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„Stoppt die Rechten“ ist eine unabhängige, antifaschistische Plattform, die Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich sichtbar macht, analysiert und dokumentiert – mit dem umfassendsten öffentlich zugänglichen Online-Archiv zu rechtsextremen Entwicklungen und Vorfällen in Österreich.

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Der Dealer der Neonazis (Antifaschistisches Infoblatt)

Peter Bin­der, der im Dezem­ber nach Waf­fen- und Dro­gen­fun­den bei ihm sei­nen Frei­gang aus der Haft wie­der abbre­chen muss­te, sitzt also zunächst ein­mal wie­der ein, das steht fest. Sonst aber gibt es noch etli­che offe­ne Fra­gen. Was ist mit den ande­ren Fest­ge­nom­me­nen? Gibt es noch ande­re Waf­fen- oder Dro­gen­ver­ste­cke? Die­ser Bei­trag wur­de in Koope­ra­ti­on von Karl Öllin­ger mit Moritz Eluek ver­fasst und ist im „Anti­fa­schis­ti­schen Info­blatt“ in Ber­lin erschienen.

21. Apr. 2021
Waffen bei Neonazis (Screenshot Wien heute, orf.at, 12.12.20)
Waffen bei Neonazis (Screenshot Wien heute, orf.at, 12.12.20)

Als der Öster­rei­cher Peter Bin­der im Dezem­ber 2020 im Rah­men einer Haus­durch­su­chung fest­ge­nom­men wur­de, fand man nicht nur Waf­fen, Muni­ti­on und Spreng­stoff bei ihm, son­dern auch jede Men­ge Dro­gen. Es war ein Zufalls­fund, bei dem nicht nur Bin­der, son­dern wei­te­re vier Per­so­nen in Öster­reich und zwei in Deutsch­land (Bay­ern) fest­ge­nom­men wur­den. (1) „Fest­nah­me“ ist im Fall von Bin­der eigent­lich nicht zutref­fend, denn der war zu dem Zeit­punkt eigent­lich bereits Häft­ling der Jus­tiz­an­stalt Simmering.

2018 war Bin­der von einem Geschwo­re­nen­ge­richt (Wie­ner Neu­stadt) zu einer Haft­stra­fe von zwei­ein­halb Jah­ren wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung und Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz ver­ur­teilt wor­den. Den Rest die­ser Haft­stra­fe durf­te er als „Frei­gän­ger“ absol­vie­ren – angeb­lich in Abspra­che zwi­schen Jus­tiz- und Innen­mi­nis­te­ri­um, weil man so dem Netz­werk, das man nach einer Dro­gen­lie­fe­rung aus Deutsch­land im Okto­ber 2020 um Bin­der ver­mu­te­te, auf die Schli­che kom­men woll­te. Selbst wenn man die Anga­be glaubt, dass es sich um einen beob­ach­te­ten Frei­gang gehan­delt habe, war dies riskant.

Zum einen, weil Bin­der sei­ne Deals nicht zum ers­ten Mal so durch­ge­zo­gen hat. Als er 2018 vor Gericht stand, wur­de auch bekannt, dass er weni­ge Mona­te zuvor – im Janu­ar 2018 – beim Amts­ge­richt Pas­sau eine Haft­stra­fe auf Bewäh­rung von zehn Mona­ten wegen der Ein­fuhr von Waf­fen und Sucht­mit­teln kas­siert hat.

Im Bericht über den Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess 2018 hieß es dazu:

Bei der Befra­gung eines vom Ange­klag­ten ange­for­der­ten Zeu­gen, der erklär­te, die von den Zoll­be­hör­den beim Grenz­über­tritt nach Deutsch­land in B.s Kof­fer­raum gefun­de­ne Muni­ti­on sei sein Eigen­tum gewe­sen, das er im Kof­fer­raum ver­ges­sen hat­te, kam es zu so ekla­tan­ten Wider­sprü­chen zwi­schen der Aus­sa­ge des Zeu­gen und der des Ange­klag­ten, auch und vor allem zu des­sen Recht­fer­ti­gung vor dem Amts­ge­richt Pas­sau, dass die Vor­sit­zen­de kopf­schüt­telnd auf eine nähe­re Ana­ly­se ver­zich­te­te. (2)

