Mord
- Die bisher brutalste Attacke endete erst vor wenigen Tagen in Deutschland mit der Ermordung eines 20-jährigen Studenten, der als Tankstellenkassierer einen Mann, der Bier kaufen wollte, zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes aufforderte. Weil ihm der Student den Bierkauf wegen der fehlenden Maske verweigerte, verließ der Täter den Shop, kehrte mit Mund-Nasen-Schutz und Pistole zurück und erschoss den Kassierer „mit einem gezielten Schuss in den Kopf“ (spiegel.de, 20.9.21). Neonazis feiern den Mord auf Telegram ab: „Wenns die richtigen trifft, hab ich nichts dagegen“
Drohungen
- Im Juni wurde der belgische Rechtsextremist Jürgen Conings nach mehrwöchiger Fahndung tot aufgefunden. Er hatte, bevor er untertauchte, den belgischen Virologen Marc von Ranst mit dem Tod bedroht und ihm auch vor dessen Wohnung aufgelauert. Der Rechtsextremist hat sich vermutlich bereits einem Tag nach seinem Untertauchen suizidiert.
- Virolog*innen und mit ihnen verwandte Berufe zählen ganz offensichtlich zu den am meisten bedrohten Berufsgruppen. So wurden in Deutschland etwa der Virologe Christian Drosten und der Epidemiologe und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach wegen ihrer engagierten Haltung mehrfach mit Mord bedroht. In Italien musste der Direktor für Infektionskrankheiten des San-Martino-Krankenhauses in Genua, Matteo Bassetti, unter Polizeischutz gestellt werden, nachdem er und seine Familie Morddrohungen erhalten hatten. Auch Anthony Fauci, der wohl bekannteste Virologe der USA, erhält immer wieder Drohungen gegen sich und seine Familie wegen seines Engagements in der Corona-Pandemie.
- Ärzte und Pflegepersonal, die Corona-PatientInnen pflegen und betreuen, zählen ganz allgemein zu den am meisten angefeindeten Berufsgruppen. Darauf deuten nicht nur dieser Bericht aus den USA hin, sondern auch der – allerdings sehr allgemeine – Beitrag aus der Zeitschrift „Öffentliche Sicherheit“ des österreichischen Innenministeriums. Konkreter sind jedenfalls die Ergebnisse einer Befragung von Pflegekräften, die im Jun 2021 präsentiert wurde, wo neben der hohen physischen und psychischen Belastung von den Befragten (insgesamt 2470) angegeben wurde: „In der Umfrage berichten 60 Prozent von verbaler Gewalt wie Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen. 17 Prozent waren auch von körperlicher Gewalt wie beispielsweise Schlägen, Tritten und Bissen betroffen. In absoluten Zahlen wären das 10.000 Pflegekräfte.“ (orf.at, 8.6.21)
- Über Drohungen gegen Politiker*innen im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wird eher selten berichtet – und wenn, dann in erster Linie, wenn sie Spitzenpolitiker*innen wie Bundeskanzler Kurz oder andere Regierungsmitglieder betreffen. Wegen einer Morddrohung gegen Kurz („Sie haben unsere Existenz auf dem Gewissen, und erst wenn sie weg sind, werde ich wieder schlafen.” ‚„Sie gehören öffentlich gesteinigt.“) ist im April 21 ein Vorarlberger (28) zu einer bedingten Haftstrafe und einer unbedingten Geldstrafe verurteilt worden (Neue Vorarlberger Tageszeitung, 4.4.21). Die massive Zunahme von Drohungen gegen Bürgermeister*innen, Kommunal- und Landespolitiker*innen wegen der Corona-Pandemie wird nur selten thematisiert:„‚So etwas haben wir bisher nicht gekannt‘, berichtet Oberösterreichs Polizeidirektor Andreas Pilsl über ‚massive Morddrohungen‘ gegen Landespolitiker von Gegnern der Corona-Maßnahmen und Corona-Leugnern.“ (meinbezirk.at, 14.3.21) Ähnliches berichtet das ARD-Politmagazin „Report“ für deutsche Kommunalpolitiker, wobei hier nicht ausschließlich Corona als Motiv zu sehen ist: „Demnach wurden 72 Prozent der Bürgermeister in Deutschland bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Bei einer vergleichbaren Umfrage im vergangenen Jahr lag der Wert noch bei 64 Prozent.“ (br.de, 27.4.21)
- Journalist*innen, die über Aktionen von Corona-Leugnern und Impfgegner*innen berichten, Fakten checken, Demonstrationen begleiten, waren von Beginn der Pandemie an Drohungen und auch körperlichen Attacken ausgesetzt. Auch in Österreich: Wir haben im Februar 21 darüber berichtet. Mittlerweile gibt es auch ein erstes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wegen einer Morddrohung gegen den Journalisten Michael Bonvalot.
