Attacken von Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen

Lesezeit: 5 Minuten

Der Zahn­arzt hat uns auf die Idee gebracht: Jaros­lav Bel­sky, der behaup­tet, von der „Anti­fa“ zusam­men­ge­schla­gen wor­den zu sein, ist gewis­ser­ma­ßen ver­ant­wort­lich dafür, dass wir uns jetzt näher mit der Gewalt von Impf­geg­nern und Coro­na-Leug­nern befas­sen. Anschlä­ge auf Impf­zen­tren haben wir bereits doku­men­tiert, jetzt sind sons­ti­ge Atta­cken dran. Die Palet­te ist breit.

Mord

  • Die bis­her bru­tals­te Atta­cke ende­te erst vor weni­gen Tagen in Deutsch­land mit der Ermor­dung eines 20-jäh­ri­gen Stu­den­ten, der als Tank­stel­len­kas­sie­rer einen Mann, der Bier kau­fen woll­te, zum Tra­gen des Mund-Nasen-Schut­zes auf­for­der­te. Weil ihm der Stu­dent den Bier­kauf wegen der feh­len­den Mas­ke ver­wei­ger­te, ver­ließ der Täter den Shop, kehr­te mit Mund-Nasen-Schutz und Pis­to­le zurück und erschoss den Kas­sie­rer „mit einem geziel­ten Schuss in den Kopf“ (spiegel.de, 20.9.21). Neo­na­zis fei­ern den Mord auf Tele­gram ab: Wenns die rich­ti­gen trifft, hab ich nichts dagegen“