Einen Ver­zicht auf nähe­re Ana­ly­se, mög­li­cher­wei­se auch auf Ankla­ge und Straf­ver­hand­lung, hat es offen­sicht­lich schon 2010 gege­ben. Damals mel­de­te die „Klei­ne Zei­tung“, dass in der Ober­stei­er­mark ein Nie­der­ös­ter­rei­cher und ein Ober­stei­rer von Dro­gen­fahn­dern auf einem Park­platz im Mürz­tal fest­ge­nom­men wur­den, weil sie 260 Gramm Koka­in bei sich führ­ten. Auf das Duo auf­merk­sam gewor­den war die Poli­zei, weil eine Pis­to­le, die der Ober­stei­rer zuvor „ver­tickt“ hat­te „aus dem Waf­fen­ar­se­nal des Nie­der­ös­ter­rei­chers“ stamm­te. Und wie wird die­ser Nie­der­ös­ter­rei­cher in der „Klei­nen Zei­tung“ beschrieben?

Der Nie­der­ös­ter­rei­cher ist in der rech­ten Sze­ne kein Unbe­kann­ter. Er wur­de in den Neun­zi­ger-Jah­ren sogar mit der Brief­bom­ben­se­rie in Zusam­men­hang gebracht und — gemein­sam mit einem Stei­rer — wegen Wider­be­tä­ti­gung (sic!) ver­ur­teilt. Jetzt wur­den in sei­ner Woh­nung auch jede Men­ge Waf­fen und 1600 Schuss Muni­ti­on sicher­ge­stellt. (Klei­ne Zei­tung, 23.3.2010)

So ein­ge­grenzt, gibt es eigent­lich nur einen, auf den die­se Beschrei­bung pas­sen wür­de. Peter Bin­der wur­de in den 1990er-Jah­ren – gemein­sam mit dem Stei­rer Franz Radl – der Betei­li­gung an der Brief­bom­ben­se­rie der Baju­wa­ri­schen Befrei­ungs­ar­mee (BBA) ver­däch­tigt, des­halb auch ange­klagt, von die­sem Vor­wurf – so wie Radl – aber frei­ge­spro­chen, wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung aber zu fünf Jah­ren Haft ver­ur­teilt. (3) Der Staats­an­walt beton­te in sei­nem Plä­doy­er damals nicht nur die „bedeu­ten­de Rol­le“ Bin­ders in der neo­na­zis­ti­schen VAPO (Volks­treue Außer­par­la­men­ta­ri­sche Oppo­si­ti­on) des Neo­na­zi Gott­fried Küs­sel, son­dern auch sei­ne Vor­lie­be für Waf­fen und eine „mani­sche Vor­lie­be“ für Spreng­mit­tel. Dem Straf­pro­zess 1995 vor­aus­ge­gan­gen war die Fest­nah­me Bin­ders an der tsche­chisch-öster­rei­chi­schen Gren­ze im Dezem­ber 1993 durch tsche­chi­sche Zöll­ner. Damals hat­te man in sei­nem PKW 15 zer­leg­te Jagd­ge­weh­re, Pis­to­len und viel Muni­ti­on gefun­den, die anschei­nend an Ber­li­ner Neo­na­zis gelie­fert wer­den soll­ten. Bei einer Haus­durch­su­chung fand man in der Woh­nung von Bin­der dann auch noch Mate­ria­li­en wie Gly­ze­rin und Schwefelsäure.