Spuckattacken
- Eine besonders widerliche Variante von Drohungen stellen die Spuckattacken dar, die in einer Pandemie natürlich mit der Potenzialität von Infektion verbunden sind, von den Spuckern oft auch verbal damit verbunden werden. Spuckattacken gegen Journalist*innen werden etwa berichtet von der Corona-Demo Ende Jänner 21 (zackzack.at, 1.2.21), von einer Corona-Leugner-Demo Ende Juni, bei der vor dem ORF-Zentrum am Küniglberg eine ORF-Mitarbeiterin bespuckt wurde, und schließlich von einem Mühlviertler Zahnarzt, der zwei Polizisten bespuckte und ihnen mit Ansteckung durch das Corona-Virus drohte . Das Innenministerium berichtete im März dieses Jahres von mehr als 50 Spuckattacken gegen PolizistInnen.
Körperverletzung
- Personen aus Berufsgruppen, die mit der Einhaltung von Corona-Regeln befasst sind, werden nicht nur bespuckt und bedroht, sondern auch physisch attackiert wie etwa jener Fahrkartenkontrolleur in einer S‑Bahn-Garnitur Richtung Bregenz, der einen Fahrgast auf dessen fehlenden Sicherheitsabstand aufmerksam machte: „Weil er von einem Fahrkartenkontrolleur im Zug auf den fehlenden Sicherheitsabstand aufmerksam gemacht wurde, rastete ein Mann aus und schlug nicht nur auf den Bahnbediensteten ein, sondern auch auf zwei Fahrgäste, darunter eine Frau.“ (Kronen Zeitung, 27.3.21)
Wiederbetätigung, Waffen usw.
- Der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker hat wohl nicht mit dieser umfangreichen Beantwortung durch den Innenminister gerechnet, als er im April 21 eine Anfrage wegen der „Teilnahme angeblicher Rechtsextremisten“ stellte. Die Antwort des Innenministers, in der für einen sehr beschränkten Zeitraum auf einige Anzeigen nach dem Verbotsgesetz und andere Anzeigen verwiesen wurde, fiel ungewohnt detailliert aus.
- Ganz anders hingegen die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Schatz, die sich auf eine Pressekonferenz des Innenministers vom Mai 21 bezog, wonach „im Corona-LeugnerInnen-Milieu große Waffenfunde, Helme, Schutzwesten und Munition erfolgt seien“.Die Antwort des Innenministers ging faktisch nicht über das hinaus, was er Monate zuvor schon in seiner Pressekonferenz verlautbart hatte.
Fakt ist, dass die verbalen und physischen Attacken von Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen auch in Österreich schon ein beträchtliches Ausmaß angenommen haben. Die organisierte und von Rechtsextremen durchsetzte Szene wird alles daransetzen, diese Gewaltspirale in den nächsten Monaten noch hochzuschrauben.
Die Chronik ist exemplarisch zu verstehen – das Ausmaß an Attacken und Drohungen ist bezogen auf Österreich sicherlich höher.