Möglicherweise leitet Grosz sein Selbstverständnis als gesellschaftspolitisch Liberaler aus dem Umstand ab, dass er seit einigen Jahren als bekennender Schwuler auftritt. Da müssen wir ihn jedoch enttäuschen. Ohne die beiden gleichsetzen zu wollen, aber der Neonazi-Chef Michael Kühnen ist durch sein Outing auch nicht zum Liberalen mutiert. Ob Gerald Grosz selbst ein Rechtsextremer ist, oder ob er mit rechtsextremen Positionen spielt, um sich so Aufmerksamkeit zu verschaffen, wissen wir nicht – beides ist mehr als unappetitlich. Seine politisch-ideologischen Positionierungen orientieren sich allesamt an der extremen Rechten haben wir in Teil 1 behauptet. Das wollen wir jetzt belegen
Der große Austausch
„Manche empfinden dies als Bereicherung und manche als den großen Austausch“, schrieb Grosz am 4.5.20 (1). Was da noch als unentschiedene Haltung durchgehen mag, macht er in seinem Posting vom 14.7.20 ganz klar: „Selbstverständlich ist die Ideologie des Multikulturalismus, also die zwanghafte Vermischung unterschiedlicher Ethnien und Völker unter einem Dach, gescheitert.“ Das könnten die Identitären auch nicht anders formulieren. Und so wie die behauptet Grosz von sich natürlich auch, dass er kein Rassist sei. Sicher?

Rassismus
„Herr Erdogan und die Türken verstehen nur die Sprache der Härte!“ (17.10.19) Ein verbaler Ausrutscher, weil Grosz eigentlich Erdogan verbal prügeln will? Leider nein! Eine „integrationsunwillige Bagage“ nannte er sie schon früher (22.4.18), und mit diesem Posting wird klar, dass er ganz offen rassistisch kann: „Warum wollen Türken bei uns ihr Land in Legebatterien verwandeln?“ (15.4.20) Auch hier kommt er ganz offen rassistisch daher: „Wer Parteien, Ideologien und Abkömmlingen (sic!) von Zivilisationen auf dem Niveau der Neandertaler unterstützt ….“ (21.6.20)
Sozialdarwinismus und Wissenschaftsfeindlichkeit
Für Grosz war die Corona-Pandemie von Beginn an harmlos wie eine Grippe. Eine „saisonale Erscheinung“ (2.6.21) nannte er sie, eine „panische Grippe“ (24.4.20), die „dem Tourismus die Existenz kostet“ (24.4.20). Die weit mehr als sechs Millionen Corona-Toten verschwinden bei ihm hinter den zynischen Sätzen:
Wir werden mit Corona leben müssen, wie die Menschheit seit Jahrtausenden mit einer Vielzahl von Viren leben lernen musste! Der Ausweg aus dieser Abwärtsspirale ist: FREIHEIT ZUR SELBSTBESTIMMUNG! Jeder trägt für sich das Risiko des Lebens, wir sind nicht unsterblich und Regierungen die uns diese Lüge vorgaukeln, verfolgen andere Ziele. (28.7.21)
Und weil sie noch immer das Gegenteil behaupten, sind die Experten „sogenannte“ (3.3.21) und „polithörig“ (7.9.21), bei denen es Zeit sei, sie „vor Gericht zu stellen“ (11.5.22), jedenfalls aber: „Man sollte diese ‚Experten‘ rasch austauschen! Denn sie sind die größte Gefahr für uns Menschen.“ (29.7.21)
Dichotomisierung der Gesellschaft
Grosz, der sich mit einem Partner, der sich selbst als „reich wie ein Scheich“ bezeichnet, eine GesmbH teilt, der Abgeordneter und Parteiobmann einer Parlamentspartei war sowie Kommentator bzw. Kolumnist bei oe24 und dem AfD-nahen „Deutschland Kurier“ ist, will sich permanent als der unerschrockene Kämpfer gegen das Establishment, dem er aber selber angehört, inszenieren.
Der TV-Moderator und Satiriker Jan Böhmermann ist für ihn ein „Establishment-Vollpfosten“ (4.2.22), Bundespräsident Van der Bellen „ein Kandidat des Establishments“ (22.6.22), „Steigbügelhalter der Eliten“ (22.6.22), während für ihn, den unerschrockenen Kämpfer gilt: „Der Herausforderer wird diffamiert und lächerlich gemacht.“ (22.6.22) Sowieso gilt für Grosz: „Das Volk wird verarscht, das Establishment richtet es sich!“ (1.4.22). Deshalb findet er es auch „bemerkenswert, wie sich Europas Establishment gegen Le Pen zusammen tut“ (23.4.22).
Wobei Grosz, wenn es ihm opportun erscheint, auch einen sehr breiten Establishment-Begriff fährt, der die Mehrheit der Bevölkerung umfasst. Die wird dann eben beschimpft als „das Establishment der hündischen Corona-Verehrer“ (28.1.21). Behilflich sind dem Establishment natürlich die Medien, die „Propagandaanstalten“, die „mediale Umerziehungselaborate“ (31.5.22) liefern. Einschlägige Begriffe wie „Systempresse“ oder „Lügenpresse“ vermeidet Grosz, aber mit dem schrägen Terminus „Umerziehungselaborate“ bedient er die Klientel.
Dehumanisierung
Diffamierungen, Pathologisierungen und die systematische Dehumanisierung von politischen Gegnern sind ein prägendes Merkmal der Rhetorik von Grosz. Der Bundespräsident ist für ihn der „Staatsgerontokrat“, der „rauchende“, „sprechende“, „schweigende“ oder auch „honorige“ „Aschenbecher“ aus der Hofburg, der Wiener Bürgermeister das „Schnitzelgesicht“, die deutsche Außenministerin Baerbock die „oberste Stotterin“, „Fälscher-Anni“ oder „Annalphabeta“.
Über die systematische Abwertung der Person Greta Thunberg versucht Grosz auch, die Klimakatastrophe ins Lächerliche zu ziehen: Beschimpfungen wie das „schwedische Kind-Orakel“, „intellektuelles Nachtschattengewächs“ (23.7.21), „Hohepriesterin des Weltuntergangs“, „Sektenführerin des Hitzekults“ (18.7.21) sollen seine argumentative Not überdecken.
Interessant ist auch, wie sich Grosz zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine positioniert. Eine offene Parteinahme für den Aggressor umschifft er weitgehend dadurch, indem er den ukrainischen Präsidenten und die Ukraine diffamiert. Selenskyj ist für ihn ein „Wodka-Oligarch für Arme“, der „seit 3 Monaten in erpresserischem Ton an die Moral des Westens appellierte, um noch mehr Waffen für ein sinnloses Unterfangen zu erhalten“ (29.5.22). Der Präsident ist für ihn „ein Heuchler“ (20.4.22), der „in hübsche Camouflage gehüllte Kriegsdarsteller“ (29.5.22), „Vertreter der korrupten ukrainischen Kleptokratendemokratur“ (5.3.22), eines Landes also, das „bis vor wenigen Wochen von denselben Medien noch als der korrupteste Staat der EU (sic!) bezeichnet wurde“ (26.2.22).
Gut, mit seinen fehlenden Kenntnissen der politischen Geographie nähert er sich seinem Liebling Donald Trump („ein wahrer Segen für Europa“, 22.2.22) an, aber auch ohne EU stimmt die Behauptung so nicht, schon gar nicht im Vergleich mit Russland, das wesentlich korrupter ist.
Aber Grosz hat ja noch ein anderes „Argument“ gegen die Ukraine, „ein Land, das seit 2014 als korruptes faschistisches Regime bekannt ist“ (24.5.22). Wie bitte? Ist das jetzt die Legitimierung von Putin, der die Ukraine durch die russische Okkupation „entnazifizieren“ will? „Vielleicht könnten sich alle Seiten darauf besinnen, solche verrückten Vergleiche zu unterlassen“, postet Grosz am 8.5.22, um dann hinzuzufügen: „Diese Kriegspropaganda schafft keinen Frieden nur weitere Provokationen.“ Da möchten wir Grosz keinesfalls widersprechen, wenn er mit den „alle Seiten“ auch sich selbst meinen würde. Aber er meint natürlich nur die Ukrainer, nicht den vermeintlichen Entnazifizierer Putin und schon gar nicht den „Antifaschisten“ Grosz , denn seiner Mahnung vorangestellt hatte er den entbehrlichen Hinweis: „Putin ist kein Hitler, die Russen keine Nazis.“