Spä­tes­tens seit 1990 war Bin­der in der Wie­ner Neo­na­zi-Sze­ne um Gott­fried Küs­sels VAPO aktiv, hat­te so auch enge Kon­tak­te zu Ber­li­ner Neo­na­zis – etwa zu Ben­dix Wendt – auf­ge­baut und sich in Ber­lin als Spreng­stoff­ex­per­te und ‑samm­ler pro­fi­lier­te. Aus den Pro­to­kol­len für die Unter­su­chungs­aus­schüs­se zum NSU ken­nen wir die Aus­sa­ge von Ben­dix Wendt, der Angst davor gehabt haben will, Bin­der eine alte Muni­ti­ons­fa­brik in Ber­lin zu zei­gen, „weil Bin­der rich­tig gehend irre war, weil ich Angst hat­te, daß Bin­der mit dort her­um­ste­hen­den Mate­ria­li­en agiert und daß wir in die Luft flie­gen“.

Am 28. Dezem­ber 1993 schrieb Bin­der – er war damals in Unter­su­chungs­haft – sei­ner Ehe­frau bzw. sei­nen Kameraden:

Nach außen sind alle Akti­vi­tä­ten ein­zu­stel­len, wir blei­ben die nächs­ten Jah­re ‚brav und bie­der‘! Der ‚nor­ma­le‘ Brief­wech­sel ist wun­der­bar, es muß der Ein­druck ent­ste­hen, daß wir voll­kom­men ‚erlo­schen‘ sind, daß die gan­ze sog. ‚VAPO‘ nur mehr ein Häuf­chen Asche ist, voll­kom­men erkal­tet. Daß die Glut dar­un­ter nie erlö­schen wird und zum rich­ti­gen Zeit­punkt wie­der auf­flam­men wird, hel­ler und strah­len­der als je zuvor das wis­sen wir, und damit genug! Die Zeit kämpft für uns, hal­tet aus!

Wirk­lich lan­ge dau­er­te die bie­de­re Pha­se nicht an. Schon ein Jahr nach sei­ner Haft­ent­las­sung Anfang 1998 fängt sich Bin­der eine Frei­heits­stra­fe von neun Mona­ten auf Bewäh­rung wegen des uner­laub­ten Ein­füh­rens einer Waf­fe durch das Amts­ge­richt Aachen ein.

2002 taucht Bin­der dann zur Fei­er 20 Jah­re „Van­da­len — Ario­ger­ma­ni­sche Kampf­ge­mein­schaft“ in Ber­lin-Mar­zahn auf, die von der Poli­zei kon­trol­liert wur­de. Die Pau­sen zwi­schen den bekannt­ge­wor­de­nen Akti­vi­tä­ten bedeu­ten jeden­falls nicht unbe­dingt, dass es sich um bra­ve und bie­de­re Jah­re handelt.

Hal­ten wir fest: Seit unge­fähr 1990 ist Bin­der in der Wie­ner und Ber­li­ner Neo­na­zi-Sze­ne als Waf­fen- und Spreng­stoff­ex­per­te aktiv, wird Ende 1993 ver­haf­tet beim Ver­such, in sei­nem Auto zahl­rei­che Waf­fen und Muni­ti­on nach Ber­lin zu schmug­geln. 1995 wird er zu fünf Jah­ren Haft ver­ur­teilt, ein Jahr nach sei­ner Frei­las­sung zu einer Haft­stra­fe auf Bewäh­rung wegen des „uner­laub­ten Ein­füh­rens einer Waf­fe“. 2002 taucht er bei den „Van­da­len“ auf und dann – wenn die Anga­ben stim­men – 2010 mit Koka­in in der Ober­stei­er­mark und dem Waf­fen­ar­se­nal zuhau­se. Von einer Ankla­ge oder gar einer Ver­ur­tei­lung ist nichts bekannt. Ver­mut­lich Ende 2017 wird er an der bay­ri­schen Gren­ze neu­er­lich fest­ge­nom­men, wegen der Ein­fuhr von Waf­fen und Sucht­mit­teln vom Amts­ge­richt Pas­sau zu zehn Mona­ten auf Bewäh­rung ver­ur­teilt, um dann im Som­mer 2018 wegen Wie­der­be­tä­ti­gung und ille­ga­lem Waf­fen­be­sitz in Wie­ner Neu­stadt zwei­ein­halb Jah­re Haft zu kas­sie­ren. Im Dezem­ber 2020, am Ende sei­ner Haft­stra­fe in der Jus­tiz­an­stalt Wien-Sim­me­ring, wird er bei einem sei­ner Frei­gän­ge unter dem Ver­dacht fest­ge­nom­men, der Orga­ni­sa­tor eines Waf­fen­han­dels für den Auf­bau einer rech­ten Miliz in Deutsch­land zu sein, wobei die Waf­fen über den Ver­kauf von Sucht­mit­teln (12,3 Kilo Amphet­ami­ne sowie Koka­in und Can­na­bis, jeweils im drei­stel­li­gen Gramm­be­reich) finan­ziert wor­den sein sol­len. Wie­der wer­den Haus­durch­su­chun­gen durch­ge­führt, über die die Wie­ner Tages­zei­tung „Kurier“ am 12. Dezem­ber 2020 berichtet:

