vor­rei­ter­rol­le als strikt anti­se­mi­ti­sche Bur­schen­schaft eingenommen.

Noch 1967 heißt es in der offi­zi­el­len Liber­tas-Fest­schrift, die Ent­na­zi­fi­zie­rung und die Absa­ge an die NS-Ideo­lo­gie nach 1945 sei ein „Kampf gegen das Deutsch­tum über­haupt” gewe­sen. Der ras­sis­ti­sche Anti­se­mi­tis­mus wird von Liber­tas nun als „Widerstand[es] gegen die Ein­flüs­se des Juden­tums auf kul­tu­rel­lem und wirt­schaft­li­chem Gebiet” ver­harm­lost und legi­ti­miert. Gut 40 Jah­re spä­ter behaup­tet der FPÖ-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te und Liber­tas-AH, Wal­ter Rosen­kranz, im Bur­schen­schaf­ter-Jubi­lä­ums­band von Mar­tin Graf (aB! Olym­pia), der stu­den­ti­sche Anti­se­mi­tis­mus habe sei­nen Grund in der Tat­sa­che, dass „über­durch­schnitt­lich vie­le Juden Hörer an den Uni­ver­si­tä­ten waren”. (doew.at, Jän­ner 2016)

Auch den von der Liber­tas 2008 an den neo­na­zis­ti­schen „Bund frei­er Jugend“ (BFJ) ver­lie­he­nen „Carl von Hoch­en­egg-Preis“ ver­tei­dig­te Rosen­kranz. Mit dem 2005 ins Leben geru­fe­nen För­der­preis wol­le man „ins­be­son­de­re Initia­ti­ven und Ideen wür­di­gen, die bereits voll­stän­dig in die Tat umge­setzt wur­den, oder kurz vor der Voll­endung ste­hen“, ist auf der Liber­tas-Web­site zu lesen. Damit waren im Fall des BFJ die Kund­ge­bun­gen und Ver­an­stal­tun­gen der neo­na­zis­ti­schen Grup­pie­rung rund um deren Kader Rene Hönig, Ste­fan Magnet und Micha­el Scharf­mül­ler gemeint, mit denen der BfJ in muti­ger Wei­se ein Feld, das sonst qua­si aus­schließ­lich der Lin­ken vor­be­hal­ten ist [, bean­spruch­te]; der BfJ sieht sich für sei­ne volks­treu­en Akti­vi­tä­ten stärks­ter staat­li­cher Repres­si­on aus­ge­setzt.“ Rosen­kranz emp­fand die hef­ti­ge Kri­tik an der 2009 bekannt gewor­de­nen Preis­ver­ga­be als „rei­ne Dif­fa­mie­rung“. (…) Unse­re Bur­schen­schaft hat mit Neo­na­zis nichts am Hut. Was die ange­zeig­ten Mit­glie­der des BFJ betrifft, so sind sie in ers­ter Instanz frei­ge­spro­chen wor­den. Den kri­ti­sier­ten För­der­preis gab es für Flug­blät­ter – ‚und die waren wirk­lich harm­los’ ”. (Nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Nach­rich­ten, 2.3.09, S. 12) Nun war auf der Web­site der Liber­ten nichts von Flug­blät­tern, dafür aber expli­zit von „Kund­ge­bun­gen und Ver­an­stal­tun­gen” die Rede, die die Liber­tas als för­der­wür­dig befun­den hat­te. Zu den Ver­an­stal­tun­gen zähl­te etwa der zwi­schen 2003 und 2007 jähr­lich orga­ni­sier­te „Tag der Volks­treu­en Jugend”, bei dem rei­hen­wei­se ver­ur­teil­te Neo­na­zis inklu­si­ve Holo­caust­leug­ner betei­ligt waren. Die letz­te Ver­an­stal­tung aus die­ser Rei­he im Jahr 2007 wur­de nach einer Rede von Gün­ter Rehak von der Poli­zei auf­ge­löst. „Staat­li­che Repres­si­on” heißt das wohl im Jar­gon der Libertas!

