Kickl & AUF1: eine Ehe mit Verschwörungswahn

FPÖ-Chef Her­bert Kickl hat sich für ein ein­stündi­ges Inter­view mit dem recht­sex­tremen Aktivis­ten Ste­fan Mag­net zusam­menge­set­zt. Das Gespräch hat im Rah­men von Mag­nets Medi­en­pro­jekt AUF1 stattge­fun­den und wurde zudem via FPÖ-TV auf YouTube veröf­fentlicht. Mag­net und Kickl war­fen sich dabei in ver­schwörungside­ol­o­gis­ch­er Einigkeit gegen­seit­ig die Stich­wörter zu.

Über AUF1, das rel­a­tiv neue Online-TV-Pro­jekt von Ste­fan Mag­net, haben wir erst­mals bere­its im Som­mer 2021 berichtet. Mag­net, der in jün­geren Jahren Führungskad­er beim neon­azis­tis­chen Bund freier Jugend (BfJ) war, hat sich seit Pan­demiebe­ginn als recht­sex­tremer Coro­na-Leugn­er einen Namen gemacht. Mit AUF1 hat er eine Plat­tform geschaf­fen, die sich inhaltlich nicht von ver­wandten Erzeug­nis­sen des extrem recht­en Medi­en-Par­al­lelu­ni­ver­sums – etwa Info-Direkt oder Wochen­blick (mit bei­den ist Mag­net übri­gens ver­ban­delt) – abhebt. Dort feiern Ver­schwörungside­olo­gie und Desin­for­ma­tion fröh­liche Urständ. Auf Telegramm ver­fügt AUF1 inzwis­chen über beina­he 200 000 Abonnent*innen.

„Glob­al­is­mus“ und gewollte Krisen

Bere­its der Titel ist einiger­maßen ver­rä­ter­isch: Her­bert Kickl im AUF1-Exk­lu­siv­in­ter­view: „Eliten brauchen Krisen, um Gesellschaft umzubauen!” (1) Und im Text zum Video auf YouTube ste­hen u.a. die Fra­gen „Was ist Glob­al­is­mus? Gibt es geheime Eliten, die ganze Staat­en umbauen?“ Damit ist der raunende Ton, den Kickl und Inter­view­er Mag­net immer wieder anschla­gen, schon vorweggenommen.

FPÖ TV zum Interview Magnet-Kickl: "Globalismus" und "geheime Eliten"

FPÖ TV zum Inter­view Mag­net-Kickl: „Glob­al­is­mus” und „geheime Eliten”

Mag­net lobt Kickl im Ver­lauf des Gesprächs dafür, als erster Poli­tik­er den Begriff vom „Great Reset“ in die par­la­men­tarische Debat­te einge­bracht zu haben. Kickl nimmt die Rutsche gerne an und erk­lärt, es gebe „pro­gram­ma­tis­che Schriften, die von einem Umbau der Gesellschaft aus Krisen her­aus reden“, und zwar nach dem Mod­ell: „Es gibt eine kleine Elite, die weiß was gut für uns ist, dem haben sich alle unterzuord­nen.“ Abge­se­hen von diesen ominösen Schriften, sieht er „per­son­elle Net­zw­erke“. Kickl erk­lärt, dass die „Eliten aus Poli­tik, aus Medi­en, aus Wirtschaft, Banken etc. (…) alle zu bes­timmten Tre­f­fen hin pil­gern“  und er fragt: „Was tun die dort? (…) Warum erfahren wir nichts darüber?

Wed­er die „Net­zw­erke“ noch die „bes­timmten Tre­f­fen“ noch die „pro­gram­ma­tis­chen Schriften“ benen­nt Kickl konkret. Das darf sein Pub­likum selb­st entschei­den. Das vage Ger­aunte bringt es mit sich, möglichst viele aus dem eige­nen bre­it­en Milieu zu erre­ichen – vom anthro­posophis­chen Impf-Flüchtling bis zum Neon­azi eben.

Herbert Kickl im Interview bei Stefan Magnet (AUF1)

Her­bert Kickl im Inter­view bei Ste­fan Mag­net (AUF1)

Mag­net, offen­sichtlich inspiri­ert von Kickls Ver­schwörungserzäh­lung, erk­lärt dann, dass Krisen dazu genutzt wer­den, um poli­tis­che Agen­den voranzutreiben: Das betr­e­ffe nicht nur die Coro­na-Krise, son­dern auch die „Migra­tionsströme“, die „Klima­panik“, die „Gen­der-Sit­u­a­tion“ („die Fam­i­lien wer­den entwertet“) – alles das sei zusam­men­z­u­fassen unter dem „Begriff des Glob­al­is­mus“.