Raus aus der EU und den Sanktionen
Auch eines der Leibthemen der europäischen Rechtsextremen bedient Grosz vor allem in den letzten Monaten immer stärker: den Austritt aus der Europäischen Union. 2020 versteckte er seinen und Putins Wunsch noch hinter dieser Formel: „Nein zu dieser EU, Ja zum großen europäischen Gedanken der Gründerväter.“ (24.4.20) Das war noch eine vorsichtige Ablehnung. Mittlerweile fordert Grosz klar: „Raus aus dieser EU!“ (13.5.22). Noch etwas fordert Grosz seit Kurzem – sogar in Versalien: „Wir brauchen eine SOFORTIGE ABSCHAFFUNG ALLER SANKTIONEN!“ (5.5.22)

Das betrifft natürlich die Sanktionen der EU und anderer Staaten gegen Russland wegen dessen Aggressionskriegs. Im Fall des möglichen Verdachts gegen die Volksrepublik China, wonach das Corona-Virus in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte, sah das Grosz völlig anders:
Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, die Herkunft dieses Virus lückenlos zu klären! Denn die Milliardenschäden wird der Verursacher dieses weltweiten Wahnsinns zu tragen haben. Und wenn China nicht zahlt, wird die Weltgemeinschaft mit Sanktionen, Einreiseverboten, eingefrorenen Konten und dem Einzug chinesischen Volksvermögens reagieren müssen! Ohne Wenn und Aber! (31.5.21)
Gerald Grosz fordert Sanktionen gegen China (31.5.21)
Aber harte Sanktionen wegen eines unbestätigten Verdachts über die Entstehung eines Virus, mit dem wir nach Grosz einfach zu leben lernen müssen, sind eben was völlig anderes als Sanktionen gegen ein russisches Regime, das einen Terrorkrieg führt!
1 Alle Zitate bzw. die Datumsangaben beziehen sich auf Postings von Gerald Grosz von dessen Facebook-Seite, auf der ihm mittlerweile mehr als 300.000 Personen folgen.

➡️ Mit Dreckschleudern zum Bundespräsident? – Gerald Grosz (Teil 1)
➡️ Was ist Rechtsextremismus?