Der Dealer der Neonazis (Antifaschistisches Infoblatt)

Peter Binder, der im Dezem­ber nach Waf­fen- und Dro­gen­fun­den bei ihm seinen Freigang aus der Haft wieder abbrechen musste, sitzt also zunächst ein­mal wieder ein, das ste­ht fest. Son­st aber gibt es noch etliche offene Fra­gen. Was ist mit den anderen Festgenomme­nen? Gibt es noch andere Waf­fen- oder Dro­gen­ver­stecke? Dieser Beitrag wurde in Koop­er­a­tion von Karl Öllinger mit Moritz Eluek ver­fasst und ist im „Antifaschis­tis­chen Infoblatt“ in Berlin erschienen.

Als der Öster­re­ich­er Peter Binder im Dezem­ber 2020 im Rah­men ein­er Haus­durch­suchung festgenom­men wurde, fand man nicht nur Waf­fen, Muni­tion und Sprengstoff bei ihm, son­dern auch jede Menge Dro­gen. Es war ein Zufalls­fund, bei dem nicht nur Binder, son­dern weit­ere vier Per­so­n­en in Öster­re­ich und zwei in Deutsch­land (Bay­ern) festgenom­men wur­den. (1) „Fes­t­nahme“ ist im Fall von Binder eigentlich nicht zutr­e­f­fend, denn der war zu dem Zeit­punkt eigentlich bere­its Häftling der Jus­ti­zanstalt Simmering.

2018 war Binder von einem Geschwore­nen­gericht (Wiener Neustadt) zu ein­er Haft­strafe von zweiein­halb Jahren wegen NS-Wieder­betä­ti­gung und Verge­hen nach dem Waf­fenge­setz verurteilt wor­den. Den Rest dieser Haft­strafe durfte er als „Freigänger“ absolvieren – ange­blich in Absprache zwis­chen Jus­tiz- und Innen­min­is­teri­um, weil man so dem Net­zw­erk, das man nach ein­er Dro­gen­liefer­ung aus Deutsch­land im Okto­ber 2020 um Binder ver­mutete, auf die Schliche kom­men wollte. Selb­st wenn man die Angabe glaubt, dass es sich um einen beobachteten Freigang gehan­delt habe, war dies riskant.

Zum einen, weil Binder seine Deals nicht zum ersten Mal so durchge­zo­gen hat. Als er 2018 vor Gericht stand, wurde auch bekan­nt, dass er wenige Monate zuvor – im Jan­u­ar 2018 – beim Amts­gericht Pas­sau eine Haft­strafe auf Bewährung von zehn Monat­en wegen der Ein­fuhr von Waf­fen und Sucht­mit­teln kassiert hat.

Im Bericht über den Wieder­betä­ti­gung­sprozess 2018 hieß es dazu:

Bei der Befra­gung eines vom Angeklagten ange­forderten Zeu­gen, der erk­lärte, die von den Zoll­be­hör­den beim Gren­züber­tritt nach Deutsch­land in B.s Kof­fer­raum gefun­dene Muni­tion sei sein Eigen­tum gewe­sen, das er im Kof­fer­raum vergessen hat­te, kam es zu so ekla­tan­ten Wider­sprüchen zwis­chen der Aus­sage des Zeu­gen und der des Angeklagten, auch und vor allem zu dessen Recht­fer­ti­gung vor dem Amts­gericht Pas­sau, dass die Vor­sitzende kopf­schüt­tel­nd auf eine nähere Analyse verzichtete. (2)

Einen Verzicht auf nähere Analyse, möglicher­weise auch auf Anklage und Strafver­hand­lung, hat es offen­sichtlich schon 2010 gegeben. Damals meldete die „Kleine Zeitung“, dass in der Ober­steier­mark ein Niederöster­re­ich­er und ein Ober­steir­er von Dro­gen­fah­n­dern auf einem Park­platz im Mürz­tal festgenom­men wur­den, weil sie 260 Gramm Kokain bei sich führten. Auf das Duo aufmerk­sam gewor­den war die Polizei, weil eine Pis­tole, die der Ober­steir­er zuvor „vertickt“ hat­te „aus dem Waf­fe­narse­nal des Niederöster­re­ich­ers“ stammte. Und wie wird dieser Niederöster­re­ich­er in der „Kleinen Zeitung“ beschrieben?

