Die Anklageschrift war bereits für viele Insider*innen in der rechtsextremen Szene erstaunlich: Verhandelt wurde ausschließlich nach dem Waffen- und Suchtmittelgesetz, von einem rechtsextremen Netzwerk und von der mehrfach auch vom damaligen Innenminister kolportierten Absicht Binders, eine Neonazi-Miliz aufzustellen, war darin nicht mehr die Rede.
Der Prozess begann mit Verspätung: Die Schöffen waren nicht rechtzeitig da. Angeblich war ihnen eine falsche Beginnzeit mitgeteilt worden. Aber der spätere Beginn wurde hurtig wieder aufgeholt, denn nach einer halben Stunde war bereits alles wieder zu Ende.
Peter Binder, 53 Jahre, gelernter Sicherheitstechniker, hat seit 1982 bereits 13 Vorstrafen eingefasst: Diebstahl, (teilweise fahrlässige) Körperverletzung, Vergehen gegen das Waffengesetz und Verbotsgesetz; zweimal wurde er auch in Deutschland verurteilt – wieder wegen Suchtgift und Besitz von verbotenen Waffen. Binder ist seinen Aussagen nach, arm wie eine Kirchenmaus, kein Vermögen, aber immerhin auch keine Schulden. Von drei Waffenverkäufen erfahren wir die Summe, die er dafür einkassiert hat: 2.400 Euro für eine Uzi inklusive 2.000 Stück Munition, 2.500 Euro für eine Kalaschnikow mit Munition und 2.400 Euro für eine Beretta. Die hatte er während seines Freiganges zwischen September und Dezember 2020 verscherbelt. Beim letzten Deal war Schluss, denn der vermeintliche Käufer war ein V‑Mann.
Binder, seit den letzten Fotos, die es von ihm aus sehr viel früheren Zeiten gibt, sichtlich ergraut, bekennt sich in allen Anklagepunkten schuldig. Sein Verteidiger, Rudolf Mayer, derselbe, der ihn bereits im Prozess vertreten hatte, als er beschuldigt wurde, bei den Briefbombenattentaten in den 1990er-Jahren beteiligt gewesen zu sein, monierte schließlich für seinen Mandanten eine milde Strafe, da er voll geständig gewesen sei, seine Mittäter genannt habe und weil mit zunehmendem Alter die „kriminelle Intensität“ abnehme. Das habe er nach den fast 30 Jahren Bekanntschaft mit dem Angeklagten feststellen können. Binder habe zudem nach einer Belehrung durch ihn, den Verteidiger, eingesehen, dass Waffen tödlich sein können – Binder werde daher nicht mehr gefährlich sein. Noch ein für manche der wenigen Zuhörer*innen verblüffendes Entlastungsargument trug Mayer vor: Da Binder Waffen und Drogen an einen V‑Mann verkauft habe, sei eine Gefährdung der Allgemeinheit nur „abstrakt“ gewesen.
Schließlich kam noch die Familie ins Spiel: Binder sei inzwischen zweifacher Großvater, und er wolle, so Verteidiger Mayer, seine Zeit nur mehr Kindern und Enkelkindern widmen. Auf die Aufrufung der einzigen geladenen Zeugin, einer jüngeren Frau, wurde verzichtet; die nahm dafür im Zuschauer*innenbereich und bemühte sich direkt nach Prozessende um einen Besuchstermin bei Binder, mit dem sie dann auch in Begleitung einer weiteren Frau verschwand.
Nach nur 20 Minuten waren alle Prozesspunkte abgehandelt, nach nur fünf Minuten Beratung von Richter und Schöffen wurde das Urteil verkündet: 7,5 Jahre Freiheitsentzug abzüglich der U‑Haft, die seit September 2021 über Binder verhängt war. Bei einer Höchststrafe von 15 Jahren alleine für die Suchtmitteldelikte, die Binder begangen hatte und die Vergehen nach dem Waffengesetz nicht berücksichtigt, kann angesichts der auch einschlägigen Vorstrafen wohl von einer milden Strafe für den notorischen Waffendealer der Neonazis gesprochen werden. Binder akzeptierte auch sofort, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, daher ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Aber wie sagte Anwalt Mayer zu seinem Mandanten knapp vor Betreten des Verhandlungssaales?: „Du brauchst keine Sorgen haben!“
Von den Vergehen nach dem Verbotsgesetz war im Prozess keine Rede, die werden separiert in Wiener Neustadt verhandelt. Mal sehen, ob sich Binder auch dort keine Sorgen machen muss.
➡️ „Prozess Report” mit einer Zusammenfassung des Falles Binder
Frühere Beiträge von „Stoppt die Rechten” zu Binder (Auswahl der letzten Jahre):
➡️ Der Waffendealer der Neonazis – kein Neonazi? (11.1.22)
➡️ Der Dealer der Neonazis (21.4.21)
➡️ Der Neonazi und die „Extreme Chromokids“ (22.4.21)
➡️ Wiener Neustadt: 2 1/2 Jahre für braunen Waffendealer (19.6.18)
Medien zum Prozess:
Der Standard: Drogen- und Waffenprozess gegen angeblich geläuterten Altrechten
Kurier: Prozess: Der angebliche Gesinnungswandel des „Waffennarren” Peter B. (Paywall)