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Gerald Grosz (Teil 2): Rechtsextreme Positionen

Gesell­schafts­po­li­tisch hält sich Gerald Grosz, der ehe­ma­li­ge BZÖ-Obmann und Hai­­der-Fan, für einen Libe­ra­len. Das ist so irre­al wie sein aktu­ell drin­gen­der Wunsch, Bun­des­prä­si­dent wer­den zu wol­len. Ob Grosz man­gels Orga­ni­sa­ti­on über­haupt die Hür­de von 6.000 Unter­stüt­zungs­er­klä­run­gen für eine Kan­di­da­tur schafft? Was der St. Georgs-Rit­­ter jeden­falls seit Jah­ren schafft: das ohne­hin schon erbärm­li­che poli­ti­sche Niveau noch […]

29. Jun 2022

Mög­li­cher­wei­se lei­tet Grosz sein Selbst­ver­ständ­nis als gesell­schafts­po­li­tisch Libe­ra­ler aus dem Umstand ab, dass er seit eini­gen Jah­ren als beken­nen­der Schwu­ler auf­tritt. Da müs­sen wir ihn jedoch ent­täu­schen. Ohne die bei­den gleich­set­zen zu wol­len, aber der Neo­na­zi-Chef Micha­el Küh­nen ist durch sein Outing auch nicht zum Libe­ra­len mutiert. Ob Gerald Grosz selbst ein Rechts­extre­mer ist, oder ob er mit rechts­extre­men Posi­tio­nen spielt, um sich so Auf­merk­sam­keit zu ver­schaf­fen, wis­sen wir nicht – bei­des ist mehr als unap­pe­tit­lich. Sei­ne poli­tisch-ideo­lo­gi­schen Posi­tio­nie­run­gen ori­en­tie­ren sich alle­samt an der extre­men Rech­ten haben wir in Teil 1 behaup­tet. Das wol­len wir jetzt belegen

Der große Austausch

Man­che emp­fin­den dies als Berei­che­rung und man­che als den gro­ßen Aus­tausch“, schrieb Grosz am 4.5.20 (1). Was da noch als unent­schie­de­ne Hal­tung durch­ge­hen mag, macht er in sei­nem Pos­ting vom 14.7.20 ganz klar: „Selbst­ver­ständ­lich ist die Ideo­lo­gie des Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, also die zwang­haf­te Ver­mi­schung unter­schied­li­cher Eth­ni­en und Völ­ker unter einem Dach, geschei­tert.“ Das könn­ten die Iden­ti­tä­ren auch nicht anders for­mu­lie­ren. Und so wie die behaup­tet Grosz von sich natür­lich auch, dass er kein Ras­sist sei. Sicher?

Gerald Grosz lobt Orbàn (11.5.22)
Gerald Grosz lobt Orbán (11.5.22)

Rassismus

Herr Erdo­gan und die Tür­ken ver­ste­hen nur die Spra­che der Här­te!“ (17.10.19) Ein ver­ba­ler Aus­rut­scher, weil Grosz eigent­lich Erdo­gan ver­bal prü­geln will? Lei­der nein! Eine „inte­gra­ti­ons­un­wil­li­ge Baga­ge“ nann­te er sie schon frü­her (22.4.18), und mit die­sem Pos­ting wird klar, dass er ganz offen ras­sis­tisch kann: „War­um wol­len Tür­ken bei uns ihr Land in Lege­bat­te­rien ver­wan­deln?“ (15.4.20) Auch hier kommt er ganz offen ras­sis­tisch daher: „Wer Par­tei­en, Ideo­lo­gien und Abkömm­lin­gen (sic!) von Zivi­li­sa­tio­nen auf dem Niveau der Nean­der­ta­ler unter­stützt ….“ (21.6.20)