Der Niederöster­re­ich­er ist in der recht­en Szene kein Unbekan­nter. Er wurde in den Neun­ziger-Jahren sog­ar mit der Brief­bombenserie in Zusam­men­hang gebracht und — gemein­sam mit einem Steir­er — wegen Wider­betä­ti­gung (sic!) verurteilt. Jet­zt wur­den in sein­er Woh­nung auch jede Menge Waf­fen und 1600 Schuss Muni­tion sichergestellt. (Kleine Zeitung, 23.3.2010)

So einge­gren­zt, gibt es eigentlich nur einen, auf den diese Beschrei­bung passen würde. Peter Binder wurde in den 1990er-Jahren – gemein­sam mit dem Steir­er Franz Radl – der Beteili­gung an der Brief­bombenserie der Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA) verdächtigt, deshalb auch angeklagt, von diesem Vor­wurf – so wie Radl – aber freige­sprochen, wegen NS-Wieder­betä­ti­gung aber zu fünf Jahren Haft verurteilt. (3) Der Staat­san­walt betonte in seinem Plä­doy­er damals nicht nur die „bedeu­tende Rolle“ Binders in der neon­azis­tis­chen VAPO (Volk­streue Außer­par­la­men­tarische Oppo­si­tion) des Neon­azi Got­tfried Küs­sel, son­dern auch seine Vor­liebe für Waf­fen und eine „man­is­che Vor­liebe“ für Spreng­mit­tel. Dem Straf­prozess 1995 voraus­ge­gan­gen war die Fes­t­nahme Binders an der tschechisch-öster­re­ichis­chen Gren­ze im Dezem­ber 1993 durch tschechis­che Zöll­ner. Damals hat­te man in seinem PKW 15 zer­legte Jagdgewehre, Pis­tolen und viel Muni­tion gefun­den, die anscheinend an Berlin­er Neon­azis geliefert wer­den soll­ten. Bei ein­er Haus­durch­suchung fand man in der Woh­nung von Binder dann auch noch Mate­ri­alien wie Glyz­erin und Schwefelsäure.

Spätestens seit 1990 war Binder in der Wiener Neon­azi-Szene um Got­tfried Küs­sels VAPO aktiv, hat­te so auch enge Kon­tak­te zu Berlin­er Neon­azis – etwa zu Ben­dix Wendt – aufge­baut und sich in Berlin als Sprengstof­f­ex­perte und ‑samm­ler pro­fil­ierte. Aus den Pro­tokollen für die Unter­suchungsauss­chüsse zum NSU ken­nen wir die Aus­sage von Ben­dix Wendt, der Angst davor gehabt haben will, Binder eine alte Muni­tions­fab­rik in Berlin zu zeigen, „weil Binder richtig gehend irre war, weil ich Angst hat­te, daß Binder mit dort herum­ste­hen­den Mate­ri­alien agiert und daß wir in die Luft fliegen“.

Am 28. Dezem­ber 1993 schrieb Binder – er war damals in Unter­suchung­shaft – sein­er Ehe­frau bzw. seinen Kameraden:

Nach außen sind alle Aktiv­itäten einzustellen, wir bleiben die näch­sten Jahre ‚brav und bieder‘! Der ‚nor­male‘ Briefwech­sel ist wun­der­bar, es muß der Ein­druck entste­hen, daß wir vol­lkom­men ‚erloschen‘ sind, daß die ganze sog. ‚VAPO‘ nur mehr ein Häufchen Asche ist, vol­lkom­men erkaltet. Daß die Glut darunter nie erlöschen wird und zum richti­gen Zeit­punkt wieder auf­flam­men wird, heller und strahlen­der als je zuvor das wis­sen wir, und damit genug! Die Zeit kämpft für uns, hal­tet aus!