Dro­hun­gen

  • Im Juni wur­de der bel­gi­sche Rechts­extre­mist Jür­gen Conings nach mehr­wö­chi­ger Fahn­dung tot auf­ge­fun­den. Er hat­te, bevor er unter­tauch­te, den bel­gi­schen Viro­lo­gen Marc von Ranst mit dem Tod bedroht und ihm auch vor des­sen Woh­nung auf­ge­lau­ert. Der Rechts­extre­mist hat sich ver­mut­lich bereits einem Tag nach sei­nem Unter­tau­chen sui­zi­diert.
  • Virolog*innen und mit ihnen ver­wand­te Beru­fe zäh­len ganz offen­sicht­lich zu den am meis­ten bedroh­ten Berufs­grup­pen. So wur­den in Deutsch­land etwa der Viro­lo­ge Chris­ti­an Dros­ten und der Epi­de­mio­lo­ge und SPD-Gesund­heits­po­li­ti­ker Karl Lau­ter­bach wegen ihrer enga­gier­ten Hal­tung mehr­fach mit Mord bedroht. In Ita­li­en muss­te der Direk­tor für Infek­ti­ons­krank­hei­ten des San-Mar­ti­no-Kran­ken­hau­ses in Genua, Matteo Bas­set­ti, unter Poli­zei­schutz gestellt wer­den, nach­dem er und sei­ne Fami­lie Mord­dro­hun­gen erhal­ten hat­ten. Auch Antho­ny Fau­ci, der wohl bekann­tes­te Viro­lo­ge der USA, erhält immer wie­der Dro­hun­gen gegen sich und sei­ne Fami­lie wegen sei­nes Enga­ge­ments in der Corona-Pandemie.
  • Ärz­te und Pfle­ge­per­so­nal, die Coro­na-Pati­en­tIn­nen pfle­gen und betreu­en, zäh­len ganz all­ge­mein zu den am meis­ten ange­fein­de­ten Berufs­grup­pen. Dar­auf deu­ten nicht nur die­ser Bericht aus den USA hin, son­dern auch der – aller­dings sehr all­ge­mei­ne – Bei­trag aus der Zeit­schrift „Öffent­li­che Sicher­heit“ des öster­rei­chi­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums. Kon­kre­ter sind jeden­falls die Ergeb­nis­se einer Befra­gung von Pfle­ge­kräf­ten, die im Jun 2021 prä­sen­tiert wur­de, wo neben der hohen phy­si­schen und psy­chi­schen Belas­tung von den Befrag­ten (ins­ge­samt 2470) ange­ge­ben wur­de: „In der Umfra­ge berich­ten 60 Pro­zent von ver­ba­ler Gewalt wie Belei­di­gun­gen, Beschimp­fun­gen und Dro­hun­gen. 17 Pro­zent waren auch von kör­per­li­cher Gewalt wie bei­spiels­wei­se Schlä­gen, Trit­ten und Bis­sen betrof­fen. In abso­lu­ten Zah­len wären das 10.000 Pfle­ge­kräf­te.“ (orf.at, 8.6.21)
  • Über Dro­hun­gen gegen Politiker*innen im Zusam­men­hang mit Maß­nah­men gegen die Coro­na-Pan­de­mie wird eher sel­ten berich­tet – und wenn, dann in ers­ter Linie, wenn sie Spitzenpolitiker*innen wie Bun­des­kanz­ler Kurz oder ande­re Regie­rungs­mit­glie­der betref­fen. Wegen einer Mord­dro­hung gegen Kurz („Sie haben unse­re Exis­tenz auf dem Gewis­sen, und erst wenn sie weg sind, wer­de ich wie­der schla­fen.” ‚„Sie gehö­ren öffent­lich gestei­nigt.“) ist im April 21 ein Vor­arl­ber­ger (28) zu einer beding­ten Haft­stra­fe und einer unbe­ding­ten Geld­stra­fe ver­ur­teilt wor­den (Neue Vor­arl­ber­ger Tages­zei­tung, 4.4.21). Die mas­si­ve Zunah­me von Dro­hun­gen gegen Bürgermeister*innen, Kom­mu­nal- und Landespolitiker*innen wegen der Coro­na-Pan­de­mie wird nur sel­ten thematisiert:„‚So etwas haben wir bis­her nicht gekannt‘, berich­tet Ober­ös­ter­reichs Poli­zei­di­rek­tor Andre­as Pilsl über ‚mas­si­ve Mord­dro­hun­gen‘ gegen Lan­des­po­li­ti­ker von Geg­nern der Coro­na-Maß­nah­men und Coro­na-Leug­nern.“ (meinbezirk.at, 14.3.21) Ähn­li­ches berich­tet das ARD-Polit­ma­ga­zin „Report“ für deut­sche Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, wobei hier nicht aus­schließ­lich Coro­na als Motiv zu sehen ist: Dem­nach wur­den 72 Pro­zent der Bür­ger­meis­ter in Deutsch­land bereits belei­digt, beschimpft, bedroht oder sogar tät­lich ange­grif­fen. Bei einer ver­gleich­ba­ren Umfra­ge im ver­gan­ge­nen Jahr lag der Wert noch bei 64 Pro­zent.“ (br.de, 27.4.21)
  • Journalist*innen, die über Aktio­nen von Coro­na-Leug­nern und Impfgegner*innen berich­ten, Fak­ten che­cken, Demons­tra­tio­nen beglei­ten, waren von Beginn der Pan­de­mie an Dro­hun­gen und auch kör­per­li­chen Atta­cken aus­ge­setzt. Auch in Öster­reich: Wir haben im Febru­ar 21 dar­über berich­tet. Mitt­ler­wei­le gibt es auch ein ers­tes, noch nicht rechts­kräf­ti­ges Urteil wegen einer Mord­dro­hung gegen den Jour­na­lis­ten Micha­el Bon­va­lot.