Sozialdarwinismus und Wissenschaftsfeindlichkeit

Für Grosz war die Coro­na-Pan­de­mie von Beginn an harm­los wie eine Grip­pe. Eine „sai­so­na­le Erschei­nung“ (2.6.21) nann­te er sie, eine „pani­sche Grip­pe“ (24.4.20), die „dem Tou­ris­mus die Exis­tenz kos­tet“ (24.4.20). Die weit mehr als sechs Mil­lio­nen Coro­na-Toten ver­schwin­den bei ihm hin­ter den zyni­schen Sätzen:

Wir wer­den mit Coro­na leben müs­sen, wie die Mensch­heit seit Jahr­tau­sen­den mit einer Viel­zahl von Viren leben ler­nen muss­te! Der Aus­weg aus die­ser Abwärts­spi­ra­le ist: FREIHEIT ZUR SELBSTBESTIMMUNG! Jeder trägt für sich das Risi­ko des Lebens, wir sind nicht unsterb­lich und Regie­run­gen die uns die­se Lüge vor­gau­keln, ver­fol­gen ande­re Zie­le. (28.7.21)

Und weil sie noch immer das Gegen­teil behaup­ten, sind die Exper­ten „soge­nann­te“ (3.3.21) und „polithö­rig“ (7.9.21), bei denen es Zeit sei, sie „vor Gericht zu stel­len“ (11.5.22), jeden­falls aber: „Man soll­te die­se ‚Exper­ten‘ rasch aus­tau­schen! Denn sie sind die größ­te Gefahr für uns Men­schen.“ (29.7.21)

Dichotomisierung der Gesellschaft

Grosz, der sich mit einem Part­ner, der sich selbst als „reich wie ein Scheich“ bezeich­net, eine Ges­mbH teilt, der Abge­ord­ne­ter und Par­tei­ob­mann einer Par­la­ments­par­tei war sowie Kom­men­ta­tor bzw. Kolum­nist bei oe24 und dem AfD-nahen „Deutsch­land Kurier“ ist, will sich per­ma­nent als der uner­schro­cke­ne Kämp­fer gegen das Estab­lish­ment, dem er aber sel­ber ange­hört, inszenieren.

Der TV-Mode­ra­tor und Sati­ri­ker Jan Böh­mer­mann ist für ihn ein „Estab­lish­ment-Voll­pfos­ten“ (4.2.22), Bun­des­prä­si­dent Van der Bel­len „ein Kan­di­dat des Estab­lish­ments“ (22.6.22), „Steig­bü­gel­hal­ter der Eli­ten“ (22.6.22), wäh­rend für ihn, den uner­schro­cke­nen Kämp­fer gilt: „Der Her­aus­for­de­rer wird dif­fa­miert und lächer­lich gemacht.“ (22.6.22) Sowie­so gilt für Grosz: „Das Volk wird ver­arscht, das Estab­lish­ment rich­tet es sich!“ (1.4.22). Des­halb fin­det er es auch „bemer­kens­wert, wie sich Euro­pas Estab­lish­ment gegen Le Pen zusam­men tut“ (23.4.22).

Wobei Grosz, wenn es ihm oppor­tun erscheint, auch einen sehr brei­ten Estab­lish­ment-Begriff fährt, der die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung umfasst. Die wird dann eben beschimpft als „das Estab­lish­ment der hün­di­schen Coro­na-Ver­eh­rer“ (28.1.21). Behilf­lich sind dem Estab­lish­ment natür­lich die Medi­en, die „Pro­pa­gan­da­an­stal­ten“, die „media­le Umer­zie­hungs­ela­bo­ra­te“ (31.5.22) lie­fern. Ein­schlä­gi­ge Begrif­fe wie „Sys­tem­pres­se“ oder „Lügen­pres­se“ ver­mei­det Grosz, aber mit dem schrä­gen Ter­mi­nus „Umer­zie­hungs­ela­bo­ra­te“ bedient er die Klientel.

