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Prozess Peter B.: Brauchst keine Sorgen haben!

Er hat bereits Pro­zess­rou­ti­ne: Der Waf­fen­dea­ler der Neo­na­zis, der im Dezem­ber 2020 als Frei­gän­ger wäh­rend einer Frei­heits­stra­fe, die er seit Juni 2018 absit­zen muss­te, Sucht­gift und Waf­fen hor­te­te und ver­tick­te. Bis er an einen V‑Mann gera­ten war. Bei Haus­durch­su­chun­gen sind Ton­nen an Waf­fen, Kriegs­ma­te­ri­al, NS-Devo­­tio­na­­li­en und Dro­gen gefun­den wor­den. Heu­te stand er daher wie­der vor […]

7. Mrz 2022

Die Ankla­ge­schrift war bereits für vie­le Insider*innen in der rechts­extre­men Sze­ne erstaun­lich: Ver­han­delt wur­de aus­schließ­lich nach dem Waf­fen- und Sucht­mit­tel­ge­setz, von einem rechts­extre­men Netz­werk und von der mehr­fach auch vom dama­li­gen Innen­mi­nis­ter kol­por­tier­ten Absicht Bin­ders, eine Neo­na­zi-Miliz auf­zu­stel­len, war dar­in nicht mehr die Rede.

Der Pro­zess begann mit Ver­spä­tung: Die Schöf­fen waren nicht recht­zei­tig da. Angeb­lich war ihnen eine fal­sche Beginn­zeit mit­ge­teilt wor­den. Aber der spä­te­re Beginn wur­de hur­tig wie­der auf­ge­holt, denn nach einer hal­ben Stun­de war bereits alles wie­der zu Ende.

Binder beim Eintreffen mit Verteidiger Rudolf Mayer (© SdR)
Bin­der beim Ein­tref­fen mit Ver­tei­di­ger Rudolf May­er (© SdR)

Peter Bin­der, 53 Jah­re, gelern­ter Sicher­heits­tech­ni­ker, hat seit 1982 bereits 13 Vor­stra­fen ein­ge­fasst: Dieb­stahl, (teil­wei­se fahr­läs­si­ge) Kör­per­ver­let­zung, Ver­ge­hen gegen das Waf­fen­ge­setz und Ver­bots­ge­setz; zwei­mal wur­de er auch in Deutsch­land ver­ur­teilt – wie­der wegen Sucht­gift und Besitz von ver­bo­te­nen Waf­fen. Bin­der ist sei­nen Aus­sa­gen nach, arm wie eine Kir­chen­maus, kein Ver­mö­gen, aber immer­hin auch kei­ne Schul­den. Von drei Waf­fen­ver­käu­fen erfah­ren wir die Sum­me, die er dafür ein­kas­siert hat: 2.400 Euro für eine Uzi inklu­si­ve 2.000 Stück Muni­ti­on, 2.500 Euro für eine Kalasch­ni­kow mit Muni­ti­on und 2.400 Euro für eine Beret­ta. Die hat­te er wäh­rend sei­nes Frei­gan­ges zwi­schen Sep­tem­ber und Dezem­ber 2020 ver­scher­belt. Beim letz­ten Deal war Schluss, denn der ver­meint­li­che Käu­fer war ein V‑Mann.

Binder knapp vor Prozessbeginn (© SdR)
Bin­der knapp vor Pro­zess­be­ginn (© SdR)