Wirk­lich lange dauerte die biedere Phase nicht an. Schon ein Jahr nach sein­er Haf­tent­las­sung Anfang 1998 fängt sich Binder eine Frei­heitsstrafe von neun Monat­en auf Bewährung wegen des uner­laubten Ein­führens ein­er Waffe durch das Amts­gericht Aachen ein.

2002 taucht Binder dann zur Feier 20 Jahre „Van­dalen — Ari­oger­man­is­che Kampfge­mein­schaft“ in Berlin-Marzahn auf, die von der Polizei kon­trol­liert wurde. Die Pausen zwis­chen den bekan­nt­ge­wor­de­nen Aktiv­itäten bedeuten jeden­falls nicht unbe­d­ingt, dass es sich um brave und biedere Jahre handelt.

Hal­ten wir fest: Seit unge­fähr 1990 ist Binder in der Wiener und Berlin­er Neon­azi-Szene als Waf­fen- und Sprengstof­f­ex­perte aktiv, wird Ende 1993 ver­haftet beim Ver­such, in seinem Auto zahlre­iche Waf­fen und Muni­tion nach Berlin zu schmuggeln. 1995 wird er zu fünf Jahren Haft verurteilt, ein Jahr nach sein­er Freilas­sung zu ein­er Haft­strafe auf Bewährung wegen des „uner­laubten Ein­führens ein­er Waffe“. 2002 taucht er bei den „Van­dalen“ auf und dann – wenn die Angaben stim­men – 2010 mit Kokain in der Ober­steier­mark und dem Waf­fe­narse­nal zuhause. Von ein­er Anklage oder gar ein­er Verurteilung ist nichts bekan­nt. Ver­mut­lich Ende 2017 wird er an der bayrischen Gren­ze neuer­lich festgenom­men, wegen der Ein­fuhr von Waf­fen und Sucht­mit­teln vom Amts­gericht Pas­sau zu zehn Monat­en auf Bewährung verurteilt, um dann im Som­mer 2018 wegen Wieder­betä­ti­gung und ille­galem Waf­fenbe­sitz in Wiener Neustadt zweiein­halb Jahre Haft zu kassieren. Im Dezem­ber 2020, am Ende sein­er Haft­strafe in der Jus­ti­zanstalt Wien-Sim­mer­ing, wird er bei einem sein­er Freigänge unter dem Ver­dacht festgenom­men, der Organ­isator eines Waf­fen­han­dels für den Auf­bau ein­er recht­en Miliz in Deutsch­land zu sein, wobei die Waf­fen über den Verkauf von Sucht­mit­teln (12,3 Kilo Amphet­a­mine sowie Kokain und Cannabis, jew­eils im dreis­tel­li­gen Gramm­bere­ich) finanziert wor­den sein sollen. Wieder wer­den Haus­durch­suchun­gen durchge­führt, über die die Wiener Tageszeitung „Kuri­er“ am 12. Dezem­ber 2020 berichtet:

Es ist ein Waf­fe­narse­nal für eine kleine Armee: Rund 100 teils vol­lau­toma­tis­che Waf­fen – von der Kalaschnikow über das Stur­mgewehr StG 77 der öster­re­ichis­chen Armee bis zu Sko­r­pi­on-Maschi­nen­pis­tolen und Uzis. Außer­dem gibt es Sprengstoff, Hand­granat­en Revolver und Pis­tolen mit Schalldämpfern im Repertoire.

Sichergestellt wur­den diese Waf­fen und rund 100.000 Schuss Muni­tion in ein­er Wiener Woh­nung und in einem Lager­haus im niederöster­re­ichis­chen Bezirk Korneuburg. In ein­er Wiener Woh­nung? Binder hat seinen Wohn­sitz nicht in Wien, son­dern in Gun­trams­dorf im niederöster­re­ichis­chen Bezirk Mödling. Dort ver­fügt er sog­ar über zwei Woh­nun­gen. Laut „Kuri­er“ vom 24.12.20 war es wieder ein „Zufall“, durch den die Polizei auf ein weit­eres Waf­fen­lager im Keller der zweit­en Woh­nung aufmerk­sam wurde:

Genau hier fand die Polizei ein weit­eres riesiges Waf­fen- und Sprengstof­flager. Zwei Hand­granat­en, vier Anti-Per­so­n­en-Minen, zwei Kilo TNT, kisten­weise Muni­tion und vol­lau­toma­tis­che Waf­fen. Ange­blich auch ein Scharf­schützen-Gewehr. „Es waren Berge von Waf­fen”, schildert ein Augen­zeuge. Die sichergestell­ten Waf­fen in dieser Ermit­tlung füllen mit­tler­weile zwei große Stahlcon­tain­er. (Kuri­er)

Ange­blich wurde bei Binder ein Schlüs­sel­bund mit mehr als ein Dutzend Schlüs­seln sichergestellt. Bei Vieren von ihnen weiß die Polizei mit­tler­weile, welche Türen sie öff­nen – der Rest wartet noch auf Ent­deck­ung. Die Nach­barn aus Binders Wohnumge­bung, die ihn fast aus­nahm­s­los als nett und fre­undlich beschreiben, sind beun­ruhigt, nach­dem beim let­zten Waf­fen­fund das Wohn­haus wegen Explo­sion­s­ge­fahr evakuiert wer­den musste.

Von Binders öster­re­ichis­chen Kom­plizen bei seinen jüng­sten Waf­fen- und Dro­gen­deals ist übri­gens nicht viel bekan­nt. Ein­er kön­nte ein alter Bekan­nter aus VAPO-Zeit­en sein, ein ander­er ein Nach­bar aus Gun­trams­dorf, der allem Anschein nach schon wieder auf freien Fuß geset­zt wurde. Ob der Ver­fas­sungss­chutz, der 2018 selb­st haus­durch­sucht wurde (4) und vor dem jihadis­tisch motivierten Ter­ro­ran­schlag im Novem­ber 2020 katas­trophale Fehler gemacht hat (5), zur Aufk­lärung dieses bedeu­tend­sten Waf­fen­fun­des in der extremen Recht­en seit Jahrzehn­ten (so der kon­ser­v­a­tive Innen­min­is­ter Neham­mer) jen­seits von Zufalls­fun­den Entschei­den­des beitra­gen kann, darf bezweifelt werden.

Schon ein­mal, näm­lich 2002, sprach der dama­lige Innen­min­is­ter Ernst Strass­er, von dem bedeu­tend­sten Waf­fen­fund in der Szene, als die „SS-Kampfge­mein­schaft Prinz Eugen“ mit let­z­tendlich sechs Verdächti­gen aus­ge­hoben wurde. Ihr Waf­fe­narse­nal war – ver­glichen mit dem bei Binder gefun­de­nen – wohl etwas klein­er, aber doch stattlich:

Lang­waf­fen, vol­lau­toma­tis­che Schuss­waf­fen, hal­bau­toma­tis­che Schuss­waf­fen, Maschi­nen­pis­tolen, Faust­feuer­waf­fen, Vorder­schaftrepetier­flinten (sog. Pump­guns) sowie 58.946 Schuss Muni­tion (Spezial­mu­ni­tion mit Explo­sivgeschossen), Pfeil­mu­ni­tion zur Bekämp­fung von Schutzaus­rüs­tung und panzer­brechende Muni­tion. (6)

Ermit­telt wurde damals gegen die Neon­azi-Gruppe wegen des Ver­dacht­es der NS-Wieder­betä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz, wegen des Ver­dacht­es der Grün­dung ein­er staats­feindlichen Verbindung, wegen Auf­stel­lung ein­er bewaffneten Verbindung, wegen Ansam­meln von Kampfmit­teln und wegen Verge­hen nach dem Waf­fenge­setz. Geen­det haben die Ermit­tlun­gen damals mit der Verurteilung von vier Per­so­n­en zu Geld­strafen wegen Verge­hen nach dem Waffengesetz.