Dehumanisierung

Dif­fa­mie­run­gen, Patho­lo­gi­sie­run­gen und die sys­te­ma­ti­sche Dehu­ma­ni­sie­rung von poli­ti­schen Geg­nern sind ein prä­gen­des Merk­mal der Rhe­to­rik von Grosz. Der Bun­des­prä­si­dent ist für ihn der „Staats­ge­ron­to­krat“, der „rau­chen­de“, „spre­chen­de“, „schwei­gen­de“ oder auch „hono­ri­ge“ „Aschen­be­cher“ aus der Hof­burg, der Wie­ner Bür­ger­meis­ter das „Schnit­zel­ge­sicht“, die deut­sche Außen­mi­nis­te­rin Baer­bock die „obers­te Stot­te­rin“, „Fäl­scher-Anni“ oder „Annal­pha­be­ta“.

Über die sys­te­ma­ti­sche Abwer­tung der Per­son Gre­ta Thun­berg ver­sucht Grosz auch, die Kli­ma­ka­ta­stro­phe ins Lächer­li­che zu zie­hen: Beschimp­fun­gen wie das „schwe­di­sche Kind-Ora­kel“, „intel­lek­tu­el­les Nacht­schat­ten­ge­wächs“ (23.7.21), „Hohe­pries­te­rin des Welt­un­ter­gangs“, „Sek­ten­füh­re­rin des Hit­ze­kults“ (18.7.21) sol­len sei­ne argu­men­ta­ti­ve Not überdecken.

Inter­es­sant ist auch, wie sich Grosz zum rus­si­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne posi­tio­niert. Eine offe­ne Par­tei­nah­me für den Aggres­sor umschifft er weit­ge­hend dadurch, indem er den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten und die Ukrai­ne dif­fa­miert. Selen­skyj ist für ihn ein „Wod­ka-Olig­arch für Arme“, der „seit 3 Mona­ten in erpres­se­ri­schem Ton an die Moral des Wes­tens appel­lier­te, um noch mehr Waf­fen für ein sinn­lo­ses Unter­fan­gen zu erhal­ten“ (29.5.22). Der Prä­si­dent ist für ihn „ein Heuch­ler“ (20.4.22), der „in hüb­sche Camou­fla­ge gehüll­te Kriegs­dar­stel­ler“ (29.5.22), „Ver­tre­ter der kor­rup­ten ukrai­ni­schen Klep­to­kra­ten­de­mo­kra­tur“ (5.3.22), eines Lan­des also, das „bis vor weni­gen Wochen von den­sel­ben Medi­en noch als der kor­rup­tes­te Staat der EU (sic!) bezeich­net wur­de“ (26.2.22).

Gut, mit sei­nen feh­len­den Kennt­nis­sen der poli­ti­schen Geo­gra­phie nähert er sich sei­nem Lieb­ling Donald Trump („ein wah­rer Segen für Euro­pa“, 22.2.22) an, aber auch ohne EU stimmt die Behaup­tung so nicht, schon gar nicht im Ver­gleich mit Russ­land, das wesent­lich kor­rup­ter ist.

Aber Grosz hat ja noch ein ande­res „Argu­ment“ gegen die Ukrai­ne, „ein Land, das seit 2014 als kor­rup­tes faschis­ti­sches Regime bekannt ist“ (24.5.22). Wie bit­te? Ist das jetzt die Legi­ti­mie­rung von Putin, der die Ukrai­ne durch die rus­si­sche Okku­pa­ti­on „ent­na­zi­fi­zie­ren“ will? „Viel­leicht könn­ten sich alle Sei­ten dar­auf besin­nen, sol­che ver­rück­ten Ver­glei­che zu unter­las­sen“, pos­tet Grosz am 8.5.22, um dann hin­zu­zu­fü­gen: „Die­se Kriegs­pro­pa­gan­da schafft kei­nen Frie­den nur wei­te­re Pro­vo­ka­tio­nen.“ Da möch­ten wir Grosz kei­nes­falls wider­spre­chen, wenn er mit den „alle Sei­ten“ auch sich selbst mei­nen wür­de. Aber er meint natür­lich nur die Ukrai­ner, nicht den ver­meint­li­chen Ent­na­zi­fi­zie­rer Putin und schon gar nicht den „Anti­fa­schis­ten“ Grosz , denn sei­ner Mah­nung vor­an­ge­stellt hat­te er den ent­behr­li­chen Hin­weis: „Putin ist kein Hit­ler, die Rus­sen kei­ne Nazis.