Kickl greift die Chiffre vom „Glob­al­is­mus“ auf und behauptet, er vertei­di­ge die Frei­heit von Indi­vidu­um und Nation­al­staat, gegen den „Ver­such hier alles gle­ichzuschal­ten“. Dann wird er his­torisch und erk­lärt, der gegen­wär­tige „Glob­al­is­mus“ sei „nicht der erste Anlauf“ eines solchen Unternehmens; vielmehr ken­nen wir das schon von 1968, wo man ver­sucht habe, den „Men­schen zu entwurzeln, den Men­schen völ­lig zu verun­sich­ern mit den Din­gen, die ihm Halt geben“. Kickl malt ein Bild der sys­tem­a­tis­chen und geziel­ten Verun­sicherung mit dem Zweck, Men­schen für eine neue Ide­olo­gie gefügig zu machen.

Was Mag­net und Kickl da zusam­men­spin­nen, ist eine Blau­pause für die Struk­tur des anti­semi­tis­chen Welt­bildes, ohne freilich offen von Juden und Jüdin­nen zu sprechen: Eine kleine Elite steuert sämtliche glob­ale Krisen bzw. prof­i­tiert von ihnen; sie ver­net­zen sich bei dubiosen Tre­f­fen und ver­fassen „pro­gram­ma­tis­che Schriften“ für ihre Pläne zur Kon­trolle der Welt (die anti­semi­tis­che Het­zschrift „Pro­tokolle der Weisen von Zion“ lässt grüßen); alle Wider­sprüche, die den Recht­en nicht gefall­en – Gen­der, Kli­ma, Flüchtlinge … –, wer­den zum Teilchen im Plan ein­er Machtelite umgedeutet. Let­zteres ste­ht für etwas, was Anti­semitismus stets liefert: eine kohärente Wel­terk­lärung, die dazu in der Lage ist, sämtliche Kränkun­gen, Ambivalen­zen und Ver­w­er­fun­gen der mod­er­nen Gesellschaft im Rah­men eines hochgr­a­dig moral­isieren­den und per­son­al­isieren­den Sün­den­bock-Diskurs­es ver­ständlich und erträglich zu machen. Passend zu dieser Pseu­do-Kri­tik emp­fiehlt Kickl, sich dem Ein­fluss von 1968 und dem „Glob­al­is­mus“ zu entziehen, indem man „auf das Bauchge­fühl“ hört und „dem Hausver­stand wieder zum Durch­bruch“ ver­hil­ft.

Hausver­stand gegen „Lügen­presse“

Kickl ver­wen­det den für Recht­sex­trem­is­mus oft­mals typ­is­chen Bezug auf einen gesun­den Hausver­stand auch dafür, Wis­senschafts- und Jour­nal­is­mus­feindlichkeit zu verk­lam­mern. So spricht er von „Lügen­presse“ und lobt das Aufkom­men „andere[r] Medi­en, die sozusagen die Arbeit machen, die eigentlich die etablierten machen soll­ten“. Ohne sich die Blöße zu geben, hier konkret zu wer­den, ver­weist Kickl damit freilich auf eben jene recht­sex­tremen Fake-News-Schleud­ern, die nicht zulet­zt so empfänglich für Putins Troll-Armeen waren und sind. Bezüglich ser­iös­er Medi­en moniert Kickl hinge­gen allen Ern­stes das Fehlen von „jour­nal­is­tis­chem Ethos“. Und gle­ich­es gilt ihm auch für ärztlichen Ethos: Nach unzäh­li­gen Anwür­fen und Über­grif­f­en gegen medi­zinis­ches Per­son­al, stellt Kickl klar, wo seine Sol­i­dar­ität liegt, wenn er sich darüber freut, dass „die Leute (…) den Göt­tern in Weiß ein­mal mit ihrem eige­nen Hausver­stand begeg­nen und sagen, ich muss denen auch nicht aus der Hand fressen. Und das gle­iche haben wir bei den Medi­en“.

Appelle an den „Hausver­stand“ oder die „Boden­ständigkeit“ sind zen­tral für völkischen Recht­sex­trem­is­mus, denn sie sug­gerieren, dass unmit­tel­bar auftre­tende Vorurteile gar nicht erst durch Denken, Argu­men­tieren und Reflek­tieren her­aus­ge­fordert zu wer­den brauchen. Das völkische Bauchge­fühl muss sich nicht durch Fak­ten und Begriffe irri­tieren lassen. Darauf ange­sprochen, dass seine Partei und die Maßnahmengegner*innen oft­mals als recht­sex­trem dargestellt wür­den, erk­lärt Kickl fol­gerichtig: „Das was da als recht­sex­trem beze­ich­net wird, ist nor­mal, ist hausver­ständig, ist boden­ständig, hat mit mein­er Iden­tität zu tun und dazu ste­he ich.