Bin­der, seit den letz­ten Fotos, die es von ihm aus sehr viel frü­he­ren Zei­ten gibt, sicht­lich ergraut, bekennt sich in allen Ankla­ge­punk­ten schul­dig. Sein Ver­tei­di­ger, Rudolf May­er, der­sel­be, der ihn bereits im Pro­zess ver­tre­ten hat­te, als er beschul­digt wur­de, bei den Brief­bom­ben­at­ten­ta­ten in den 1990er-Jah­ren betei­ligt gewe­sen zu sein, monier­te schließ­lich für sei­nen Man­dan­ten eine mil­de Stra­fe, da er voll gestän­dig gewe­sen sei, sei­ne Mit­tä­ter genannt habe und weil mit zuneh­men­dem Alter die „kri­mi­nel­le Inten­si­tät“ abneh­me. Das habe er nach den fast 30 Jah­ren Bekannt­schaft mit dem Ange­klag­ten fest­stel­len kön­nen. Bin­der habe zudem nach einer Beleh­rung durch ihn, den Ver­tei­di­ger, ein­ge­se­hen, dass Waf­fen töd­lich sein kön­nen – Bin­der wer­de daher nicht mehr gefähr­lich sein. Noch ein für man­che der weni­gen Zuhörer*innen ver­blüf­fen­des Ent­las­tungs­ar­gu­ment trug May­er vor: Da Bin­der Waf­fen und Dro­gen an einen V‑Mann ver­kauft habe, sei eine Gefähr­dung der All­ge­mein­heit nur „abs­trakt“ gewesen.

Schließ­lich kam noch die Fami­lie ins Spiel: Bin­der sei inzwi­schen zwei­fa­cher Groß­va­ter, und er wol­le, so Ver­tei­di­ger May­er, sei­ne Zeit nur mehr Kin­dern und Enkel­kin­dern wid­men. Auf die Auf­ru­fung der ein­zi­gen gela­de­nen Zeu­gin, einer jün­ge­ren Frau, wur­de ver­zich­tet; die nahm dafür im Zuschauer*innenbereich und bemüh­te sich direkt nach Pro­zess­ende um einen Besuchs­ter­min bei Bin­der, mit dem sie dann auch in Beglei­tung einer wei­te­ren Frau verschwand.

Nach nur 20 Minu­ten waren alle Pro­zess­punk­te abge­han­delt, nach nur fünf Minu­ten Bera­tung von Rich­ter und Schöf­fen wur­de das Urteil ver­kün­det: 7,5 Jah­re Frei­heits­ent­zug abzüg­lich der U‑Haft, die seit Sep­tem­ber 2021 über Bin­der ver­hängt war. Bei einer Höchst­stra­fe von 15 Jah­ren allei­ne für die Sucht­mit­tel­de­lik­te, die Bin­der began­gen hat­te und die Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz nicht berück­sich­tigt, kann ange­sichts der auch ein­schlä­gi­gen Vor­stra­fen wohl von einer mil­den Stra­fe für den noto­ri­schen Waf­fen­dea­ler der Neo­na­zis gespro­chen wer­den. Bin­der akzep­tier­te auch sofort, die Staats­an­wäl­tin gab kei­ne Erklä­rung ab, daher ist das Urteil noch nicht rechts­kräf­tig. Aber wie sag­te Anwalt May­er zu sei­nem Man­dan­ten knapp vor Betre­ten des Ver­hand­lungs­saa­les?: „Du brauchst kei­ne Sor­gen haben!“

Von den Ver­ge­hen nach dem Ver­bots­ge­setz war im Pro­zess kei­ne Rede, die wer­den sepa­riert in Wie­ner Neu­stadt ver­han­delt. Mal sehen, ob sich Bin­der auch dort kei­ne Sor­gen machen muss.

➡️ „Pro­zess Report” mit einer Zusam­men­fas­sung des Fal­les Binder

Frü­he­re Bei­trä­ge von „Stoppt die Rech­ten” zu Bin­der (Aus­wahl der letz­ten Jahre):

➡️ Der Waf­fen­dea­ler der Neo­na­zis – kein Neo­na­zi? (11.1.22)
➡️ Der Dea­ler der Neo­na­zis (21.4.21)
➡️ Der Neo­na­zi und die „Extre­me Chro­mo­kids“ (22.4.21)
➡️ Wie­ner Neu­stadt: 2 1/2 Jah­re für brau­nen Waf­fen­dea­ler (19.6.18)

Medi­en zum Prozess:

Der Stan­dard: Dro­gen- und Waf­fen­pro­zess gegen angeb­lich geläu­ter­ten Altrechten
Kurier: Pro­zess: Der angeb­li­che Gesin­nungs­wan­del des „Waf­fen­nar­ren” Peter B. (Pay­wall)

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