Es ist ein Waf­fen­ar­se­nal für eine klei­ne Armee: Rund 100 teils voll­au­to­ma­ti­sche Waf­fen – von der Kalasch­ni­kow über das Sturm­ge­wehr StG 77 der öster­rei­chi­schen Armee bis zu Skor­pi­on-Maschi­nen­pis­to­len und Uzis. Außer­dem gibt es Spreng­stoff, Hand­gra­na­ten Revol­ver und Pis­to­len mit Schall­dämp­fern im Repertoire.

Sicher­ge­stellt wur­den die­se Waf­fen und rund 100.000 Schuss Muni­ti­on in einer Wie­ner Woh­nung und in einem Lager­haus im nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Bezirk Kor­neu­burg. In einer Wie­ner Woh­nung? Bin­der hat sei­nen Wohn­sitz nicht in Wien, son­dern in Gun­trams­dorf im nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Bezirk Möd­ling. Dort ver­fügt er sogar über zwei Woh­nun­gen. Laut „Kurier“ vom 24.12.20 war es wie­der ein „Zufall“, durch den die Poli­zei auf ein wei­te­res Waf­fen­la­ger im Kel­ler der zwei­ten Woh­nung auf­merk­sam wurde:

Genau hier fand die Poli­zei ein wei­te­res rie­si­ges Waf­fen- und Spreng­stoff­la­ger. Zwei Hand­gra­na­ten, vier Anti-Per­so­nen-Minen, zwei Kilo TNT, kis­ten­wei­se Muni­ti­on und voll­au­to­ma­ti­sche Waf­fen. Angeb­lich auch ein Scharf­schüt­zen-Gewehr. „Es waren Ber­ge von Waf­fen”, schil­dert ein Augen­zeu­ge. Die sicher­ge­stell­ten Waf­fen in die­ser Ermitt­lung fül­len mitt­ler­wei­le zwei gro­ße Stahl­con­tai­ner. (Kurier)

Angeb­lich wur­de bei Bin­der ein Schlüs­sel­bund mit mehr als ein Dut­zend Schlüs­seln sicher­ge­stellt. Bei Vie­ren von ihnen weiß die Poli­zei mitt­ler­wei­le, wel­che Türen sie öff­nen – der Rest war­tet noch auf Ent­de­ckung. Die Nach­barn aus Bin­ders Wohn­um­ge­bung, die ihn fast aus­nahms­los als nett und freund­lich beschrei­ben, sind beun­ru­higt, nach­dem beim letz­ten Waf­fen­fund das Wohn­haus wegen Explo­si­ons­ge­fahr eva­ku­iert wer­den musste.

Von Bin­ders öster­rei­chi­schen Kom­pli­zen bei sei­nen jüngs­ten Waf­fen- und Dro­gen­de­als ist übri­gens nicht viel bekannt. Einer könn­te ein alter Bekann­ter aus VAPO-Zei­ten sein, ein ande­rer ein Nach­bar aus Gun­trams­dorf, der allem Anschein nach schon wie­der auf frei­en Fuß gesetzt wur­de. Ob der Ver­fas­sungs­schutz, der 2018 selbst haus­durch­sucht wur­de (4) und vor dem jiha­dis­tisch moti­vier­ten Ter­ror­an­schlag im Novem­ber 2020 kata­stro­pha­le Feh­ler gemacht hat (5), zur Auf­klä­rung die­ses bedeu­tends­ten Waf­fen­fun­des in der extre­men Rech­ten seit Jahr­zehn­ten (so der kon­ser­va­ti­ve Innen­mi­nis­ter Neham­mer) jen­seits von Zufalls­fun­den Ent­schei­den­des bei­tra­gen kann, darf bezwei­felt werden.