Spu­ck­at­ta­cken

  • Eine beson­ders wider­li­che Vari­an­te von Dro­hun­gen stel­len die Spu­ck­at­ta­cken dar, die in einer Pan­de­mie natür­lich mit der Poten­zia­li­tät von Infek­ti­on ver­bun­den sind, von den Spu­ckern oft auch ver­bal damit ver­bun­den wer­den. Spu­ck­at­ta­cken gegen Journalist*innen wer­den etwa berich­tet von der Coro­na-Demo Ende Jän­ner 21 (zackzack.at, 1.2.21), von einer Coro­na-Leug­ner-Demo Ende Juni, bei der vor dem ORF-Zen­trum am Künigl­berg eine ORF-Mit­ar­bei­te­rin bespuckt wur­de, und schließ­lich von einem Mühl­viert­ler Zahn­arzt, der zwei Poli­zis­ten bespuck­te und ihnen mit Anste­ckung durch das Coro­na-Virus droh­te . Das Innen­mi­nis­te­ri­um berich­te­te im März die­ses Jah­res von mehr als 50 Spu­ck­at­ta­cken gegen PolizistInnen.

Kör­per­ver­let­zung

  • Per­so­nen aus Berufs­grup­pen, die mit der Ein­hal­tung von Coro­na-Regeln befasst sind, wer­den nicht nur bespuckt und bedroht, son­dern auch phy­sisch atta­ckiert wie etwa jener Fahr­kar­ten­kon­trol­leur in einer S‑Bahn-Gar­ni­tur Rich­tung Bre­genz, der einen Fahr­gast auf des­sen feh­len­den Sicher­heits­ab­stand auf­merk­sam mach­te: „Weil er von einem Fahr­kar­ten­kon­trol­leur im Zug auf den feh­len­den Sicher­heits­ab­stand auf­merk­sam gemacht wur­de, ras­te­te ein Mann aus und schlug nicht nur auf den Bahn­be­diens­te­ten ein, son­dern auch auf zwei Fahr­gäs­te, dar­un­ter eine Frau.“ (Kro­nen Zei­tung, 27.3.21)

Wie­der­be­tä­ti­gung, Waf­fen usw.

  • Der FPÖ-Abge­ord­ne­te Chris­ti­an Hafenecker hat wohl nicht mit die­ser umfang­rei­chen Beant­wor­tung durch den Innen­mi­nis­ter gerech­net, als er im April 21 eine Anfra­ge wegen der „Teil­nah­me angeb­li­cher Rechts­extre­mis­ten“ stell­te. Die Ant­wort des Innen­mi­nis­ters, in der für einen sehr beschränk­ten Zeit­raum auf eini­ge Anzei­gen nach dem Ver­bots­ge­setz und ande­re Anzei­gen ver­wie­sen wur­de, fiel unge­wohnt detail­liert aus.
  • Ganz anders hin­ge­gen die Beant­wor­tung einer par­la­men­ta­ri­schen Anfra­ge der SPÖ-Abge­ord­ne­ten Schatz, die sich auf eine Pres­se­kon­fe­renz des Innen­mi­nis­ters vom Mai 21 bezog, wonach im Coro­na-Leug­ne­rIn­nen-Milieu gro­ße Waf­fen­fun­de, Hel­me, Schutz­wes­ten und Muni­ti­on erfolgt sei­en“.Die Ant­wort des Innen­mi­nis­ters ging fak­tisch nicht über das hin­aus, was er Mona­te zuvor schon in sei­ner Pres­se­kon­fe­renz ver­laut­bart hatte.

Fakt ist, dass die ver­ba­len und phy­si­schen Atta­cken von Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen auch in Öster­reich schon ein beträcht­li­ches Aus­maß ange­nom­men haben. Die orga­ni­sier­te und von Rechts­extre­men durch­setz­te Sze­ne wird alles dar­an­set­zen, die­se Gewalt­spi­ra­le in den nächs­ten Mona­ten noch hochzuschrauben.

Vorbereitete Angriffe auf die Polizei am 10.4.21 in Wien (Foto: Presseservice)

Vor­be­rei­te­te Angrif­fe auf die Poli­zei am 10.4.21 in Wien (Foto: Pres­se­ser­vice)

Die Chro­nik ist exem­pla­risch zu ver­ste­hen – das Aus­maß an Atta­cken und Dro­hun­gen ist bezo­gen auf Öster­reich sicher­lich höher.