Wochenschau KW 18/22 (Teil 2)

Eigen­willige Kärnt­ner Auf­schriften beschäfti­gen die Jus­tiz, doch die Urhe­ber wollen von einem Bezug zum Nation­al­sozial­is­mus nichts wis­sen. Van­dale­nak­te, in denen NS-Botschaften hin­ter­lassen wer­den, scheinen sich zu häufen. Inzwis­chen verge­ht keine Woche mehr, in der nicht von mehreren der­ar­ti­gen Vor­fällen berichtet wird. In der let­zten Woche waren Eisen­stadt und Kalwang an der Rei­he. Die FPÖ musste nach ein­er Klage, die eine Jour­nal­istin gegen die Partei ein­gere­icht hat­te, einen Rückzieher machen.

St. Georgen/Lavanttal und Möll­tal: Kärnt­ner Auf­schriften mal zwei
Eisen­stadt: Nazi-Botschaften in Autos geritzt
Kalwang/Stmk: Hak­enkreuz auf Kirchenfassade
FPÖ rud­ert mit dem Aus­druck des Bedauerns zurück

St. Georgen/Lavanttal und Möll­tal: Kärnt­ner Auf­schriften mal zwei

Auf eigen­willige Weise hat ein Lavant­taler Land­wirt „seine per­sön­liche Erfahrung“ auf seinem Bauern­hof optisch sicht­bar gemacht: Er brachte die Auf­schrift „arbeit­en macht frei“ an einem Gebäude an. Dass dabei an den Schriftzug „Arbeit macht frei“, der an eini­gen KZ-Toren mon­tiert war und den Zynis­mus der Nazis zum Aus­druck brachte, gedacht wird, ist nicht ver­wun­der­lich. 

Darauf aufmerk­sam wurde die Woche durch ein anonymes E‑Mail: „Bei meinem Urlaub in St. Geor­gen im Lavant­tal musste ich etwas Entset­zlich­es sehen“, stand darin. Ange­hängt waren einige Fotos und sog­ar die genaue Lage des Bauern­hofes auf Google Maps. Der Land­wirt selb­st sah auf Nach­frage der Woche kein Prob­lem mit dem Spruch: „Ich habe mein Leb­tag lang gear­beit­et, teil­weise 80 bis 90 Stun­den pro Woche. Was da ste­ht, ist meine per­sön­liche Erfahrung und die wird mir nie­mand stre­it­ig machen. Ich bin jet­zt fast 70 und mein einziger Urlaub war bei der Zeit im Bun­desheer.“ (meinbezirk.at, 27.4.22)

Es ist zu ler­nen: Jemand, der sehr viel arbeit­et und nie Urlaub macht, erin­nert sich selb­st mit­tels eines Spruch­es daran, dass Mil­lio­nen genau diesen Schriftzug lesen mussten, bevor sie in den KZ umge­bracht wur­den? Die Geschichte wird jedoch noch absur­der: Aus­gerech­net der Anwalt Chris­t­ian Rag­ger, Kärnt­ner FPÖ-Chef und Nation­al­ratsab­ge­ord­neter, dessen Partei viel Erfahrung mit dem Ver­bots­ge­setz vorzuweisen hat, rückt aus und erk­lärt: 

Wenn man bedenkt, dass in den NS-Konzen­tra­tionslagern mehrere Mil­lio­nen Men­schen ermordet wur­den und dabei an den Toren diesen Spruch lesen mussten, dann ist die Anbringung dieses Satzes defin­i­tiv eine Tathand­lung nach dem Ver­bots­ge­setz. Es han­delt sich um ein Offizialde­likt, das von der Staat­san­waltschaft von Amts wegen ver­fol­gt wer­den muss. (meinbezirk.at) 

Woher Rag­ger die Kom­pe­tenz nimmt, die laut öster­re­ichis­ch­er Recht­slage auss­chließlich einem Gericht zuste­ht, beurteilen zu kön­nen, dass der Schriftzug des Land­wirts „defin­i­tiv eine Tathand­lung nach dem Ver­bots­ge­setz“ sei, wäre zu hin­ter­fra­gen. Etwas vor­sichtiger for­muliert er allerd­ings einige Tage später: „Mit hoher Wahrschein­lichkeit han­delt es sich hier um Wieder­betä­ti­gung. Sollte es zu ein­er Ver­hand­lung kom­men, wird sie vor Geschwore­nen durchge­führt, dem Land­wirt dro­hen mehrere Jahre Frei­heitsstrafe.“ (Unterkärnt­ner Nachricht­en, 4.5.22, S. 9)

Nun wäre es inter­es­sant zu erfahren, was Rag­ger zu jenen Runen zu sagen hat, die zwei ihm wohlbekan­nte Ex-Poli­tik­er auf dem Ein­gangstor zu ihrem Anwe­sen im Möll­tal ange­bracht haben und das die bei­den mit Fam­i­lienereignis­sen in Verbindung brin­gen wollen. Die Grüne Nation­al­ratsab­ge­ord­nete Olga Voglauer hat­te im Novem­ber 2020 deswe­gen Anzeige erstat­tet. Einein­halb Jahre später ist zu erfahren, dass der 

Akt ist ger­ade von der Ober­staat­san­waltschaft Graz zum zweit­en Mal zurück­gekom­men [ist], dies­mal mit dem Auf­trag, einen der ehe­mals zwei Beschuldigten einzu­vernehmen“, so Sprech­er Markus Kitz, der sich über den Inhalt des vorgelegten Vorhabens­bericht­es nicht weit­er äußern darf.
Durch­gesick­ert ist aber bere­its, dass das Ver­fahren eigentlich gegen bei­de Ex-Poli­tik­er hätte eingestellt wer­den sollte, da der­lei Runen alleine noch keine Nähe zum Nation­al­sozial­is­mus darstellen müssen. Nach der Inter­ven­tion der Jus­tiz-Ober­be­hör­den ste­ht die Entschei­dung aber noch aus. (Kro­nen Zeitung, 4.5.22, S. 24)