Schon ein­mal, näm­lich 2002, sprach der dama­li­ge Innen­mi­nis­ter Ernst Stras­ser, von dem bedeu­tends­ten Waf­fen­fund in der Sze­ne, als die „SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ mit letzt­end­lich sechs Ver­däch­ti­gen aus­ge­ho­ben wur­de. Ihr Waf­fen­ar­se­nal war – ver­gli­chen mit dem bei Bin­der gefun­de­nen – wohl etwas klei­ner, aber doch stattlich:

Lang­waf­fen, voll­au­to­ma­ti­sche Schuss­waf­fen, halb­au­to­ma­ti­sche Schuss­waf­fen, Maschi­nen­pis­to­len, Faust­feu­er­waf­fen, Vor­der­schaft­re­pe­tier­flin­ten (sog. Pump­guns) sowie 58.946 Schuss Muni­ti­on (Spe­zi­al­mu­ni­ti­on mit Explo­siv­ge­schos­sen), Pfeil­mu­ni­ti­on zur Bekämp­fung von Schutz­aus­rüs­tung und pan­zer­bre­chen­de Muni­ti­on. (6)

Ermit­telt wur­de damals gegen die Neo­na­zi-Grup­pe wegen des Ver­dach­tes der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung nach dem Ver­bots­ge­setz, wegen des Ver­dach­tes der Grün­dung einer staats­feind­li­chen Ver­bin­dung, wegen Auf­stel­lung einer bewaff­ne­ten Ver­bin­dung, wegen Ansam­meln von Kampf­mit­teln und wegen Ver­ge­hen nach dem Waf­fen­ge­setz. Geen­det haben die Ermitt­lun­gen damals mit der Ver­ur­tei­lung von vier Per­so­nen zu Geld­stra­fen wegen Ver­ge­hen nach dem Waffengesetz.

Brea­king Bad in Ballstädt

Neo­na­zis, die ihr Netz­werk über Län­der­gren­zen hin­weg aus­bau­en, sind kei­ne Sel­ten­heit. Erst Ende Febru­ar 2021 durch­such­ten hun­der­te Polizist_innen und Spe­zi­al­ein­satz­kräf­te 27 Objek­te in Thü­rin­gen, Sach­sen-Anhalt und Hes­sen, die der extrem rech­ten Bru­der­schaft „Tur­o­nen“, deren Unter­stüt­zer­struk­tur „Gar­de 20“, sowie deren enges Umfeld zuge­rech­net wer­den. Die Durch­su­chungs­maß­nah­men rich­te­ten sich dabei gegen rund zehn Per­so­nen, die in den letz­ten Jah­ren ihre Akti­vi­tä­ten im Bereich der Orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät erwei­tert haben sollen.

Kon­kret besteht der Ver­dacht, dass die Bru­der­schaft und ihr Unterstützer*innen-Netzwerk im Dro­gen-und Waf­fen­han­del invol­viert sind. Auch Geld­wä­sche soll von den Neo­na­zis betrie­ben wor­den sein. Dafür nutz­te man mut­maß­lich ein Bor­dell in Gotha, Thü­rin­gen. Gefun­den wor­den bei den Raz­zi­en letzt­lich u.a. meh­re­re Lang­waf­fen, 120.000 Euro in Bar, sowie ein Kilo Dro­gen (Crys­tal Meth und Hero­in), wie der MDR zu berich­ten weiß.