Website Libertas 2009: "Öffentlichkeitswirksame Aktivitäten des Bundes Freier Jugend (BFJ) insbesondere in Oberösterreich. Durch seine von der Bevölkerung stark wahrgenommene Kundgebungen und Veranstaltungen beanspruchte der BFJ in mutiger Weise ein Feld, das sonst quasi ausschließlich der Linken vorbehalten ist; der BFJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt."
Web­site Liber­tas 2009: „Öffent­lich­keits­wirk­sa­me Akti­vi­tä­ten des Bun­des Frei­er Jugend (BFJ) ins­be­son­de­re in Ober­ös­ter­reich. Durch sei­ne von der Bevöl­ke­rung stark wahr­ge­nom­me­ne Kund­ge­bun­gen und Ver­an­stal­tun­gen bean­spruch­te der BFJ in muti­ger Wei­se ein Feld, das sonst qua­si aus­schließ­lich der Lin­ken vor­be­hal­ten ist; der BFJ sieht sich für sei­ne volks­treu­en Akti­vi­tä­ten stärks­ter staat­li­cher Repres­si­on ausgesetzt.”

Ziem­lich schmerz­be­freit zeig­te sich der dama­li­ge FPÖ-Bil­dungs­spre­cher Rosen­kranz auch 2014 bei einer Ver­an­stal­tung des RFS, deren Durch­füh­rung in der Wie­ner TU von der Rek­to­rin kur­zer­hand ver­bo­ten wur­de. Der Grund war ein Auf­tritt des Liber­ten Wer­ner Kuich, der dann in ein Café ver­bannt sei­ne auf der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ras­sen­theo­rie basie­ren­den Gedan­ken zu Intel­li­genz­bil­dung von sich gab. Kuich bedau­er­te, dass Stu­den­ten und Aka­de­mi­ker ein fami­li­en­un­freund­li­ches Umfeld vor­fän­den und so dar­an gehin­dert wür­den, ihre Intel­li­genz durch Fort­pflan­zung wei­ter­zu­ver­er­ben. Daher sei die Poli­tik gefor­dert. Statt­des­sen wer­den beson­ders bil­dungs­fer­ne Migran­ten­schich­ten sub­ven­tio­niert. Umso höher der Bil­dungs­grad, des­to gerin­ger ist momen­tan die Anzahl an Kin­dern pro Fami­lie“, zitiert „unzen­su­riert“ aus Kuichs kru­dem Vor­trag. Der zwei­te Gast am Ver­an­stal­tungs­po­di­um war Wal­ter Rosen­kranz. Der sekun­dier­te sei­nem Bundesbruder

mit einem Auf­ruf ans jun­ge aka­de­mi­sche Volk des Drit­ten Lagers, doch wie­der ver­mehrt in den Lehr­be­ruf zu gehen, denn die­ser sei nach dem Zwei­ten Welt­krieg im natio­nal-frei­heit­li­chen Lager „nicht mehr en vogue“ gewe­sen. „Nicht mehr en vogue“ als Syn­onym für die nach 1945 aus­ge­spro­che­nen Berufs­ver­bo­te gegen NS-belas­te­te Leh­rer? Statt­des­sen sei der Lehr­be­ruf, stell­te Rosen­kranz bedau­ernd fest, von „alt 68’er[n] und andere[n] vermeintliche[n] Weltverbesserer[n]“ gestürmt wor­den. (haraldwalser.at, 4.12.14)

Zuvor war Kuich in der­sel­ben Publi­ka­ti­on des Mar­tin Graf, in der Rosen­kranz den aka­de­mi­schen Anti­se­mi­tis­mus recht­fer­tig­te, sehr viel deut­li­cher geworden:

„Das deut­sche Volk ist auf der Stra­ße zum Volks­tod schon ein beträcht­li­ches Stück fort­ge­schrit­ten.“ Er kon­sta­tiert eine „Ver­rin­ge­rung der Volks­kraft durch feh­len­den Nach­wuchs und Über­frem­dung“, dunk­le Mäch­te betrie­ben den „Ver­such des geis­ti­gen Völ­ker­mor­des durch bewuß­te Zer­set­zung des Volks­be­wußt­seins.“ (haraldwalser.at, 4.12.14)

Als im Febru­ar 2016 der inzwi­schen zum blau­en Gene­ral­se­kre­tär auf­ge­stie­ge­ne Micha­el Schned­litz bei einer Demons­tra­ti­on der Iden­ti­tä­ren in Wie­ner Neu­stadt auf­trat und die rechts­extre­me Trup­pe mit „Lie­be iden­ti­tä­re Bewe­gung, ich begrü­ße Euch recht herz­lich in Wie­ner Neu­stadt! Hier seid Ihr sehr herz­lich will­kom­men!“ anflir­te­te, war auch Wal­ter Rosen­kranz mit von der Par­tie und säu­sel­te in Rich­tung Iden­ti­tä­re: „Lands­leu­te, lie­be Patrio­ten! Ich darf euch hier auch sehr herz­lich begrüßen.“