Gerald Grosz definiert, wer (k)ein Nazi ist: Putin (8.5.22)
Gerald Grosz defi­niert, wer (k)ein Nazi ist: Putin (8.5.22)

Raus aus der EU und den Sanktionen

Auch eines der Leib­the­men der euro­päi­schen Rechts­extre­men bedient Grosz vor allem in den letz­ten Mona­ten immer stär­ker: den Aus­tritt aus der Euro­päi­schen Uni­on. 2020 ver­steck­te er sei­nen und Putins Wunsch noch hin­ter die­ser For­mel: „Nein zu die­ser EU, Ja zum gro­ßen euro­päi­schen Gedan­ken der Grün­der­vä­ter.“ (24.4.20) Das war noch eine vor­sich­ti­ge Ableh­nung. Mitt­ler­wei­le for­dert Grosz klar: „Raus aus die­ser EU!“ (13.5.22). Noch etwas for­dert Grosz seit Kur­zem – sogar in Ver­sa­li­en: „Wir brau­chen eine SOFORTIGE ABSCHAFFUNG ALLER SANKTIONEN!“ (5.5.22)

Gerald Grosz: Raus aus der EU! (13.5.22)
Gerald Grosz: Raus aus der EU! (13.5.22)

Das betrifft natür­lich die Sank­tio­nen der EU und ande­rer Staa­ten gegen Russ­land wegen des­sen Aggres­si­ons­kriegs. Im Fall des mög­li­chen Ver­dachts gegen die Volks­re­pu­blik Chi­na, wonach das Coro­na-Virus in einem Labor in Wuhan ent­stan­den sein könn­te, sah das Grosz völ­lig anders:

Wann, wenn nicht jetzt, ist es Zeit, die Her­kunft die­ses Virus lücken­los zu klä­ren! Denn die Mil­li­ar­den­schä­den wird der Ver­ur­sa­cher die­ses welt­wei­ten Wahn­sinns zu tra­gen haben. Und wenn Chi­na nicht zahlt, wird die Welt­ge­mein­schaft mit Sank­tio­nen, Ein­rei­se­ver­bo­ten, ein­ge­fro­re­nen Kon­ten und dem Ein­zug chi­ne­si­schen Volks­ver­mö­gens reagie­ren müs­sen! Ohne Wenn und Aber! (31.5.21)

Gerald Grosz fordert Sanktionen gegen China (31.5.21)
Gerald Grosz for­dert Sank­tio­nen gegen Chi­na (31.5.21)

Aber har­te Sank­tio­nen wegen eines unbe­stä­tig­ten Ver­dachts über die Ent­ste­hung eines Virus, mit dem wir nach Grosz ein­fach zu leben ler­nen müs­sen, sind eben was völ­lig ande­res als Sank­tio­nen gegen ein rus­si­sches Regime, das einen Ter­ror­krieg führt!

1 Alle Zita­te bzw. die Datums­an­ga­ben bezie­hen sich auf Pos­tings von Gerald Grosz von des­sen Face­book-Sei­te, auf der ihm mitt­ler­wei­le mehr als 300.000 Per­so­nen folgen.

Gerald Grosz FB-Seite: 304.795 Follower (Screenshot 29.6.22)
Gerald Grosz FB-Sei­te: 304.795 Fol­lower (Screen­shot 29.6.22)

➡️ Mit Dreck­schleu­dern zum Bun­des­prä­si­dent? – Gerald Grosz (Teil 1)
➡️ Was ist Rechtsextremismus?