Break­ing Bad in Ballstädt

Neon­azis, die ihr Net­zw­erk über Län­der­gren­zen hin­weg aus­bauen, sind keine Sel­tenheit. Erst Ende Feb­ru­ar 2021 durch­sucht­en hun­derte Polizist_innen und Spezialein­satzkräfte 27 Objek­te in Thürin­gen, Sach­sen-Anhalt und Hes­sen, die der extrem recht­en Brud­er­schaft „Tur­o­nen“, deren Unter­stützer­struk­tur „Garde 20“, sowie deren enges Umfeld zugerech­net wer­den. Die Durch­suchungs­maß­nah­men richteten sich dabei gegen rund zehn Per­so­n­en, die in den let­zten Jahren ihre Aktiv­itäten im Bere­ich der Organ­isierten Krim­i­nal­ität erweit­ert haben sollen.

Konkret beste­ht der Ver­dacht, dass die Brud­er­schaft und ihr Unterstützer*innen-Netzwerk im Dro­gen-und Waf­fen­han­del involviert sind. Auch Geld­wäsche soll von den Neon­azis betrieben wor­den sein. Dafür nutzte man mut­maßlich ein Bor­dell in Gotha, Thürin­gen. Gefun­den wor­den bei den Razz­ien let­ztlich u.a. mehrere Lang­waf­fen, 120.000 Euro in Bar, sowie ein Kilo Dro­gen (Crys­tal Meth und Hero­in), wie der MDR zu bericht­en weiß.

Die „Tur­o­nen“ und „Garde 20“ besitzen in Thürin­gen und darüber hin­aus seit Jahren einen immensen Ein­fluss auf das Recht­sRock-Geschehen. Sei es durch die Organ­i­sa­tion von Großevents wie dem „Rock gegen Über­frem­dung II“ im Juli 2017 in The­mar mit über 5.000 Teil­nehmenden, oder in der Pro­duk­tion von Ton­trägern. Verbindun­gen soll die Gruppe dabei auch zu „Combat18“ (C18), dem bewaffneten Arm von „Blood & Hon­our“, in der Schweiz und Öster­re­ich haben. Mit­glieder der Haus-und Hof­band der „Tur­o­nen“ – die Band „Son­derkom­man­do Dirlewanger“ (SKD) – sollen schließlich am Unter­grund-Pro­jekt „Erschießungskom­man­do“ mitwirken, deren Schweiz­er Sänger als Aushängeschild von C18 in der Schweiz gilt.

Kör­per­ver­let­zung, Volksver­het­zung, Betrug, Hehlerei, Urkun­den­fälschung und Haus­friedens­bruch sind nur einige der Delik­te, weswe­gen gegen Mit­glieder der „Tur­o­nen“ seit 2019 in 32 Ver­fahren ermit­telt wird, berichtet die Thüringer Land­tagsab­ge­ord­nete Katha­ri­na König-Preuss kurz nach den Razz­ien im Feb­ru­ar 2021. Auch sie gehört zum fes­ten Feind­bild der Brud­er­schaft. „Du wirst grausam ster­ben“ sang „Erschies­sungskom­man­do“ vor ein paar Jahren in einem Song, dem sie namentlich an König-Preuss richteten. Dass es nicht nur bei Gewal­tan­dro­hun­gen bleibt, davon zeugt der bru­tale Über­fall der „Tur­o­nen“ und ihrem engen Umfeld auf eine Kirmes­ge­sellschaft 2014 in Ball­städt. In der Kle­in­stadt besitzt die Brud­er­schaft ihre wohl bekan­nteste Immo­bilie, das von den jüng­sten Razz­ien eben­falls betrof­fene „Gelbe Haus“.

Doch nicht nur in mil­i­tante Neon­azi-Kreise in die Schweiz lassen sich Verbindun­gen der „Tur­o­nen“ erken­nen. Auch zur Szene in Öster­re­ich unter­hal­ten die Thüringer gefes­tigte Kon­tak­te, näm­lich zur Struk­tur des „Objekt 21“. Ange­hörige des 2010 gegrün­de­ten extrem recht­en Vere­ins wur­den u.a. im Jan­u­ar 2013 durch­sucht, nach dem sie ihre Aktiv­itäten fort­ge­führt hat­ten, trotz behördlich­er Auflö­sung im Jahr 2011. Das Ergeb­nis der Durch­suchung: „ein AK-47-Stur­mgewehr samt Trom­mel­magazin, eine Sko­r­pi­on-Maschi­nen­pis­tole, mehrere ille­gale Faust­feuer­waf­fen, eine abgesägte Schrot­flinte, jede Menge Muni­tion und zehn Kilo­gramm Sprengstoff“, berichtete die öster­re­ichis­che Zeitung „Der Stan­dard“. Bei ein­er Razz­ia der „Haus­ge­mein­schaft Jonastal“ im August 2013 im thüringis­chen Crawinkel, im Zuge der „Objekt 21“-Ermittlungen, liest sich die Beschlagnahme ähn­lich: „Min­destens ein Stur­mgewehr mit Muni­tion, zwei Maschi­nen­pis­tolen der Marke Uzi, ein Colt ‚Dou­ble Eagle‘, 15 Patro­nen Kaliber 9 mm sowie diverse Schlag­waf­fen“, so der „Spiegel“.