Wolfsangel, Si(e)grune und Odal-Rune am Eingangstor

Wolf­san­gel, Si(e)grune und Odal-Rune am Eingangstor

Tat­säch­lich MÜSSEN Runen nicht automa­tisch Aus­druck ein­er Nähe zum NS darstellen, sie KÖNNEN es aber, vor allem dann, wenn es sich um zen­trale im NS-ver­wen­dete Sym­bole han­delt: die Si(e)grune, die Odal­rune und die Wolfsangel.

Eisen­stadt: Nazi-Botschaften in Autos geritzt

Das bur­gen­ländis­che LVT ermit­telt nach einem Van­dale­nakt in Eisen­stadt, bei dem in min­destens 15 Autos „Hak­enkreuze, ‚Heil Hitler‘-Schriftzüge und andere ein­schlägige nation­al­sozial­is­tis­che Inhalte“ (BVZ, 5.5.22, S. 35) ger­itzt wur­den. „Laut Polizeis­prech­er: ‚Es kom­men laufend weit­ere Per­so­n­en hinzu, deren Fahrzeug zerkratzt oder beschmiert wor­den ist. Daher lässt sich der Schaden noch nicht eruieren. Wir gehen von einem hohen fün­f­stel­li­gen Euro­be­trag aus!’ ” (meinbezirk.at, 3.5.22)

Kalwang/Stmk: Hak­enkreuz auf Kirchenfassade

Im steirischen Kalwang wurde die Außen­fas­sade der Pfar­rkirche auf beson­dere Weise „deko­ri­ert“. „Dabei sprüht­en sie [die Täter, Anmk. Sdr] unter anderem reli­gions­feindliche Wort­laute und nation­al­sozial­is­tis­che Sym­bole wie ein Hak­enkreuz in ver­schiede­nen Far­ben auf die Außen­fas­sade der Pfar­rkirche – links und rechts vom Ein­gangsportal.” (Kleine Zeitung, 7.5.22, S. 24)

Einige der Sym­bole seien laut Polizei auch der Sucht­mit­tel­szene zuzuord­nen. Die Kom­bi­na­tion Dro­gen & Neon­azis wäre jeden­falls alles andere als neu.

FPÖ rud­ert mit dem Aus­druck des Bedauerns zurück

Den Kürz­eren gezo­gen hat die FPÖ gegen San­dra Schieder, Jour­nal­istin der Kro­nen Zeitung. Die klagte näm­lich die FPÖ, nach­dem der Gen­er­alsekretär Michael Schnedlitz in ein­er Presseaussendung erk­lärte, die Kro­nen Zeitung würde Fake News ver­bre­it­en, weil sie über die Schließung des Bürg­ertele­fons der FPÖ berichtet hat­te: „Die FPÖ kappt im wahrsten Sinne des Wortes den Draht zu den Bürg­ern – statt über das Tele­fon ist das Bürg­er­büro der Bun­despartei nur noch über ein Online-Kon­tak­t­for­mu­lar zu erre­ichen.“ (krone.at, 19.2.22) Das gefiel der FPÖ nicht, worauf es zur Presseaussendung kam.

Aus mehr Ser­vice für die Bürg­er weniger zu machen bzw. sog­ar einen Abbruch der Kom­mu­nika­tion zu kon­stru­ieren, das muss einem erst ein­mal ein­fall­en. Der­ar­tige ‚Fake News’ zu ver­bre­it­en, ist das die Hal­tung, mit der sich die Kro­ne selb­st bewirbt?“, kom­men­tierte heute FPÖ-Gen­er­alsekretär NAbg. Michael Schnedlitz einen Bericht der ‚Kro­nen Zeitung’, wonach die FPÖ den ‚Draht zu den Bürg­ern gekappt’ hätte.” Und: „Am oben genan­nten Bericht erkenne man allerd­ings, wie manche in den Medi­en arbeit­en.“ Finale: „Ein sehr häu­figes The­ma bei der Kon­tak­tauf­nahme via For­mu­lar und Tele­fon: die ten­den­z­iöse Berichter­stat­tung manch­er Medi­en,“ so Schnedlitz. (zit. via derstandard.at, 4.5.22)

Der Fake News-Vor­wurf der FPÖ wurde ihr zum Ver­häng­nis, denn die Jour­nal­istin reichte eine medi­en- und zivil­rechtliche Klage ein. „Hier erließ das Wiener Han­dels­gericht vor weni­gen Tagen eine einst­weilige Ver­fü­gung, die der FPÖ die Behaup­tung, Schieder oder die „Kro­ne” ver­bre­it­eten Fake News, unter­sagte.“ (derstandard.at)

Nun kam es zu einem außerg­erichtlichen Ver­gle­ich, und die FPÖ ver­laut­barte in ein­er Presseaussendung: „Wir entschuldigen uns hier­mit bei Frau Schieder und ziehen den Vor­wurf, die ‚Kro­ne’ würde Fake News’ pro­duzieren, mit dem Aus­druck des Bedauerns zurück.“ Die Nachricht von Schieder an die FPÖ war recht ein­deutig: „Liebe FPÖ, sollte sich Der­ar­tiges wieder­holen, sehen wir uns vor Gericht.“