Walter Rosenkranz als Redner bei der Identitären-Demo im Februar 2016 in Wiener Neustadt (Screenshot YT)
Wal­ter Rosen­kranz als Red­ner bei der Iden­ti­tä­ren-Demo im Febru­ar 2016 in Wie­ner Neu­stadt (Screen­shot YT)

Davon woll­te Rosen­kranz in einem ZiB 2‑Interview mit Armin Wolf im April 2019 offen­bar nichts mehr wis­sen. Knapp, nach­dem bekannt gewor­den war, dass der Christ­church-Atten­tä­ter an Mar­tin Sell­ner Geld über­wie­sen hat­te, war Rosen­kranz um Abgren­zung von den Iden­ti­tä­ren bemüht. Er behaup­te­te glatt:

Ja, ich hab sie auch nur medi­al so ken­nen­ge­lernt, dass das vor Jah­ren eine Grup­pe von jun­gen Men­schen waren, die eigent­lich mit den Mit­teln, so wie wir sie bis dato eigent­lich nur von lin­ken Akti­vis­ten gekannt haben (…), die sich die­ser Mit­tel bedient haben, um ihre poli­ti­schen Ideen, Pro­gram­me, Sor­gen, Nöte in irgend­ei­ner Form an den Mann zu brin­gen. Das habe ich auch ja bis vor Jah­ren auch für durch­aus erfri­schend gehalten.

Der von der neo­fa­schis­ti­schen Trup­pe „nur medi­al” erfrisch­te Rosen­kranz zeig­te in dem Inter­view gleich mehr­fach sein schlap­pes Gedächt­nis. Obwohl er ab 2013 Mit­glied des Aus­schus­ses für inne­re Ange­le­gen­hei­ten und ab Juli 2016 Mit­glied des für die Geheim­diens­te und den Ver­fas­sungs­schutz der Repu­blik zustän­di­gen stän­di­gen Unter­aus­schus­ses war, ver­blüff­te er, kon­fron­tiert mit dem Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2014, in dem bereits zu lesen war, dass sich bei den Iden­ti­tä­ren amts­be­kann­te Neo­na­zis fän­den und Kon­tak­te in ande­re rechts­extre­mis­ti­sche Sze­n­e­be­rei­che bestün­den, mit der Ant­wort: „Das schreibt der Ver­fas­sungs­schutz, mir hat er es nicht geschrieben.“

Als Drauf­ga­be bestritt Rosen­kranz auch noch vehe­ment die Tat­sa­che, dass sich das iden­ti­tä­re „Khe­ven­hül­ler-Zen­trum“ in der Lin­zer Vil­la „Hagen“ des FPÖ-nahen Stu­den­ten­ver­eins befun­den habe. „Weil es ein­fach nicht rich­tig ist, dass dort die Iden­ti­tä­ren Mie­ter waren, einen Sitz haben etc. (…) Dann dürf­te ein Mie­ter, wel­cher auch immer von die­sen vie­len, oder jemand ande­rer das fälsch­lich ange­ge­ben haben. Es stimmt nur nicht.“

Harald Wal­ser, im Natio­nal­rat als Grü­ner Bil­dungs­spre­cher bis 2017 ein Gegen­pol zu Wal­ter Rosen­kranz, chark­te­r­i­siert den blau­en Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten für „Stoppt die Rech­ten“ so:

Rosen­kranz hat ein gefes­tig­tes deutsch­na­tio­na­les Welt­bild und war immer so etwas wie der Chef­ideo­lo­ge des blau­en Lagers. Wenn es galt, Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus und NS-Ver­harm­lo­sung sowie die vie­len berüch­tig­ten „Ein­zel­fäl­le“ in der FPÖ zu rela­ti­vie­ren, konn­ten sei­ne oft wenig sprach­be­gab­ten Gesin­nungs­ge­nos­sen auf sei­ne Rhe­to­rik ver­trau­en. Was bei Dis­kus­sio­nen immer wie­der durch­ge­schim­mert ist, war sei­ne Nähe zum brau­nen „Nar­ren­saum“. Wer die Iden­ti­tä­ren für „durch­aus erfri­schend“ hält und ihnen „einen gewis­sen Charme“ attes­tiert und dies­be­züg­lich kei­ne Berüh­rungs­ängs­te hat, steht außer­halb des „Ver­fas­sungs­bo­gens“.

➡️ DÖW – Neu­es von ganz rechts — Juli 2022:  Zur poli­ti­schen Bio­gra­fie von Wal­ter Rosenkranz