Wiener Neustadt: NS-Schmiererei in Gefängniszelle
Mistelbach/NÖ: Geheimabstimmung über Nowotny-Ehrentafel
Bez. Perg, Urfahr-Umgebung, Linz-Land/OÖ: 35 Jugendliche mit 68 Delikten
Wiener Neustadt: NS-Schmiererei in Gefängniszelle
Es ist ungünstig, ausgerechnet in einer Gefängniszelle Nazi-Codes wie „S88S“, „Sieg Heil“ und „Österreich bleibt arisch“ anzubringen. Deswegen musste sich ein 26-Jähriger vor dem Landesgericht Wiener Neustadt erklären. Und da der sich teilweise nicht erinnern konnte, weil er angeblich unter Drogen stand und nur zugab, eine Rune und das Logo einer Rap-Band sowie „Only god can judge me“ geschmiert zu haben, den Rest aber nicht er selbst, sondern sein Zellenmitbewohner, musste die Verhandlung vertagt werden.
Sein Zellenkollege gab vor Gericht an, dass er sich sicher sei, dass der 26-Jährige alles geschrieben habe, weil ihm bei einer gründlichen Putzaktion davor diese Sachen aufgefallen wären. Der Prozess wurde vertagt, um Justizbeamte zu laden und Schriftproben des Angeklagten zu beschaffen. (NÖN, 22.6.22, S. 22)
Mistelbach/NÖ: Geheimabstimmung über Nowotny-Ehrentafel
In Wien hat die Beteiligung am „Nowotny-Gedenken“ auf dem Wiener Zentralfriedhof in den letzten Jahren sehr abgenommen. Inzwischen scheint sich auch die Nowotny-Fanszene zerstritten zu haben, sodass es 2021 zu einem getrennten Aufmarsch kam.
Am 1. November trafen sich über ein Dutzend Neonazis am Nowotny-Grab und hinterlegten einen Kranz des „Nationalen Widerstands”, wie auf der Trauerschleife zu lesen war. Eine Woche später lud der „Verein zur Pflege des Grabes Walter Nowotny” auf den Zentralfriedhof zu seiner Gedenkveranstaltung. (…) Dieses Jahr war unter den Anwesenden, die teilweise uniformiert und mit militärischen Orden und Abzeichen erschienen, eine Abordnung des Kameradschaftsbundes Mistelbach, der einstigen Heimatgemeinde Nowotnys. Zusätzlich tauchten Aktivisten der weit rechts angesiedelten Kameradschaft Prinz Eugen aus Perchtoldsdorf auf. Verglichen mit früheren Jahren war es eine eher kleine Veranstaltung. (derstandard.at, 15.11.22)
Während in Wien der Widerstand gegen das Nazi-Gedenken 2003 zur Aberkennung des Ehrengrabs für Nowotny führte, im niedersächsischen Bramsche, wo Nowotny mit seinem Flugzeug 1944 abgeschossen worden war, ein Nowotny-Denkmal wenigstens kontextualisiert wurde, brauchte es im niederösterreichischen Mistelbach etwas länger, bis Bewegung bezüglich einer an der Friedhofsmauer angebrachten Ehrentafel kam. Wobei „Bewegung“ vorerst nur bedeutet, dass es eine Abstimmung über das Nutzungsrecht der Friedhofsmauer durch den örtlichen Kameradschaftsbund geben wird.
Am 01.11.2021 fand am Zentralfriedhof ein Gedenkspaziergang von Rechtsextremen und Neonazis aus dem Umfeld Gottfried Küssels statt. Es nahmen mehrere Personen aus dem Umfeld der verbotenen Website „Alpen-Donau-Info” teil. pic.twitter.com/pJEjnJ78Gv
— Presseservice Wien (@PresseWien) November 7, 2021
Eine Gruppe um [den] Historiker und Journalisten Andi Kuba übergab dem Mistelbacher Gemeinderat einen Antrag auf Entfernung der Ehrentafel für den umstrittenen Weltkriegs-Kampfpiloten Walter Nowotny. Behandelt wird die Causa vermutlich in der Juli-Sitzung des Gemeinderates.
Die Tafel hängt seit 1979 an der Friedhofsmauer neben dem Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege. Aufgehängt wurde sie vom Mistelbacher Kameradschaftsbund, der, entgegen den Empfehlungen des Landesverbandes, eine innige Verbundenheit mit Nowotny lebt. (noen.at, 22.6.22)
Der Nowotny-Grabpflege-Verein, der seinen Vereinssitz inzwischen von Wien nach Linz verlegt hat, zeigt sich naturgemäß not amused und behauptet im Gegensatz zum DÖW, dass Nowotny nicht Mitglied der NSADP gewesen sei.