Es muss auch dieser Hausver­stand sein, der Kickl etwa davon fab­u­lieren lässt, dass der öster­re­ichis­chen Bevölkerung durch die Pan­demie-Maß­nah­men „Grausamkeit­en und Unmen­schlichkeit­en“ von der türkis-grü­nen Regierung ange­tan wur­den; viele in der Regierung seien „auf den total­itären Geschmack“ gekom­men, meint er. Gegen Ende des Inter­views ver­steigt er sich gar zu der For­mulierung, die Bevölkerung sei „entrechtet und gemartert“ wor­den.

Wer solche Zuschrei­bun­gen für das Pan­demie-Man­age­ment eines demokratis­chen Staates ver­wen­det, während eine echte Dik­tatur nur ein paar hun­dert Kilo­me­ter östlich tat­säch­lich Grausamkeit­en und Unmen­schlichkeit­en verübt, hat sich von jedem Denken ver­ab­schiedet und ist ganz im wohli­gen Wut­ge­fühl seines bornierten „Hausver­standes“ versunken.

Lieber nicht zu viel von Putin reden …

Nur in den let­zten zehn Minuten des ein­stündi­gen Videos geht es um die Ukraine. Vor dem Hin­ter­grund von Putins Angriff­skrieg lehnt Kickl Sank­tio­nen gegenüber Rus­s­land ab und wün­scht sich, dass die öster­re­ichis­che Poli­tik „kri­tisch in alle Rich­tun­gen“ ist. Er bedi­ent die Neu­tral­ität als Argu­ment, gibt sich staatsmän­nisch, plädiert dafür, sich auch die andere Seite anzuhören. Einge­denk der Spal­tung inner­halb der extremen Recht­en bezüglich Putin ist das nur fol­gerichtig. Aber es weist Her­bert „boden­ständi­ger Hausver­stand“ Kickl freilich als den Wen­de­hals aus, der er nun­mal ist, sobald nicht ganz klar ist, woher der Wind im eige­nen Milieu weht.

Daher ver­wun­dert es auch nicht, dass Kickl nur zwei Jahre zuvor noch ganz anders tönte, als es näm­lich gegen die Türkei ging:

„Ich glaube, das Dümm­ste, was man machen kön­nte, ist (…) dafür zu jam­mern, dass man dem Her­rn Erdo­gan weit­ere Mil­liar­den über­weisen zu kön­nen [sic!], wo er gle­ichzeit­ig einen Angriff­skrieg führt, der die Sit­u­a­tion noch ein­mal ver­schärft. Also, ich glaube, es ist jet­zt höchst an der Zeit, alles zu unternehmen, um das Treiben des Her­rn Erdo­gan zu stoppen.”
Fell­ner: „Auch Sank­tio­nen?”
Kickl: „Jo!”
Fell­ner: „Also Wirtschaftssank­tio­nen beispielsweise?”
Kickl: „Alles, was dazu ange­tan ist, einen Beitrag dafür zu leis­ten, dass er zur Besin­nung kommt und nicht durch seine mil­itärischen Expan­sion­s­gelüste – er träumt ja, glaub ich, davon, dass er der näch­ste große Sul­tan ist, der da in die Geschichts­büch­er einge­ht – dass man das unterbindet, weil das natür­lich die ganze Prob­lematik anheizt.”

Es sollte kaum möglich sein, dass irgend­je­mand den Chef-Schwur­bler Kickl und seine hochnot­pein­liche Selb­st­darstel­lung als Rebell der Bauch­füh­li­gen ernst nimmt. Lei­der ist das frei­heitliche und mit ihm das recht­sex­treme Medi­en-Par­al­lelu­ni­ver­sum aber so weit gediehen, dass inzwis­chen alles durchzuge­hen scheint. So auch die wieder­holte Han­dre­ichung an Verschwörungsideolog*innen und Antisemit*innen. Das ist wed­er neu noch über­raschend, unter­stre­icht aber Kickls immer weit­er eskalierende moralis­che, poli­tis­che und intellek­tuelle Ver­wahrlosung. Mit Mag­net und Auf1 hat sich Kickl dafür auf eine poli­tis­che Ehe mit hochgr­a­di­gem Ver­schwörungswahn als Kitt ein­ge­lassen, die ein gemein­sames Ziel ver­fol­gt: Desin­for­ma­tion und Desta­bil­isierung auf recht­sex­tremem Nährboden.

➡️ DÖW: AUF1: Volk­streue Apoka­lyp­tik, nun auch über Kabel (Feb­ru­ar 2022)
➡️ DÖW: FPÖ AUF1: gegen „Glob­al­is­mus”, „Great Reset” und „68” (März 2022)

Quelle:

Her­bert Kickl im AUF1-Exk­lu­siv­in­ter­view: „Eliten brauchen Krisen, um Gesellschaft umzubauen!”, online auf YouTube-Kanal von FPÖ TV (01.03.2022), einge­se­hen am: 03.03.2022