Die „Tur­o­nen“ und „Gar­de 20“ besit­zen in Thü­rin­gen und dar­über hin­aus seit Jah­ren einen immensen Ein­fluss auf das Rechts­Rock-Gesche­hen. Sei es durch die Orga­ni­sa­ti­on von Gro­ße­vents wie dem „Rock gegen Über­frem­dung II“ im Juli 2017 in The­mar mit über 5.000 Teil­neh­men­den, oder in der Pro­duk­ti­on von Ton­trä­gern. Ver­bin­dun­gen soll die Grup­pe dabei auch zu „Combat18“ (C18), dem bewaff­ne­ten Arm von „Blood & Honour“, in der Schweiz und Öster­reich haben. Mit­glie­der der Haus-und Hof­band der „Tur­o­nen“ – die Band „Son­der­kom­man­do Dir­le­wan­ger“ (SKD) – sol­len schließ­lich am Unter­grund-Pro­jekt „Erschie­ßungs­kom­man­do“ mit­wir­ken, deren Schwei­zer Sän­ger als Aus­hän­ge­schild von C18 in der Schweiz gilt.

Kör­per­ver­let­zung, Volks­ver­het­zung, Betrug, Heh­le­rei, Urkun­den­fäl­schung und Haus­frie­dens­bruch sind nur eini­ge der Delik­te, wes­we­gen gegen Mit­glie­der der „Tur­o­nen“ seit 2019 in 32 Ver­fah­ren ermit­telt wird, berich­tet die Thü­rin­ger Land­tags­ab­ge­ord­ne­te Katha­ri­na König-Preuss kurz nach den Raz­zi­en im Febru­ar 2021. Auch sie gehört zum fes­ten Feind­bild der Bru­der­schaft. „Du wirst grau­sam ster­ben“ sang „Erschies­sungs­kom­man­do“ vor ein paar Jah­ren in einem Song, dem sie nament­lich an König-Preuss rich­te­ten. Dass es nicht nur bei Gewalt­an­dro­hun­gen bleibt, davon zeugt der bru­ta­le Über­fall der „Tur­o­nen“ und ihrem engen Umfeld auf eine Kir­mes­ge­sell­schaft 2014 in Ball­städt. In der Klein­stadt besitzt die Bru­der­schaft ihre wohl bekann­tes­te Immo­bi­lie, das von den jüngs­ten Raz­zi­en eben­falls betrof­fe­ne „Gel­be Haus“.

Doch nicht nur in mili­tan­te Neo­na­zi-Krei­se in die Schweiz las­sen sich Ver­bin­dun­gen der „Tur­o­nen“ erken­nen. Auch zur Sze­ne in Öster­reich unter­hal­ten die Thü­rin­ger gefes­tig­te Kon­tak­te, näm­lich zur Struk­tur des „Objekt 21“. Ange­hö­ri­ge des 2010 gegrün­de­ten extrem rech­ten Ver­eins wur­den u.a. im Janu­ar 2013 durch­sucht, nach dem sie ihre Akti­vi­tä­ten fort­ge­führt hat­ten, trotz behörd­li­cher Auf­lö­sung im Jahr 2011. Das Ergeb­nis der Durch­su­chung: „ein AK-47-Sturm­ge­wehr samt Trom­mel­ma­ga­zin, eine Skor­pi­on-Maschi­nen­pis­to­le, meh­re­re ille­ga­le Faust­feu­er­waf­fen, eine abge­säg­te Schrot­flin­te, jede Men­ge Muni­ti­on und zehn Kilo­gramm Spreng­stoff“, berich­te­te die öster­rei­chi­sche Zei­tung „Der Stan­dard“. Bei einer Raz­zia der „Haus­ge­mein­schaft Jona­s­tal“ im August 2013 im thü­rin­gi­schen Cra­win­kel, im Zuge der „Objekt 21“-Ermittlungen, liest sich die Beschlag­nah­me ähn­lich: „Min­des­tens ein Sturm­ge­wehr mit Muni­ti­on, zwei Maschi­nen­pis­to­len der Mar­ke Uzi, ein Colt ‚Dou­ble Eagle‘, 15 Patro­nen Kali­ber 9 mm sowie diver­se Schlag­waf­fen“, so der „Spie­gel“.