Der ÖVP-Bürgermeister gibt sich nach außen gelassen und will die Abstimmung als normale Angelegenheit framen. Dass dem nicht ganz so ist, zeigt der Plan, die Abstimmung geheim abzuwickeln. Dann müssen sich jene, die für die Beibehaltung des braunen Gedenkens stimmen, nicht outen. Das im Jahr 2022!
Bez. Perg, Urfahr-Umgebung, Linz-Land/OÖ: 35 Jugendliche mit 68 Delikten
Gleich 35 Jugendliche zwischen 14 und 17 aus den oberösterreichischen Bezirken Perg, Urfahr-Umgebung und Linz-Land sind in das Visier von Polizei und Justiz gekommen, weil sie verdächtig werden, eine große Anzahl zum Teil schwerwiegender Delikte begangen zu haben. Insgesamt sind bislang 68 Delikte zur Anzeige gebracht worden, darunter Verstoß gegen das Verbotsgesetz, pornografische Darstellung Minderjähriger, Verhetzung, Drogenbesitz und Drogenhandel, Sachbeschädigung und Diebstahl.
25 Verdächtige sind nach dem Verbotsgesetz, 14 wegen pornografischer Darstellung Minderjähriger und sechs wegen Verhetzung angezeigt worden. Erschreckend: Die Jugendlichen (…) zeigten nahezu kein Unrechtsbewusstsein. Ihnen werden auch zahlreiche Sachbeschädigungen und Verkehrszeichen-Diebstähle zur Last gelegt. (krone.at, 24.6.22)
Begonnen hatten die Erhebungen bei einem Burschen, auf dessen Mobiltelefon eine kinderpornografische Aufnahme sichergestellt worden war. Die Ermittler fanden heraus, dass einschlägige Fotos und Videos auf WhatsApp und Snapchat geteilt worden waren — darunter auch solche, die gegen das Verbotsgesetz verstoßen und Verhetzung darstellen sollen.
So fanden die Beamten zum Beispiel einen selbst gedrehten Videoclip, in dem drei Mädchen vor der KZ-Gedenkstätte [Mauthausen, Anmk. SdR] den rechten Arm zum Hitlergruß ausstrecken. Im Bereich des Bahnhofs von St. Georgen wurden Hakenkreuz-Symbole mit Tixo an die Wand der Haltestelle geklebt. In insgesamt sechs Fällen geht es laut Polizei um Wiederbetätigung. (nachrichten.at, 25.6.22)
Alle Jugendlichen wurden auf freiem Fuß angezeigt.
Während uns aus der Politik bislang keinerlei Reaktionen zu diesem in seiner Dimension doch außergewöhnlichen Fall bekannt sind, hat zumindest die Gedenkstätte Mauthausen via Presseaussendung reagiert.
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen betont, dass junges Alter und Unreife keine Entschuldigung für Antisemitismus sowie für die Verharmlosung und Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen sind. Straftaten dieser Art müssen immer geahndet werden, auch wenn es sich bei den mutmaßlichen Straftätern um Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren handelt.
Zusätzlich zur klaren Verurteilung derartiger Handlungen müssen aber auch Fragen gestellt werden: Warum verüben Jugendliche solche? Ist es bloße Langeweile? Ist es Gleichgültigkeit? Ist es ein Einzelphänomen? Oder vielmehr Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, die uns allen Sorgen bereiten muss? Einer Entwicklung, die eine Verrohung der Gesellschaft befördert, unseren Kindern nicht ausreichend Schutz bietet, alte Feindbilder mehr und mehr reaktiviert, sie wieder gesellschaftsfähig macht? Spiegeln diese 35 Jugendlichen aus Oberösterreich jene Handlungen und Haltungen, welche insgesamt in der Gesamtgesellschaft zunehmend an Raum gewinnen?
Wir benötigen breit angelegte Allianzen, um solchen Entwicklungen zu begegnen. Es hat noch nie ausgereicht, jugendliche Straftäter einzig und allein zu verurteilen, entscheidend ist, wie in der Aufarbeitung dieser Taten zusätzlich zu den Jugendlichen auch das gesellschaftliche Umfeld in den Blick genommen wird.