Vor Gericht mussten sich dem­nach auch deutsche Neon­azis ver­ant­worten, darunter Philip Tschentsch­er und Stef­fen Mäder. Let­zter­er wurde wegen Beteili­gung an einem Bran­dan­schlag, Unter­stützung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung und Ein­bruchs zu ein­er mehrjähri­gen Haft­strafe verurteilt.

Im Prozess selb­st stellte das Gericht fest, dass die Aktiv­itäten des „Objekt 21“ dem Auf­bau eines krim­inellen, rechts-ter­ror­is­tis­chen Net­zw­erkes gedi­ent haben. Ähn­lich wie bei den „Tur­o­nen“, zu deren Nahum­feld Stef­fen Mäder wie auch das Objekt in Crawinkel zählt, ließen sich deut­liche Anbindun­gen des „Objekt 21“ in die Organ­isierte Krim­i­nal­ität skizzieren. Als „krim­inelle Bande“, so der Jus­tiz­jar­gon in Öster­re­ich, sollen zu ihren Geschäften auch Erpres­sung, Dro­gen­han­del und Pros­ti­tu­tion gehört haben.

Mit ein­er Fotomon­tage und dem Schriftzug „Break­ing Ball­städt“, angelehnt an die Serie „Break­ing Bad“, per­si­flierte der NPD-Kad­er Sebas­t­ian Schmidtke die Dro­gen­funde im Zuge der kür­zlichen Razz­ien gegen die „Tur­o­nen“. Dro­gengeschäfte, Waf­fen­han­del und Geld­wäsche als Teile eines Wirtschaft­skreis­laufes ken­nt und scheint die extreme Rechte seit Jahren zu tolerieren. Zwar fehlen klare Sol­i­dar­itäts­bekun­dun­gen, Dis­tanzierun­gen jedoch auch.

Dabei ist vor allem Thürin­gen Spitzen­re­it­er in der Ver­bre­itung von Crys­tal Meth. Net­zw­erke um Peter Binder, das „Objekt 21“ und die „Tur­o­nen“ müssten dem­nach als Geächtete gel­ten, ver­fol­gt man die Logik, die sich die rechte Szene seit Jahren mit Begrif­f­en wie dem „Volk­stod“ einre­det. Gel­ten sie aber nicht, denn zumin­d­est Waf­fen und das Ver­fü­gen über nicht nachvol­lziehbare finanzielle Mit­tel dürften das Geschäft im Dro­gen­han­del wett machen.

Beitrag erschienen in: AIB 130 | 1.2021

➡️ Der Neon­azi und die „Extreme Chromokids”

Fußnoten:

1 https://www.rnd.de/politik/waffenfund-in-osterreich-keine-hinweise-auf-rechtsextremismus-bei-drogenhandlern-XFS2XU5GTVFAXONNP4WE7I4YGE.html
2 https://www.stopptdierechten.at/2018/06/19/wiener-neustadt‑2–12-jahre-fuer-braunen-waffendealer
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Fuchs_(Attent%C3%A4ter)
4 https://www.profil.at/oesterreich/die-bvt-affaere-war-die-razzia-2018-von-langer-hand-geplant/400944524
5 https://orf.at/stories/3194882
6 https://www.stopptdierechten.at/2012/02/29/ss-kampfgemeinschaft-prinz-eugen-amtsgeheimnis