Vor Gericht muss­ten sich dem­nach auch deut­sche Neo­na­zis ver­ant­wor­ten, dar­un­ter Phil­ip Tsch­ent­scher und Stef­fen Mäder. Letz­te­rer wur­de wegen Betei­li­gung an einem Brand­an­schlag, Unter­stüt­zung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung und Ein­bruchs zu einer mehr­jäh­ri­gen Haft­stra­fe verurteilt.

Im Pro­zess selbst stell­te das Gericht fest, dass die Akti­vi­tä­ten des „Objekt 21“ dem Auf­bau eines kri­mi­nel­len, rechts-ter­ro­ris­ti­schen Netz­wer­kes gedient haben. Ähn­lich wie bei den „Tur­o­nen“, zu deren Nah­um­feld Stef­fen Mäder wie auch das Objekt in Cra­win­kel zählt, lie­ßen sich deut­li­che Anbin­dun­gen des „Objekt 21“ in die Orga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät skiz­zie­ren. Als „kri­mi­nel­le Ban­de“, so der Jus­tiz­jar­gon in Öster­reich, sol­len zu ihren Geschäf­ten auch Erpres­sung, Dro­gen­han­del und Pro­sti­tu­ti­on gehört haben.

Mit einer Foto­mon­ta­ge und dem Schrift­zug „Brea­king Ball­städt“, ange­lehnt an die Serie „Brea­king Bad“, per­si­flier­te der NPD-Kader Sebas­ti­an Schmidt­ke die Dro­gen­fun­de im Zuge der kürz­li­chen Raz­zi­en gegen die „Tur­o­nen“. Dro­gen­ge­schäf­te, Waf­fen­han­del und Geld­wä­sche als Tei­le eines Wirt­schafts­kreis­lau­fes kennt und scheint die extre­me Rech­te seit Jah­ren zu tole­rie­ren. Zwar feh­len kla­re Soli­da­ri­täts­be­kun­dun­gen, Distan­zie­run­gen jedoch auch.

Dabei ist vor allem Thü­rin­gen Spit­zen­rei­ter in der Ver­brei­tung von Crys­tal Meth. Netz­wer­ke um Peter Bin­der, das „Objekt 21“ und die „Tur­o­nen“ müss­ten dem­nach als Geäch­te­te gel­ten, ver­folgt man die Logik, die sich die rech­te Sze­ne seit Jah­ren mit Begrif­fen wie dem „Volks­tod“ ein­re­det. Gel­ten sie aber nicht, denn zumin­dest Waf­fen und das Ver­fü­gen über nicht nach­voll­zieh­ba­re finan­zi­el­le Mit­tel dürf­ten das Geschäft im Dro­gen­han­del wett machen.

Bei­trag erschie­nen in: AIB 130 | 1.2021

➡️ Der Neo­na­zi und die „Extre­me Chromokids”

Fuß­no­ten:

1 https://www.rnd.de/politik/waffenfund-in-osterreich-keine-hinweise-auf-rechtsextremismus-bei-drogenhandlern-XFS2XU5GTVFAXONNP4WE7I4YGE.html
2 https://www.stopptdierechten.at/2018/06/19/wiener-neustadt‑2–12-jahre-fuer-braunen-waffendealer
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Fuchs_(Attent%C3%A4ter)
4 https://www.profil.at/oesterreich/die-bvt-affaere-war-die-razzia-2018-von-langer-hand-geplant/400944524
5 https://orf.at/stories/3194882
6 https://www.stopptdierechten.at/2012/02/29/ss-kampfgemeinschaft-prinz-eugen-amtsgeheimnis

 

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Schlagwörter: Blood & Honour/Combat 18 | Illegaler Waffenbesitz | Kamerad-/Bruderschaften | Neonazismus/Neofaschismus | Niederösterreich | Objekt 21 | Verbotsgesetz | Verfassungsschutz | Vernetzung | Weite Welt

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